Kapitel 28

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„Keine Ahnung, ob er Farroway heißt", gab ich zu. „Ich hab den Typ erst einmal gesehen, da fragt man nicht gleich nach seinem Lebenslauf."

„Groß, brauner Wuschelkopf, Brille, arrogantes Grinsen?", fragte Mike weiter.

„Ja, ja, ja und nein – eigentlich war er eher schüchtern." Konnte es wirklich sein, dass mein bester Freund Allys – mehr oder weniger – besten Freund schon kannte? Konnten Mikes Mason und Allys Mason tatsächlich eine Person sein? Aber wer war denn Mikes Mason überhaupt? Er hatte noch nicht gerade viel verraten.

„Von wem redest du eigentlich?", wollte ich also wissen. Meine Stimme hatte diesen etwas unsicheren Unterton, den ich nicht mochte, und ich merkte, wie ich automatisch die Augenbrauen zusammenzog. Irgendwie fühlte ich mich... bedroht. Als würde sich dieser Mason in mein Leben einschleichen und meinen Platz einnehmen wollen. Was verrückt war, denn:

A – ich war mit Ally zusammen und nicht er

B – mein bester Freund klang nicht gerade begeistert, wenn es um Mason ging

Bevor ich das Alphabet in Gedanken weiterführen konnte, antwortete Mike mit einem Seufzen. Dann nahm er einen Schluck Wasser von seinem Glas, das am Wohnzimmertisch stand. „Wir hatten diese Woche so ein Interviewprojekt im Studium. Mit einer Organisation, die Auslandsstipendien auf die Beine stellt, blabla und so weiter und so fort. Jedenfalls durfte meine Gruppe Mason Farroway interviewen: Arroganter Anwaltsschnösel, vor wenigen Tagen aus Paris zurückgekommen." Mike räusperte sich und nahm noch einen Schluck Wasser. „Wenn das nicht derselbe ist, wär das echt unheimlich, Mann."

„Okay, das ist echt ziemlich komisch", murmelte ich nur. „Vielleicht frag ich Ally mal danach. Kann's weiter gehen?" Ich deutete mit einem Kopfnicken auf den Fernseher, der das Pausenmenü von The Last of Us anzeigte. Eigentlich war mein Bedürfnis an „Mason als Gesprächsthema" mehr als gestillt.

Mein Mitbewohner grummelte zustimmende Worte, aber nach weniger Minuten fing er wieder davon an. „Ich dachte, ich wäre arrogant, Mann. Aber du hättest ihn echt sehen sollen." Seine blonden Haare wippten leicht mit, als er den Kopf schüttelte. „Als könnte er jedes Mädel in dem Raum mit seinem bloßen Lächeln flachlegen. Und das schlimmste war, dass Amber und Charlie drauf eingegangen sind wie sonst was. Irgendwann ist das Interview zu einem lächerlichen Wettkampf geworden, wer von den beiden mehr von Masons Aufmerksamkeit auf ihren Ausschnitt lenken kann. Natürlich hat er so geredet, als würde er beide schon ewig kennen und sie mit chérie angesprochen."

„Klingt, als wärt ihr euch ähnlich", meinte ich und schenkte Mike ein unschuldiges Lächeln, als er mich finster anfunkelte. Konnte das wirklich der schüchterne Mann von Allys Geburtstag sein?

„Ehrlich... Ich hasse Franzosen. Diesen zumindest."

-

Da Ally übers Wochenende ja wieder bei ihrer Familie war, hielten wir nur den gewohnten Handy-Kontakt.

Ich schrieb ihr, als ich einen Artikel über die Fortsetzung ihres Lieblingsbuchs, Wer die Nachtigall stört, fand und an sie denken musste.

Sie schickte mir Fotos von ihrer Katze, Gryffindor, und wir beschlossen, dass irgendwann ein Harry Potter-Marathon fällig war.

Ich jammerte wegen der mündlichen Prüfung, die am Freitag noch in Medientheorie anstand, und Ally stimmte mit ein, dass sie auch noch einen Berg für die Uni abarbeiten musste. Man merkte, dass das Semester dem Ende zuging und die Prüfungsphase bis zu guter Letzt die meisten Studenten auf Trapp hielt. Obwohl ich daran zweifelte, dass Allys Anwesenheit mir beim Lernen half, machten wir uns aus, am Montag gemeinsam die Köpfe in unsere Bücher zu stecken, um trotzdem irgendwie Zeit miteinander zu verbringen.

Pistazieneis zum FrühstückWhere stories live. Discover now