Kapitel 7

3.2K 332 73
                                    


Wie wahrscheinlich war es, dass mir Ally gerade jetzt über den Weg lief? Eben noch irrte sie durch meine Gedanken – und schon stand sie direkt vor mir. In Fleisch und Blut. Wiedermal bewies sie mir damit, dass die Realität jede Erinnerung mühelos in den Schatten stellen konnte. Selbst wenn sie verheult und elend vor mir stand – so wie in diesem Moment – gelang es ihr.

„Was ist passiert?"

„Ach... nichts", antwortete sie knapp. Eine eindeutigere Antwort konnte sie mir wohl kaum geben: Sie wollte nicht reden. „Ich-ich sollte..."

„Du solltest mit zu mir kommen. Ich mein's ernst, ich wohne gleich um die Ecke und bis zum Studentenwohnheim ist es ein ziemliches Stück..." Ich wollte ihr helfen. Wenn es die Sache erleichtert hätte, hätte ich sofort meinen gesamten Einkauf auf den Boden geschmissen und sie stattdessen in meine Wohnung getragen. „Ally... Ich kann dich doch jetzt nicht allein lassen."

Sie zögerte immer noch. Trat ich ihr damit zu nahe? Kurz befürchtete ich, sie könnte das ganze völlig falsch auffassen – aber ich hatte wirklich keine bösen Absichten. Wie könnte ich mein Pistazienmädchen einfach hier stehen lassen, wenn sie gerade geweint hatte?

„Okay. Wo geht's lang?" Sie schien selbst ein bisschen überrascht von ihrer Antwort zu sein und blickte verlegen durch die Straßen, nur um mir nicht in die Augen sehen zu müssen, rang sich aber wieder ein Lächeln ab. „Ich schätze, das waren dann die typischen letzten Worte vom Opfer des Psychopathen."

„Warte erst, bis du meinen Keller siehst", scherzte ich mit und war irgendwie erleichtert. Wenn sie jetzt schon wieder Witze reißen konnte, war es vermutlich nicht allzu schlimm... oder?

Während wir Seite an Seite die paar Meter zu der Wohnung zurücklegten, schwiegen wir beide. Aber es war keine allzu unangenehme Stille und ich wollte Ally auch noch etwas Zeit geben, sich wieder zu beruhigen.

Ich schloss die Tür auf und drehte mich kurz zu ihr um. „Kann ich dir irgendwas anbieten? Kaffee? Oder willst du eine Tasse Tee?"

„Auf Tee-den Fall", antwortete sie und brachte mich damit augenblicklich zum Lachen.

„Der war ja mal richtig schlecht..."

„Siehst du, was du mit mir anstellst, Hunter? Dein grauenhafter Humor färbt jetzt schon auf mich ab. Ich fürchte, du hast mich infiziert."

„Ist das dann der Moment der Zombie-Apokalypse, wo wir verzweifelt nach einem Heilmittel suchen, weil ich dich einfach nicht aufgeben kann?" Mit ihr zu reden tat gut – es war so einfach, so unbeschwert und auch wenn ich lauter Blödsinn von mir gab, schien es ihr egal zu sein. Naja fast.

„Tja... Ich befürchte, ich kann nicht mehr gerettet werden, Ben."

Was sollte das jetzt heißen? Leider sah ich ihr Gesicht nicht, als sie diese Worte sprach, weil ich mich bereits wieder der Tür zugewandt hatte, doch irgendwie klang sie nicht sehr ernst. Oder wollte sie mir damit doch irgendeinen getarnten Hinweis geben, was eigentlich passiert war? Welche Antwort sollte ich ihr denn jetzt großartig geben?

Wieso waren Mädchen nochmal so kompliziert? Ich konnte mich nicht erinnern, das Häkchen bei diesen AGBs gesetzt zu haben. Okay, wer las bitte die „allgemeinen Geschäftsbedingungen" tatsächlich? Trotzdem kam es mir ungerecht vor, dass das weibliche Geschlecht diese Eigenschaft für sich beansprucht hatte.

Ich ging schnurstracks in die Küche, um den Einkauf zu verstauen und nebenbei Wasser aufzukochen. Ally folgte mir und ließ sich mit einer Selbstverständlichkeit auf einen Stuhl am Esstisch fallen, als wäre sie schon hundertmal hier gewesen.

Pistazieneis zum FrühstückNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ