Kapitel 3

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„Sag es mir besser jetzt gleich... Hassen wir Ally? Also sollte ich gar nicht erst anfangen, sie sympathisch zu finden?" Nicky klang ehrlich besorgt.

Ben schnaubte leicht amüsiert, wusste aber nicht so ganz, wie er sich ausdrücken sollte. „Wir hassen sie nicht. Glaub mir, selbst wenn ich wöllte, könnte ich sie nicht hassen. Trotz allem ist sie immer noch der unglaublichste Mensch, den ich kenne."

„Dann hab ich also gar keine Chancen bei dir?", platzte es aus Nicky heraus. Eigentlich war es nur als Scherz gemeint, aber ihre Stimme klang so ernst, dass sie befürchtete er würde ihre Worte nicht als solchen erkennen.

„Eher nicht." Ben lachte verlegen. „Tut mir leid, du wirkst echt nett, aber ich werde wohl noch einiges an Zeit brauchen, bis ich jemand Neues kennenlernen möchte."

„Schon gut." Sie wirkte kein bisschen betrübt und zuckte wieder mit den Schultern. „Aber du machst mich echt neugierig. Willst du nicht gleich zu dem Grund kommen, wieso du so unglücklich bist? Was ist passiert?"

„Hab ein bisschen Geduld, ja? Wenn ich dir davon erzählen soll, dann auf meine Weise."

„Okay, okay. Kein Stress. Und nur zu deiner Info: Du bist eigentlich gar nicht mein Typ." Abwartend starrte er sie an. „Ja, richtig gehört, Ben. Ich steh nicht so auf Eisverkäufer. Ich hab gehört, das sind häufig Psychopathen."

-

„Also schön, du hast ihre Nummer. Gut gemacht, Mann", sagte Mike anerkennend. Wie genau mein Gespräch mit Ally abgelaufen war oder was als nächstes passieren würde, interessierte ihn offenbar so sehr wie die Mario Kart Spielabende von dem elfjährigen Nachbarsjungen und seinen Freunden, die man deswegen manchmal aufgebracht durch unser Wohnhaus brüllen hörte. Also gar nicht.

Normalerweise störte es mich nicht, dass Mike einfach ein Typ war, der nicht extra nachfragte, aber in diesem Fall hatte ich das Bedürfnis, jemandem davon zu erzählen. Von jeder noch so kleinen Einzelheit. Kurz spielte ich sogar mit dem Gedanken, meine große Schwester anzurufen - verwarf ihn aber wieder. Ein wenig weibliche Einsicht konnte zwar vermutlich nicht schaden, aber wie ich sie kannte, würde sie mich auf den Boden der Tatsachen zurückholen und die grausamen Fakten zusammenzählen.

Ally war nett gewesen - Fakt. Sie hatte mir ihre Nummer gegeben - angeblich. Sie würde sich morgen mit mir treffen - angeblich. Sie hatte vor, sich heute noch zu melden - angeblich. Wenn man eine Gegenüberstellung dieser Punkte machte, waren meine Aussichten doch nicht so rosig.

In jedem dieser Dinge konnte ich nur hoffen, dass sie mich nicht belogen hatte. Aber wieso sollte sie das alles auch ernst gemeint haben? Ich war - bestenfalls - ihr Eisverkäufer. Aus einem anderen Blickwinkel so was wie ihr Stalker.

„Und? Ist sie das?", fragte Mike nun und riss mich aus meinen Gedanken. Ich hatte gar nicht richtig mitbekommen, dass mein Handy vibriert hatte, aber nun stürzte ich mich so gierig darauf, wie ein Raubtier auf eine Gazelle.

‚Hast du morgen gegen 17 Uhr schon was vor? Alabama Street 29. Café Montgomery. Ich werde dort sein. Ally.'

Meine Kehle fühlte sich trocken an und ich vergaß ganz, meinem besten Freund zu antworten.

„Erde an Ben? Eigentlich kann ich mir die Frage jetzt auch selbst beantworten. Deiner Reaktion nach zu urteilen." Er klang belustigt, aber ich ignorierte ihn einfach weiterhin.

‚Dann sehen wir uns dort. Ich bin der Typ mit der Machete. Dein Psycho.' - antwortete ich nach ein paar Minuten. Einerseits wollte ich meine Worte nun genau überdenken, wenn ich schon die Gelegenheit dazu hatte und andererseits wollte ich natürlich nicht, dass es so wirkte, als hätte ich den ganzen Tag auf ihre Nachricht gewartet.

Pistazieneis zum FrühstückWhere stories live. Discover now