Kapitel 8

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Der folgende Freitag war so verregnet und kalt, dass ich mir kaum vorstellen konnte, dass schon fast Sommer war. Der plötzliche Wetterumschwung sorgte auch dafür, dass es in der Arbeit wesentlich ruhiger zuging. Denn wer wollte schon auf die Straßen gehen, um sich ein Eis zu holen, und dabei klatschnass werden? Die wenigen Verrückten, die trotzdem durch die Fußgängerzone liefen, freuten sich wohl über eine gratis Erkältung.

Obwohl so gut wie nichts zu tun war, waren heute Carina und ich für die Vormittagsschicht eingeteilt. Wir tratschten eigentlich mehr als zu arbeiten, aber es war niemand hier, der sich daran stören konnte.

„Also Ben. Wer war denn jetzt das Mädel, mit dem du letztens hier warst?" Carina war eine Person, die viel wusste, aber noch mehr wissen wollte. Egal, ob es sie etwas anging oder nicht. Trotzdem mochte ich Carina und wir waren irgendwie Freunde – also war es halbwegs okay für mich, wenn sie solche Fragen stellte.

„Das war Ally. Ich hab sie letztens kennengelernt", antwortete ich ausweichend.

„Aha." Sie grinste verschwörerisch. „Und du magst sie sehr, nehme ich an?"

„Ziemlich."

„Süß. Du bist ein richtiger Romantiker, hab ich das Gefühl. Allein dein verträumter Blick in diesem Moment..." Ich sah doch ganz normal aus? Dachte ich zumindest. „Bestimmt hast du irgendwas Großes geplant, um sie für dich zu gewinnen, hm?"

„Ähh..." Da war sie meinen Gedanken einen Schritt voraus. „Noch nicht ganz. Ich arbeite daran." Ich drehte mich um und sah mein rotgewordenes Gesicht in der spiegelnden Vitrine mit den Extrabechern.

„Oh mein Gott!", zischte Carina plötzlich und ich zuckte zusammen. „Ist sie das da drüben?"

Mein Herz setzte für einen Moment aus. Das konnte doch nicht wahr sein... Aber tatsächlich. Ally trug einen grauen Regenmantel und kämpfte sich lächelnd durch das Unwetter. Carina hatte ein beeindruckendes Gedächtnis was Gesichter anging.

„Hey!", rief Ally glücklich über den Tresen zu uns herüber. Sie musste laut reden, um den prasselnden Regen zu übertönen. Von dem weinenden, verzweifelten Mädchen von vorgestern schien nicht einmal ein Schatten übrig zu sein.

„Was darf's denn sein?", fragte ich sie, als würden wir einander nicht kennen.

„Das Übliche." Sie grinste. Mein Kopf fühlte sich an wie eine Schneekugel. Das Übliche... Das Übliche! Schnell nahm ich eine Eistüte und formte zwei Kugeln Pistazieneis, die ich hineinfüllte.

„Du bist verrückt – das ist dir bewusst, stimmt's?", meinte ich kopfschüttelnd, als sie mir das Geld gab.

„Weil ich Eis esse?", fragte sie gespielt unwissend, als würde sie rein gar nichts von dem Regen mitbekommen.

„Ja."

Kurz schwiegen wir und sahen einander bloß an. Dann spürte ich Carinas auffordernden Blick auf mir und sah aus dem Augenwinkel, wie sie die Augenbrauen hochzog.

„Lass uns irgendwas unternehmen", kam es plötzlich von Ally. „Heute. Oder morgen. Ganz egal."

Die Wärme in meinem Körper breitete sich aus und obwohl es ziemlich kalt war, fror ich nicht im Geringsten. „Okay."

„Willst du nicht mehr dazu sagen? Fragen, was wir unternehmen könnten? Wann? Wo? Die Einzelheiten klären?" Amüsiert sah sie mich an.

„Nein." Alles was mir wichtig war, war ihre Anwesenheit – und ich vermutete mal, dass sie mir die sowieso mit ihrer Einladung versichert hatte. Oder sie würde mich irgendwo hinbestellen, damit ich dort allein herumsaß. Was natürlich bescheuert war.

Pistazieneis zum FrühstückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt