Kapitel 4

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Sobald wir beim Café Montgomery angekommen waren, wurde mir klar, wieso Ally diesen Ort ausgewählt hatte. Es handelte sich dabei um ein recht großes Gebäude in einer belebten Straße, dessen Wände fast gänzlich aus Glas bestanden. Keine einzige, dunkle Ecke, die etwas mehr Privatsphäre geboten hätte, war zu sehen. Sollte ich also irgendein Perverser sein, würde ich es höchstwahrscheinlich nicht wagen, vor all diesen Zeugen irgendeinen Scheiß abzuziehen.

„Nicht schlecht, der Laden...", murmelte Mike anerkennend, als wir durch die gläserne Eingangstür traten.

Ich bemerkte Ally, die gerade mit ihrer Sitznachbarin sprach und lachte. Sofort hellte sich meine Miene auf und die Sorge, dass irgendetwas schief gehen könnte, verschwand.

„Ist das Ally? Die Brünette?", fragte Mike. „Ben? Hast du mich überhaupt gehört?"

„Ja. Äh, ja, das ist Ally."

„Wow, dich hat's echt erwischt... Ich vermisse dein schwules Ich. Das hat mir immerhin mehr Aufmerksamkeit geschenkt." Mike setzte sich bereits in Bewegung und mir blieb kaum etwas anderes übrig, als es ihm gleich zu tun. Obwohl ich Ally gerne noch eine Weile beobachtet hätte, ohne dass sie uns bemerkte. Okay, jetzt klang ich tatsächlich wie ein kranker Stalker - Schluss damit.

„Oh, hey", begrüßte uns Ally strahlend, als wir bei ihrem Tisch ankamen. „Das ist meine Freundin, Liz. Liz, das sind Ben und..."

„Mike", vollendete dieser ihren Satz.

„Hallo", meinte nun auch Liz höflich und musterte uns skeptisch. Obwohl ihr Blick so kalt war, spürte ich wie sich die Hitze in meinem Körper ausbreitete. Ich wollte Ally einfach gefallen - und dabei würde ich nicht um Liz kritische Begutachtung herumkommen. Mädchen waren doch so, dass sie am meisten auf die Meinung ihrer Freundinnen vertrauten, was Jungs anging... oder?

Ally forderte uns auf, uns zu setzen, und bald kam ein Kellner, der unsere Bestellungen entgegennahm. Während ich meinen Kaffee nur mit so viel Milch und Zucker hinunterbrachte, dass der bittere Geschmack übertrumpft wurde, trank Ally ihren anscheinend völlig unberührt. Pistazieneis und schwarzer Kaffee - das waren derweil die einzigen Details, die ich kannte.

Nachdem wir alle bestellt hatten, breitete sich eine leicht unangenehme Stille aus. Ich wollte irgendetwas Intelligentes, etwas Witziges sagen, doch gerade jetzt glich mein Kopf einer Wüste. Nicht mal ein einziger dummer Kommentar, von denen ich sonst mehr auf Lager hatte als mir selbst eigentlich lieb war, fiel mir ein.

„Seid ihr zwei gläubig?", fragte Liz uns plötzlich aus dem nichts und durchbrach damit das Schweigen. Als wir nicht sofort antworteten, ging sie näher darauf ein, als wären wir begriffsstutzig. „Katholisch? Evangelisch? Überhaupt getauft? Oder gehörst du mit deinem merkwürdigen Pyramiden T-Shirt zu einer Illuminaten-Sekte?" Zuerst dachte ich, sie würde uns verarschen, doch während sie sprach, verzog sie keine Miene und Allys entschuldigender Blick ruhte auf mir.

„Äh... also eigentlich bin ich ohne Bekenntnis aufgewachsen", erklärte Mike vorsichtig.

Liz seufzte, zog ihre Augenbrauen hoch und wirkte, als würde sie sich einen bissigen Kommentar verkneifen. „Ben? Was ist mit dir?"

„Katholisch." Dass ich zuletzt vor ungefähr zwei Jahren in der Kirche war, brauchte sie nicht zu wissen. Ob Ally Religion auch so wichtig war?

Ein Lächeln legte sich auf Liz Lippen. „Gut. Gut, sehr gut. Wisst ihr, ich denke, die religiöse Einstellung sagt mehr über die meisten Menschen aus, als sonst was. Schade nur, dass Glaube heutzutage keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Aber - Mike war dein Name, stimmt's? Weißt du, es ist nie zu spät, doch noch auf den richtigen Weg zu finden. Vielleicht begreifst auch du irgendwann, welche Bereicherung der Glaube für dein Leben sein kann!" Erst jetzt viel mir auf, dass die Halskette, die um ihren Hals baumelte, in Wirklichkeit ein Rosenkranz war.

Pistazieneis zum FrühstückWhere stories live. Discover now