Kapitel 19

2.3K 262 56
                                    

„Fiona? Was ist los?", fragte ich besorgt, aber in Eile. Leider konnte ich mir bei den – für Anfang Juni verdammt heißen – Temperaturen keine allzu lange Pause gönnen. Aber ohne einen Anhaltspunkt zu haben, was los war, wäre ich sowieso nur halb bei der Sache und würde die andere Hälfte meines Gehirns mit Sorgen überlasten. Ich musste wenigstens ihre Stimme hören.

„Ich fahr am Wochenende in die Stadt... Dann reden wir, okay?" Sie klang so gar nicht wie meine Schwester. Wo war die starke, selbstsichere – und oft gerade deshalb extrem nervige – Frau hin verschwunden, die in ihr steckte?

„Muss ich mir Sorgen machen?"

„Eigentlich nicht. Aber das tust du doch sowieso, oder?" Sie schnaubte amüsiert und ein Teil der Last fiel schon mal von mir ab.

„Stimmt allerdings", antwortete ich auch etwas lockerer. „Tut mir leid, ich bin noch bei der Arbeit. Ich ruf dich nachher nochmal an."

„Nicht nötig. Wie gesagt: Ich fahr morgen in die Stadt und komm dich besuchen." Ein neuer Eisliebhaber näherte sich dem Nice Ice und ich verabschiedete mich von Fiona. „Mach's gut, ich hab dich lieb", erwiderte sie.

Das war mehr als seltsam.

Als ich zuhause nach einer gefühlten Ewigkeit mal wieder auf Mike traf, erzählte ich ihm kurz von Ally und mir, worauf er allerdings nur mit ein paar zweideutigen Kommentaren reagierte. Schließlich erwähnte ich auch, dass Fiona bald vorbeikommen würde und sich am Telefon total komisch verhalten hatte.

„Vielleicht ist sie schwanger?", war Mikes erster Gedanke. Ob er nur einen Scherz machte oder es ernst meinte, konnte ich nicht sagen, da mich meine eigene Panik nun ablenkte.

„Daran hab ich noch gar nicht gedacht...", murmelte ich alles andere als begeistert. Fiona hatte vielleicht vor drei Jahren ihren letzten Freund gehabt. Einen unsympathischen Tennisspieler, der über nichts als Sport sprach. Grundsätzlich hatte ich mich noch nie mit einem ihrer Freunde besonders gut verstanden, jetzt wo ich so darüber nachdachte. Sie hatten alle entweder komplett arrogant oder dauergelangweilt gewirkt. Und die Vorstellung von meiner Schwester, wie sie plötzlich ganz alleine – ohne jegliche Beziehung – mit einem Baby dastand, war noch viel weniger prickelnd.

„Naja, grundsätzlich ist das doch nichts Schlimmes, oder? Sie ist immerhin dreiundzwanzig, Mann." Mike sah zuerst einfach nur nachdenklich aus, aber dann begann er zu grinsen. „Allerdings hab ich dann wohl keine Chancen mehr bei ihr – und sie ist echt ziemlich heiß."

„Du bist unmöglich", grummelte ich und warf ihm die finstersten Blicke zu, die ich aufbringen konnte.

„Deswegen musst du jetzt aber nicht eifersüchtig werden. Du bist trotzdem heißer."

Ich seufzte und ging endlich auf mein Zimmer, da ich noch für die Prüfung lernen musste, die am Donnerstag stattfand. Als fast zwei Stunden später mein Handy vibrierte, war mein Zimmer das reinste Chaos. Alle halbwegs brauchbaren Notizen und Bücher breiteten sich auf meinem Bett und am Boden aus und ich lag irgendwie mittendrin, sodass es mir selbst schwerfiel, den Überblick zu behalten. Dankbar für die Ablenkung grinste ich also mein Handy an, als ich Allys Namen neben einer Nachricht sah.

‚Lernst du gerade übereifrig oder hast du Zeit?'

‚Untereifrig trifft es wohl besser – also würde ich mir gerade wahnsinnig gern Zeit für dich nehmen', tippte ich zurück.

Höchstens zwanzig Sekunden, nachdem ich die Nachricht abgeschickt hatte, rief sie mich an.

„Hey."

„Hi." Unfassbar wie schüchtern wir beide gerade klangen.

„Ich hab ein schlechtes Gewissen, wenn ich dich vom Lernen abhalte, also dachte ich mir, ich komm nicht vorbei, sondern ruf dich nur kurz an", sie sprach schnell und ungewohnt nervös, was aber unglaublich süß klang. „Normalerweise telefoniere ich nicht wirklich gerne, aber... ich schätze, ich hab dich vermisst."

Pistazieneis zum FrühstückWhere stories live. Discover now