Kapitel 25

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Auf seiner Nase saß eine Brille mit dickem Rahmen, auf seinem Kopf dunkles, leicht lockiges Haar. Er war bestimmt ein-Meter-neunzig groß, aber durch sein schüchternes Lächeln sah er aus, als wünschte er sich, er wäre kleiner. Außerdem stand fest: Ich hatte diesen Typen noch nie in meinem Leben gesehen.

„Bonjour", sagte er leise.

Ich konnte Allys Gesicht nicht sehen, aber für einen Moment schien sie so starr wie eine Wachsfigur. Dann, kaum zehn Sekunden später, trat sie auf den Fremden zu und umarmte ihn vorsichtig, fast als fürchtete sie, er würde die Geste nicht erwidern. Doch er beugte sich hinunter und schloss seine unglaublich langen Arme um sie.

Ally murmelte irgendwas, das ich überhaupt nicht verstehen konnte.

Ich stand bloß völlig perplex neben Liz, die genauso verwirrt wie ich wirkte. Diese Situation war so merkwürdig und auf komische Weise unecht, dass ich mich wie ein Eindringling fühlte.

„Kuchen?", fragte Ally schließlich ebenso schüchtern wie der Kerl, von dem sie sich gerade gelöst hatte.

„Gern." Endlich bemerkte er mich – und Liz. Es sah aus, als würde sein Lächeln ein klein wenig verrutschen, aber vielleicht bildete ich mir das auch nur ein. Ich wollte die Sache nicht von Grund auf... carinisieren. Eifersucht war dazu fähig, alles zu verschlingen, was ihr vor die Nase kam und nichts übrig zu lassen, außer einem fetten Haufen an Problemen. Mike und Carina waren da wohl so was wie das Paradebeispiel.

„Hallo", begrüßte ich ihn also. So nett wie ich nur konnte und mit mehr Selbstbewusstsein in der Stimme als ich je zuvor gehabt hatte.

„Hi", erwiderte er freundlich und allein durch dieses eine Wort rückten meine Bedenken immer weiter in den Hintergrund. Er musterte mich kurz und wirkte sogar aufrichtig interessiert daran, meine Bekanntschaft zu machen.

Nun regte sich Liz neben mir, als sei sie gerade aus ihrem Winterschlaf erwacht. Ich rechnete mit einem gründlichen Verhör über die Religion des Neuen und ein paar spitzen Bemerkungen. Mindestens. Aber als Liz einen Schritt nach vorne machen wollte, stieß sie mit dem Bein gegen den Stuhl, schaffte es irgendwie daran hängen zu bleiben und fiel nach vorne.

Genau in meine Arme.

Wäre meine Reaktion eine Sekunde später gekommen, wäre sie wahrscheinlich ziemlich schmerzhaft auf den Boden geknallt. Aber ich hatte meine Gliedmaßen von hinten um ihren Bauch geschlungen und das verhindert. Ihre Haare waren nun direkt vor meiner Nase, sodass ich vom Geruch ihres Shampoos attackiert wurde und mein eigener Leib presste sich an ihren Rücken. Ich spürte ihren Widerwillen so deutlich wie meine eigene Angst. Denn – verdammte Scheiße – Liz war immer noch extrem einschüchternd.

„Ben...", grummelte sie. „Lass mich los."

Blitzschnell löste ich mich von ihr. Sie drehte sich um und ich sah, wie ihr Gesicht rot anlief. War es Wut, weil ich die Unverschämtheit besaß, ihr so nahe zu kommen, oder war ihr einfach peinlich, was passiert war? Eigentlich sollte sie doch dankbar sein – oder?

Aber das Schicksal zeigte es mir mal wieder: Wenn ich selbst nicht derjenige war, der über seine eigenen Füße stolperte, dann wusste ich mir schon zu helfen. Ich fand immer wieder einen neuen Weg, um ins Fettnäpfchen zu treten.

Ally sah uns verwirrt an. Dann lachte sie. „Ich glaube, ihr beiden habt euch selbst gerade besser vorgestellt, als ich es jemals hingekriegt hätte." Nun wandte sie sich an den Fremden, dem unsere hübsche Showeinlage ein Schmunzeln beschert hatte. „Mason... Das ist Liz, meine Mitbewohnerin. Und Ben..." Sie zögerte. Ich merkte schon, wie sich doch Unruhe in mir ausbreitete und die Eifersucht nach mir rief. Hatte ich Grund zur Sorge? Wer war dieser Mason? Woher kannte er Ally und wie standen die beiden zueinander? Er war ihr definitiv wichtig – aber wieso hatte sie mir nicht von ihm erzählt?

Pistazieneis zum FrühstückWhere stories live. Discover now