All diese Gedanken wurden wieder in eine Ecke gejagt, als Ally mich direkt ansah und hinzufügte: „Mein Freund."

„Freut mich, euch kennenzulernen." Sein Blick wanderte wieder zum Geburtstagskind. „Ich... Ich hab das Gefühl, viel zu viel verpasst zu haben."

Sie schenkte ihm ein Lächeln, das ich nicht wirklich deuten konnte. Aber es war mir nicht weiter wichtig, als wir uns alle an den Tisch setzten und sie wie selbstverständlich ihre Finger mit meinen verschränkte.

„Woher kennt ihr euch?", sprach Liz nun endlich ungeniert das aus, was mir die ganze Zeit schon im Kopf herumgeisterte.

Mason rückte seine Brille zurecht. Ally nahm das wohl als Zeichen, dass sie die Antwort geben sollte. „Wir waren so was wie Leidensgenossen unter der Schreckensherrschaft unserer Eltern."

„Autsch. So wie du das ausdrückst, klingt es viel schlimmer, als es war", widersprach ihr Mason sofort. „Aber ja... unsere Eltern sind schon seit Ewigkeiten befreundet und ich kenne Ally von diversen Festen, exquisit arrangierten Abendessen oder Ausflügen."

Exquisit? Mason war die erste Person, die ich kannte, die dieses Wort verwendete als wäre es normal. Hatte so Allys Kindheit ausgesehen? Exquisit arrangiert?

„Anders gesagt: Wir sind beste Freunde." Ally war nun ungewöhnlich leise geworden und ihr Blick ruhte auf unseren immer noch verbundenen Händen.

Auch Mason verstummte.

Nicht carinisieren. Nicht carinisieren. Nicht carinisieren...

Ich musste mir wieder selbst gut zureden, um nicht anzufangen, irgendwelche Dinge in ihre Worte zu interpretieren, die vollkommen unbegründet waren. Okay, der Begriff „carinisieren" war wohl doch nicht so passend, wie ich gedacht hatte – und man konnte ihn gemeiner auffassen, als er gemeint war. Ich sollte versuchen, ihn mir nicht anzugewöhnen. Am Ende würde ich ihn noch verwenden, wenn Mike dabei war – oder im Gespräch mit Carina selbst.

„So... Jedenfalls bin ich nicht mit leeren Händen hier...", riss Mason mich aus meinen Gedanken. Er holte eine rechteckige Schatulle aus seiner Jackentasche hervor. „Alles Gute."

Er reichte Ally die Box, die für mich sehr nach Schmuck aussah, und skeptisch nahm sie sie entgegen. Unser Handkontakt brach ab. Erst jetzt kam mir, dass mein Geschenk immer noch eingepackt auf ihrem Bett lag. Aber ich hielt inne. Die paar Sekunden Aufmerksamkeit konnte ich ihrem besten Freund noch gönnen. Bester Freund... Trotz meines Plans, nicht eifersüchtig zu werden, versetzte mir das einen Stich. Die beiden waren Teil eines Clubs, zu dem ich nicht gehörte, hatten wahrscheinlich hundert Insider-Witze miteinander, von denen ich keine Ahnung hatte, und hatten so einiges miteinander durchgemacht.

„Wow... Die ist wunderschön." Vor Unglauben riss sie die Augen auf. In der kleinen Box befand sich eine altmodische, goldfarbene Taschenuhr. „Danke."

„Frisch aus Paris eingeflogen."

Ally hatte wohl noch etwas sagen wollen, klappte jetzt aber wortlos den Mund zu.

„Paris?", fragte ich nach, um mich auch endlich irgendwie zu beteiligen und nicht nur stumm dazusitzen, wie der ärgste Angsthase – und um Allys Reaktion zu überdecken.

„Ja, ich lebe in Paris", gab Mason zu. Er wirkte sogar, als wäre ihm das peinlich. „Ich habe vor fast drei Jahren ein Stipendium bekommen und letztes Jahr den Hauptteil meines Studiums in Rechtswissenschaften abgeschlossen." Verlegen räusperte er sich und wieder schob er seine Brille das Stückchen hoch, das sie runter gerutscht war.

„Wow... das ist echt... beeindruckend." Ich staunte nicht schlecht. Er sah nicht viel älter als ich aus, hatte aber im Gegensatz zu mir seinen Platz in der Welt gefunden, eine vielversprechende Karriere vor sich und er sprach offensichtlich fließend Französisch. Immerhin musste er ja sein gesamtes Studium in dieser Sprache gemeistert haben...

„Und ihr habt einander seitdem nicht mehr gesehen?", bohrte Liz nun mit ihrer kühlen Art nach. „Ich hab mich schon gefragt, wieso sie dich nie erwähnt hat."

Ihre Direktheit ließ Mason kurz stutzen, aber er fand die Antwort wenig später. „Ich war ein paarmal wieder zuhause... zu besonderen Anlässen. Aber dabei hat es sich maximal um die Aufenthaltsdauer von einer Woche gehandelt."

Liz nickte nicht einmal. Eigentlich ignorierte sie seine Worte völlig, als hätte sie ihn nicht gehört.

Allys Hand krabbelte unter dem Tisch wieder zu meiner. Die Taschenuhr, die sie bekommen hatte, lag in der Box eingeschlossen neben ihrem Wasserglas. „Und wie lange bleibst du diesmal?", wollte sie schließlich wissen.

Ich strich mit meinem Daumen über ihren Handrücken und hätte am liebsten gesagt, dass ich nie ohne sie nach Paris gehen würde.

„Ich hab ein Jobangebot bekommen. Und die Universität hat mir Bescheid gegeben, dass ich mich hier problemlos für einige Kurse anmelden könnte, die mir noch fehlen."

Die Stimmung hatte eine eigenartige Wendung gemacht, von der ich nicht wusste, wie ich sie deuten sollte.

Nicht carinisieren...

„Also... also bleibst du?" Ally starrte ihn an, als hätte er gerade gesagt, dass er ein Alien wäre.

„Sehr wahrscheinlich, ja." Da war es wieder. Das schüchterne, kleine Lächeln, das ihn irgendwie un-hassbar machte. Darauf folgte die Brillen-Geste.

„Wenn du auch zu meiner Hochzeit eingeladen werden willst, musst du mir rechtzeitig Bescheid sagen." Ich war Liz noch nie so dankbar wie in diesem Moment. Sie durchbrach die Spannung, die sich aufgestaut hatte und wie eine riesige Flutwelle über uns hereinzubrechen drohte. „Achter Januar. Nimm dir einfach an diesem Tag nichts vor."

Insgeheim vermutete ich sogar, dass sie es absichtlich tat.

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Herzlichen Dank für 3,5k reads und für die unglaubliche Motivation, die ich dank euch momentan habe! <3

Ally-Mason-Ben-Liz - Theorien sind sehr willkommen - dann weiß ich wenigstens, ob meine geplante Handlung wirklich so vorhersehbar ist, wie sie mir selbst vorkommt xD allgemein würde mich eure Meinung zu Mason interessieren... falls es irgendwie möglich war, sich schon so eine zu bilden. 

Habt ein schönes Wochenende! ^^ 

~KnownAsTheUnknown

Pistazieneis zum FrühstückWhere stories live. Discover now