„Ja hat er", sagte Fiona für mich. „Scheint ganz nett zu sein, aber ich kenne sie nur aus seiner Erzählung." Meine Schwester... das war so typisch für sie. Sie schenkte mir nur ein durchtriebenes Grinsen und sah mich abwartend an. „Zeigst du mir jetzt ein Foto oder muss ich deine Sachen durchwühlen, wenn du schläfst?"

„Wieso kannst du nicht einfach deine Ruhe geben?", murmelte ich so leise wie möglich. Am liebsten wäre ich in meinem Sessel versunken.

Eigentlich war es keine so große Sache. Wieso war es mir dennoch so unangenehm mit ihnen über Ally zu reden? Lag es daran, dass ich nicht sagen konnte, was wir waren? Wir waren doch Freunde. Oder? Sie wusste allerdings, dass ich mehr in ihr sah als das. Hatten wir Dates miteinander? Zählten solche Dinge wie ein Kaffee mit Freunden, ein Tee bei mir Zuhause und ein Bibliotheks-Schrägstrich-Bar-Schrägstrich-Hochhausdach-Besuch als Date?

Ich hatte keine Ahnung. Wusste absolut nicht, wo ich uns momentan einordnen sollte. Das war das Problem. Ich hatte das Gefühl auf der Stelle zu laufen - ohne Start oder Ziel. Meine Füße trommelten ohne Pause auf den harten Boden, aber trotzdem kam ich keinen Zentimeter voran.

Abwartend starrten mich die drei Menschen an, die mit mir am Tisch standen. Was soll's.

Ich zückte mein Handy und tippte darauf herum, bis das Bild vom Hochhaus angezeigt wurde, das ich von Ally geschossen hatte. Man erkannte nur ihre dunkelblonden, leicht gewellten Haare - und nicht mal die waren wirklich gut zu sehen, da es ziemlich finster war. Aber Fiona hatte gefragt. „Das ist das einzige, das ich von ihr gemacht habe."

„Ohhhh, mein kleiner Fotograf", flötete Mum begeistert. „Das Bild ist toll. Mag sie Kunst? Gefallen ihr deine Bilder?"

„Ich... sie-naja. Sie kennt nur ein paar, aber ich glaube, sie mag sie."

„Bring sie doch mal mit, wenn sie Zeit hat", schaltete sich nun auch Dad ein. „Dann mach ich meine berühmten Waffeln."

„Ja, bring sie her." Fiona grinste. „Ihr sollte im Vorhinein klar sein, auf welche Familie sie sich einlässt, wenn das mit euch beiden was wird."

„Ich kann ihr mein Atelier zeigen."

„Du könntest mit ihr zum See fahren."

„Ja, jetzt, wenn es so warm ist, ist das bestimmt schön."

„Romantisch."

„Sie ist doch nicht Vegetarierin oder Veganerin oder so?"

„Ach, Thomas."

„Was? Wenn ich für sie kochen soll, muss ich das wissen."

Sie redeten ohne Luft zu holen auf mich ein und gaben mir nicht einmal die Gelegenheit, selbst irgendwas zu sagen. Irgendwann rauchte mein Kopf und ich war unglaublich genervt von ihnen. Wäre ich eine Comicfigur, wäre längst mit einem pfeifenden Geräusch Dampf aus meinen Ohren gedrungen.

„Warst du da mit ihr auf Inas Dach? Dann musst du sie Ina unbedingt auch vorstellen!"

„Bitte sag nicht, dass du Ina zu uns einladen willst..."

„Aber sie sollte Ally auch kennenlernen."

„OH GOTT! JETZT SEID DOCH VERDAMMT NOCH MAL LEISE!", schrie ich, als mir der Kragen endgültig platzte. „Wir sind nur Freunde, aber ihr verhaltet euch, als würden wir morgen heiraten und bestimmt Dinge, die euch eigentlich nichts angehen, und genau das ist der Grund, wieso ich euch sonst nichts erzähle. Und, Fiona, grins nicht so bescheuert!" Ich verließ die Küche zielstrebig und nahm den Rest meiner Lasagne mit auf mein Zimmer. Auch wenn es wohl ziemlich kindisch war, sich wie ein beleidigter Köter zu verkriechen, brauchte ich einfach Abstand. Meine Familie war unmöglich. Wie sehr sich meine Stimmung dank ihnen innerhalb dieses einen Tages schon verändert hatte, war erstaunlich.

Aber vielleicht muss Familie so sein. Man liebt sie, obwohl man sie hasst.

Am nächsten Montag war klar, dass ich Montage mochte. Vor zwei Wochen hatte ich Ally an einem Montag angesprochen und heute sah ich sie wieder, obwohl ich nicht arbeiten musste. Wir verabredeten uns am Abend, gleich nach meiner Vorlesung in Objektstudium und wollten ins Kino gehen. Als ich die anderthalb Stunden in dem Saal abgesessen hatte, trottete ich erleichtert hinaus und hatte Probleme damit, das Grinsen in meinem Gesicht zu unterdrücken.

Die kleine Auseinandersetzung, die ich am Wochenende mit meiner Familie gehabt hatte, schwebte mir im Kopf herum, doch ich verdrängte sie gekonnt. Kurz nachdem ich in mein Zimmer geflohen war, hatte sich Fiona bei mir entschuldigt. Angeblich sah sie ein, dass es meine Entscheidung war, von solchen Dingen zu erzählen - und nicht ihre. Wie ernst ich das nehmen konnte, war eine andere Sache. Mum und Dad hatten den Rest des Wochenendes kein Wort mehr darüber verloren und sich so verhalten, als wäre nie was passiert.

Aber jetzt war es egal. Jetzt zählte nichts mehr davon.

Als Ally mir die Tür zu ihrem Zimmer im Studentenwohnheim öffnete, vernebelten ihre Augen meine Gedanken. Ich versank in dem tiefen blau. „Hey."

„Hey", sagte auch sie lächelnd.

„Ge-gehen wir los?", stotterte ich ein wenig dämlich, während ich meinen Blick immer noch mit ihrem verhakt hatte. Sie war der Minus- zu meinem Pluspol.

„Moment." Sie hob demonstrativ den Zeigefinger und hielt mit der anderen Hand ihr Handy an ihr Ohr. „Hallo, Liz. Ja. Ja, ich wollte nur sagen, dass ich jetzt ins Kino gehe." Eine kurze Pause erfolgte und ich hörte nur dumpf das Gemurmel am anderen Ende der Leitung. „Ja, mit Ben. Nein, ich... Oh Gott, Liz! Ernsthaft? Nein. Keine Sorge." Ich betrachtete inzwischen das Zimmer, das sich zum Teil hinter Ally enthüllte. Zwei schlichte Einzelbetten, zwei Schreibtische, zwei Schränke. Es war verdammt ordentlich. Bis aufs letzte Staubkorn genauestens poliert. „Ja, mach's gut, Liz." Sie seufzte und verdrehte die Augen.

„Was ist denn?", fragte ich amüsiert.

„Ach... Ich glaub, du hast schon ein recht gutes Bild von Liz. Das war wieder eine ihrer Spinnereien." Ally drehte sich um und schloss die Tür ab. Während sie mich nicht ansehen musste, murmelte sie: „Sie labert irgendwelchen Blödsinn von wegen, dass ich ja nicht schwanger werden soll. Wir gehen doch nur ins Kino, verdammt." Jetzt lachte sie kurz auf, um den peinlichen Moment zu überdecken und wandte sich wieder mir zu. „Das ist so typisch Liz... Aber von einem einfach Kinofilm wird niemand schwanger."

„Sag niemals nie." Ich konnte es mir einfach nicht verkneifen, zu antworten.

Dafür erntete ich einen finsteren Blick, kombiniert mit hochgezogener Augenbraue. Dann kam ein Lachen und ihr typisches „Du bist so ein Idiot, Hunter."

-

Ach... Liz und ihre Spinnereien xD Wie Ally sie als Mitbewohnerin aushält, ist mir ein Rätsel... Aber sie schlägt sich ja auch mit Ben herum, da muss man gewisse Nerven haben xD

Sind eure Familien beim Thema "Beziehungen" auch so nervig oder trifft das nur auf meine - und auf Bens - zu? :')

Und ja, meine Charaktere führen mittlerweile ein Eigenleben. Danke für die Nachfrage. Nein, ich muss nicht zum Psychiater gebracht werden - da finde ich schon allein hin ^^

~KnownAsTheUnknown

Pistazieneis zum FrühstückWhere stories live. Discover now