„Buh", machte ich und grinste sie an. Ally war bereits im Pyjama und ihre Haare sahen etwas zerzaust aus, als wäre sie gerade erst aufgewacht.

„Ben?"

„Pass auf, dass dir nicht die Augen aus dem Kopf fallen. Das wär ziemlich ekelhaft."

Sie lachte. „Komm schon rein, du Idiot."

„So bedankst du dich für deine Geschenke?" Gespielt verletzt fasste ich mir ans Herz und schniefte.

Im nächsten Moment lagen ihre Lippen auf meinen. Viel zu kurz. Ich seufzte und folgte ihr ins Zimmer.

„Uhhhh, ist das etwa Pistazieneis? Ich könnte mir kein besseres Abendessen vorstellen. Du weißt, was Frauen wollen, Hunter." Sofort holte sie zwei Löffeln aus der kleinen Küche und wir setzten uns auf ihr Bett. Die Sonnenblume stellte ich auf das Fensterbrett. „Danke. Du bist toll."

„Weiß ich doch." Ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen. „Ist dir immer noch schlecht vom Sushi?"

„Natürlich. So schlecht, dass ich den bösen Fisch in meinem Magen unter ganz viel Eis vergraben muss." Ihr Handy vibrierte einmal. Zwei Sekunden später wieder. Neugierig beugte ich mich über Allys Schoß, da das Handy links von ihr lag, während ich rechts saß. „Ist da jemand neugierig?", fragte sie halbbelustigt. Trotzdem spürte ich, dass sie sich etwas verkrampfte. Und ohne, dass ich es verhindern konnte, nistete sich der Gedanke in meinem Hirn ein, dass sie nicht wollte, dass ich wusste, wer ihr schrieb.

„Wer schreibt dir denn?", meinte ich also ganz direkt, aber dennoch in beiläufigem Ton. So als wäre es nicht wichtig.

„Der Geist deiner Neugier" war alles, was ich als Antwort bekam. Wow, ich färbte mit meinen dummen Sprüchen eindeutig auf Ally ab. Was man alles in vier Monaten erreichen kann. Sie nahm einen weiteren Löffel von dem grünen Eis und warf einen Blick auf ihr Handy. „Oh", kam es schließlich. „Es ist Mason. Er fragt, ob wir heute noch Lust haben, was trinken zu gehen."

„Er weiß, dass ich hier bin?", hakte ich skeptisch nach, ohne ganz zu begreifen, was ihre Worte bedeuteten.

Ally sah mich nicht an und sagte zuerst auch nichts. „Nein. Eigentlich hat er gefragt, ob ich Zeit hab."

„Und wieso meldet er sich jetzt? Er war doch zum letzten Mal an deinem Geburtstag hier?"

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Er hat mir danach noch öfter geschrieben. Wollte wissen, ob ich mit meinen Eltern auf die Geburtstagsfeier seiner Mutter gehe und solches Zeug."

„Und solches Zeug?" Irgendwie wurde mir immer unwohler zumute. Und gleichzeitig tauchte wie aus dem Nichts der Begriff carinisieren wieder in meinem Kopf auf – der übrigens mittlerweile immer unpassender wurde. Mike Craywood und Carina Beckett waren seit einigen Wochen unzertrennlich.

„Er wollte eben wissen, wie es mir so geht. Immerhin hab ich ihn ewig nicht gesehen und wir standen uns mal sehr nahe. Ist doch jetzt auch egal..." Sie klang als würde sie sich rechtfertigen. Verlangte ich das von ihr? Ich wollte eine Erklärung, ja. Aber gab es denn etwas zu rechtfertigen?

„Okay", zwang ich mich selbst zu sagen. „Hast du Lust... also willst du dich heute noch mit ihm treffen?"

Noch bevor ich die Frage zu Ende gesprochen hatte, hoffte ich, dass sie Nein sagen würde.

Aber ein Schulterzucken war zunächst alles, was ich bekam, bevor mein Wunsch ignoriert wurde. „Wieso nicht? Dann hättest du auch die Chance, ihn besser kennenzulernen." Sie blickte mir nun tief in die Augen. „Ich schätze du weißt, dass er mir immer noch wichtig ist. Und dass ich ihn als besten Freund vermisse."

Durfte ich Ally verbieten, sich wieder mit Mason anzufreunden, nur weil ich eifersüchtig darauf war, dass er die Ally von früher so gut kannte? Von der Ally der Gegenwart, von meiner Ally, konnte er ja nicht allzu viel wissen, wenn er fast drei Jahre in Paris gelebt hatte.

So schwer es mir auch fiel, musste ich gestehen, dass es unfair wäre. Ich konnte ihr nicht vorschreiben, mit wem sie befreundet sein sollte und mit wem nicht.

„Na dann", sagte ich und lächelte. Ein Teil von mir sträubte sich immer noch dagegen, doch diesen musste ich nun wohl ausblenden. „Zieh dir mal lieber was Schönes an. Oder willst du im Pyjama in irgendeine Bar gehen?", neckte ich sie.

„Jaja, Mister Perfect." Artig sprang sie aus dem Bett und brachte die Eispackung in die Küche, bevor sie im Badezimmer verschwand. „Gib mir ein paar Minuten."
Als ihr Handy erneut vibrierte und dabei dumpf summte, war ich allein in ihrem Zimmer. Wie aus Versehen landete mein Blick auf dem Bildschirm und erfasste Masons neueste Nachricht.

Trés bien. Ich freu mich ;)

Auf einmal machte es Klick und mein Verstand war nur noch auf Standby-Modus eingestellt. Was war bloß in mich gefahren? Ich hatte nicht die geringste Ahnung. Fest stand, dass ich neugierig war. Und eifersüchtig. Also griff ich mit laut trommelndem Herzen nach dem kleinen Gerät, tippte den PIN-Code ein, den ich bei Ally schon ein paarmal gesehen hatte und klickte auf die Konversation mit Mason Farroway.

Heilige Scheiße.

Um all das lesen zu können, hätte ich definitiv mehrere Stunden gebraucht. Allein in der letzten Woche hatten sie jeden Tag miteinander geschrieben. Meine Augen wanderten gierig über die Zeilen, wie ein abgemagerter Streuner, dem ein Steak vor die Nase gehalten wurde. Zur selben Zeit drehte sich mein Magen um und ich hatte Angst. So sehr gefürchtet hatte ich mich nicht mehr, seit ich mit Mike verbotenerweise A Nightmare on Elmstreet gesehen hatte, als wir beide zwölf Jahre alt waren. Mein Blick huschte zur Badezimmertür, um sicher zu gehen, dass das umwerfende Mädchen, in dessen Privatsphäre ich gerade eindrang, noch beschäftigt war.

Manchmal wünsche ich mir, ich könnte die Zeit zurückdrehen. – Am vierundzwanzigsten August hatte Mason ihr diese Nachrichten geschickt.

Ich hab so viel verpasst. Und egal, wie schön es in Frankreich ist. Oft denke ich, dass ich hierbleiben hätte müssen. Bei dir.

Am neunundzwanzigsten August schrieb er kurz nach Mitternacht: Ich glaube an Neuanfänge, Ally. An Neuanfänge und zweite Chancen. Und wenn es eines gibt, was ich mir wünsche, wenn ich heute Nacht eine Sternschnuppe sehe, dann ist es, dass du mir verzeihst.

Und sie antwortete: Hör auf. Ich kann bald nicht mehr klar denken.

Von ihrer Seite war sonst eigentlich keine Art von Romantik zu erkennen, aber, halleluja, ich brauchte nicht viel Fantasie um mir die schrecklichsten Szenarien auszumalen, was Mason in Wirklichkeit für sie empfand. Ich konnte es ihm ja nicht mal verübeln. Das Schlimmste war vielleicht sogar, dass ich ihn viel zu gut verstand.

Aber ich bin nicht nach Frankreich verschwunden und hab das Mädchen, in das ich verliebt bin, zurückgelassen. 

----------------------------------

Uff. Das war schwer und das Ergebnis ist nicht ganz so, wie ich es gern hätte, aber ich schlafe am besten nochmal drüber, bevor ich den gesamten Text lösche. EGAL. Hier. Amen. Bis bald!

~KnownAsTheUnknown

Pistazieneis zum FrühstückTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon