Kapitel 27

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Verflucht. Er musste verflucht sein.

Wie hätte es sonst passieren können, dass sein Bierglas mit voller Wucht auf dem Boden aufschlug und in hunderte, unlogisch winzige Teilchen zersplitterte?

„Fuck", fluchte er bestürzt.

Nicky seufzte und zwang sich zu einem kleinen Lächeln. Wenigstens war es schon leer gewesen.

„Halb so schlimm."

Sie ging um den Tresen herum und auch wenn sie bereute, Ben so viele Getränke ausgeschenkt zu haben, wurde die Sympathie, die sie für ihn empfand, nicht weniger. Mühelos ging sie in die Hocke und begann mit einer kleinen Bürste und Schaufel bewaffnet, die Scherben wegzukehren.

Plötzlich hörte sie Bens Knie knacken und fand ihn wenige Zentimeter von sich entfernt in Augenhöhe wieder.

„Tut mir verdammt leid... ich... das Bier..." Seine Zunge klang schon ein bisschen ungelenk und er selbst wirkte deutlich verwirrt.

„Ach. Passiert." Sie zuckte mit den Schultern und fegte weiterhin Bruchstücke auf ihre kleine Plastikschaufel.

Ben wollte ihr helfen, wusste aber nicht wie. Also starrte er sie an. Ganz genau beobachtete er sie. Jeden Handgriff, jede noch so kleine Bewegung, die ihr Körper bei einem Atemzug machte, jede blassviolette Haarsträhne, die ihr ins Gesicht fiel.

Sein Blick machte Nicky nervös und gab ihr gleichzeitig das Gefühl, sie magnetisch anzuziehen, aber sie zwang sich, die Scherben im Auge zu behalten.

„Hey...", murmelte Ben nun leise. Sanft.

Liebevoll?

Ruckartig stand Nicky auf. Ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals und beinahe hätte sie die Glassplitter, die sie auf der Schaufel balancierte, wieder zu Boden rieseln lassen. Es war zu viel, aber nicht genug.

Sie drehte ihm den Rücken zu, während auch er sich langsam wieder aufrichtete. Dann beeilte sie sich, in ihr sicheres Zuhause hinter der Bar zu gelangen und ließ die zerbrochenen Teile grob in den Mülleimer fallen.

„Ich würde sagen, du erzählst weiter, damit wir bald zu einem Ende kommen", meinte sie, immer noch ohne ihn anzusehen.

-

Nachdem Mason in das Hotel gefahren war, indem er vorerst wohnte, schlug Ally vor, noch eine Folge Game of Thrones zu sehen, während Liz zu Adam fuhr, da sie nichts von dieser „unorthodoxen Kulturschändung" hielt. Aber wir ließen uns durch Liz Gerede nichts vermiesen und lagen dicht bei einander in Allys Einzelbett, während ihr Laptop die Landschaft von Westeros zeigte.

„Ich wusste nicht, dass Mason vorhat, zurück zu kommen. Ehrlich nicht im Geringsten", murmelte Ally vorsichtig, während ihr Blick auf dem Bildschirm klebte.

„Das hab ich mir gedacht. Aber wieso hat er dir nicht Bescheid gesagt, wenn ihr beste Freunde seid?" In meinem Kopf brannten noch hundert weitere Fragen, aber ich drängte sie zurück und hielt die Flammen so klein wie möglich. Trotzdem war mir etwas mulmig zumute. Wann würde Ally mir die ganze Geschichte erzählen? Gab es überhaupt eine „ganze Geschichte"?

Sie seufzte und rückte – vielleicht sogar unbewusst – ein Stückchen von mir weg. „Wir hatten keinen richtigen Kontakt mehr, seit er nach Paris gegangen ist. Also, wir sind nicht direkt im Streit auseinander gegangen, aber wir... wir sind einfach aneinander vorbeigedriftet, verstehst du? Irgendwann hatte jeder viel zu tun, sein eigenes Leben zu leben und wir haben uns aus den Augen verloren."

Pistazieneis zum FrühstückWhere stories live. Discover now