Kapitel 10

2.7K 315 60
                                    

Der Alkohol machte Ally ruhiger. Es war merkwürdig. Ich war immer davon ausgegangen, dass diverse Drinks die Leute auftauen ließen und sie offener machten – aber Ally schien immer mehr zuzufrieren. Sie versank in Gedanken und egal, wie oft ich ihr eine gute Vorlage gab, ihre neckischen Antworten blieben aus.

„Und natürlich hat Pete alles so dargestellt als wäre ich der Idiot", endete ich gerade die Geschichte von unserer Gruppenpräsentation – die ein ziemlicher Reinfall war.

Selbst ein leises „Bist du doch auch" hätte ich mir in diesem Moment mehr gewünscht als ich je gedacht hätte, aber Ally schnaubte nur und zwang sich zu einem Lächeln.

Ich glaube, es war der dritte Cocktail, den sie gerade leerte, und mein keine-Ahnung-wievieltes Guinness. Außerdem hatten wir vorhin ein paar Shots gekippt – was definitiv ein Fehler gewesen war. Egal, was ich ihr erzählte, sie hörte nur mit halbem Ohr zu und antwortete kaum. Genauso gut hätte ich Selbstgespräche führen können.

„Jetzt sag schon... Was ist los?", wagte ich einen neuen Versuch, ihre Sorgen aus ihr raus zu kitzeln. Es tat doch besser, wenn man seine Probleme aussprach, statt sie immer stumm in sich hineinzufressen. Zumindest ging es mir so. Sie hätte auf jeden Fall einiges zu erzählen, wenn sie aufhören würde, es zu verdrängen.

Ihr Blick klebte an ihrer Hand, die mit dem Strohhalm des Piña Colada Cocktails spielte. Sie sah mich auch nicht an, als sie leise zu sprechen begann. „Darüber will ich nicht reden. Obwohl der Abend jetzt schon ziemlich am Tiefpunkt ist, will ich ihn nicht noch mehr ruinieren." Endlich wanderten ihre blauen Augen zu mir. „Tut mir leid, Ben. Ich will nicht alles mit meiner miesen Laune verderben. Es war trotzdem wirklich schön... also naja. Bis... ich weiß nicht... Ach, ich sollte wirklich nach Hause gehen."

Es war dreiviertel elf, also saßen wir seit fast vier Stunden hier. Die Zeit war wie im Flug vergangen, – anfangs jedenfalls – doch irgendwann ging es steil bergab. Auch meine Motivation war mittlerweile so gut wie aufgebraucht. Ally saß gegenüber von mir – klar, das machte mich wahnsinnig glücklich. Aber sie war nun mal nicht glücklich und dass sie mich nicht einmal versuchen ließ, das zu ändern, nahm mir alle Willenskraft.

Trotzdem war da diese Stimme in meinem Kopf, die schrie, dass ich es versuchen musste. Und plötzlich kam die passende Idee, um sie wieder irgendwie zu ihrem Optimismus zurückzuführen. War das die „große romantische Geste" von der Carina gesprochen hatte? Keine Ahnung, aber solange es Ally dadurch besser ging, war mir egal, was alle anderen dachten.

„Du hast recht – wir sollten gehen."

Ich sprang von meinem Stuhl auf und zog Ally zu mir hoch. Ihre Wangen färbten sich leicht rosa, aber sie erwiderte meinen Blickkontakt. Wir hatten bereits bezahlt, als uns die Getränke an den Tisch gebracht worden waren, sodass wir jetzt einfach verschwinden konnten. Was gut war. Hätte ich mich jetzt noch mit der Rechnung herumschlagen müssen, würde ich wohl all meine Zuversicht verlieren, die ich durch die Macht des Bieres gewonnen hatte.

Erst als wir die Bar verlassen hatten, warf mir Ally einen fragenden Blick zu. „Was hast du vor, Hunter?" Und da war es wieder. Das schönste Lächeln, das ich je gesehen hatte.

„Lass dich überraschen. Und spring auf." Dafür erntete ich einen noch verwirrteren Gesichtsausdruck. „Ich mein's ernst. Ich nehme dich Huckepack und du schließt die Augen – sonst wäre es doch keine richtige Überraschung."

„Wie alt sind wir?"

„Alt genug, um zu wissen, dass wir nicht zu alt sind." Sie lachte laut und das Kribbeln in mir wuchs – was nicht am Alkohol lag. „Also los!"

Sie gehorchte, kletterte zurückhaltend auf meinen Rücken und klammerte sich mit Armen und Beinen an mir fest. „Augen zu, Allison. Wehe, du schummelst!", warnte ich sie.

Pistazieneis zum FrühstückUnde poveștirile trăiesc. Descoperă acum