‚Komm nicht auf dumme Gedanken.'

‚Und was wenn doch?' - okay, gut durchdacht war etwas anderes, aber ich konnte mich nicht beherrschen.

‚Lass dich überraschen.' Flirtete sie etwa mit mir? Zählte so was als flirten? Ich war mir nicht sicher, aber allein durch diese Worte brachte sie meine Gedanken durcheinander.

‚Okay, bin schon gespannt.' - tippte ich.

Auch wenn ich gerne noch länger mit Ally geschrieben hätte, zwang ich mich, ihr keine weitere Nachricht zu senden, solange sie nicht auf meine letzte antworten würde. Was sie allerdings nicht tat.

„Ach ja... bevor ich's vergesse: Du musst morgen mitkommen, wenn ich Ally treffe. Siebzehn Uhr." Eigentlich wollte ich so beiläufig wie nur möglich klingen, um aus dem Ding keine große Sache zu machen, doch ich merkte bereits an Mikes Gesichtsausdruck, dass das nicht klappte.

„Ich helfe dir zwar gerne... Aber du musst schon selbst mit ihr auf das Date gehen - das kann ich nicht für dich übernehmen. Statt dir eventuell. Aber nicht für dich." Es war klar, dass er mich damit aufziehen würde. „So ein kleines Baby bist du auch wieder nicht, Mann."

„Sie hat vor, irgendeine Freundin mitzubringen und das Ganze erst mal langsam anzugehen. Also im Grunde genommen, will sie sich morgen vergewissern, dass ich kein kranker Stalker bin", erklärte ich ungerührt.

Mike lachte nur. „Naja, ich kann ihr nicht verübeln, dass sie das in Erwägung zieht."

Ich hatte immer noch keine Lust, auf seine Albernheiten einzugehen. „Würdest du also mitkommen? Bitte? Wahrscheinlich stehe ich noch bekloppter da, wenn ich keinen Kumpel dazu bringen kann, mitzukommen."

„Da dürfte was dran sein." Er fuhr sich nachdenklich durch die blonden, gestylten Haare. „Also schön. Siebzehn Uhr. Aber ich hab was gut bei dir!"

„Danke!" Seine Antwort stimmte mich gleich ein wenig zuversichtlicher. „Wie läuft's eigentlich mit dem Artikel über den Schwimmwettkampf?", fragte ich, um das Thema zu wechseln und auch mich selbst abzulenken - insoweit das möglich war. Mike studierte Journalismus und schrieb bereits ab und zu kleinere Berichte für ein Magazin, dessen Chefredakteur praktischerweise sein Onkel war. Außerdem war Mike selbst seit er 15 Jahre alt war in einem Schwimmteam, sodass dieser Auftrag mehr oder weniger maßgeschneidert für ihn war.

„Ganz gut, Mann. Ich will ihn noch mal überarbeiten und vielleicht Kleinigkeiten ändern, aber theoretisch gesehen, ist er fertig. Fehlt nur noch dein Foto." Ja, auch ich zog einen großen Vorteil aus seiner Verwandtschaft und durfte mir hin und wieder etwas dazuverdienen, indem ich passende Schnappschüsse beisteuerte. „Was hast du heute noch vor? Du könntest zum Training mitkommen und ein paar nette Bildchen knipsen. Du weißt schon, ein bisschen mit deiner Kamera herumspielen und so."

Ich wusste, dass Mike mich gerne damit verarschte, dass er Fotografie nicht ernst nahm, aber er tat eben nur so. Ich konnte es ihm einfach nicht übel nehmen.

Deshalb verbrachte ich den Rest des Tages damit, durchtrainierten Kerlen beim Schwimmen zuzusehen, ein paar neue Minderwertigkeitskomplexe wegen meines schlaksigen Körpers zu bekommen und daran zu denken, wie das Treffen mit Ally wohl sein würde. Weil mein Kopf ganz wo anders war, entstanden an diesem Abend keine allzu berauschenden Bilder, aber ich schaffte es dennoch, ein einigermaßen passables Foto zu schießen. Darauf waren alle Schwimmer in Startposition zu sehen - also wie sie auf den kleinen Podesten kauerten und auf das Startkommando warteten. Dank der gewaltigen Glaswand auf der einen Seite der Halle konnte man auf dem Foto nur ihre Silhouetten erkennen und das Chlorwasser glitzerte, als es die Sonnenstrahlen widerspiegelte.

Als Mike und ich nach ein paar Stunden wieder zuhause ankamen, fühlte ich mich so ausgelaugt als wäre ich selbst unzählige Bahnen auf- und abgeschwommen. Ich schmiss mich kurzerhand auf mein Bett und starrte an die Zimmerdecke.

Was wenn ich zu viel von Ally erwartete? Die Wahrscheinlichkeit, dass sie in meinen Gedanken zu einem Mythos herangewachsen war, der all seinen Glanz verlieren würde, sobald ich ihn kannte, war hoch. Für eine Enttäuschung musste ich also gewappnet sein. Auch wenn ich selbst insgeheim einfach nicht daran glauben wollte, dass sie mich enttäuschen könnte. Was war es bloß, dass sie so besonders machte? Ich kannte sie doch gar nicht.

Vielleicht war genau das der Punkt.

Vielleicht würde das Pistazienmädchen all seinen Zauber verlieren, wenn es zu Ally wurde.

Vielleicht war ich in die Fremde verliebt, aber nicht in Ally.

Vielleicht war es besser, wenn ich sie nie kennenlernen würde.

Vielleicht sollte ich endlich einmal diese verdammten Gedanken verwerfen und ein Mann sein! Ich würde schon sehen, was passierte, aber es gar nicht zu versuchen, wäre einfach nur feige.

Am nächsten Tag hatte ich die Vormittagsschicht bei Nice Ice, doch von Ally war keine Spur zu sehen, was mich nur noch verrückter machte. Die Stunden zogen in Zeitlupentempo an mir vorbei und auch die Vorlesung in Darstellungsmethodik, die ich kurz nach Mittag hatte, kam mir noch nie so endlos lang vor wie jetzt. Erleichtert kam ich wenige Stunden später in der Wohnung an und versuchte meine Gedanken zu ordnen.

„Mann, was ist bloß los mit dir? Wisch dieses dämliche Grinsen aus deinem Gesicht und hilf mir." Mike stand gerade in der Tür, die zu seinem Zimmer führte, und hielt mir zwei T-Shirts entgegen. „Das Kack-braune oder das knallviolette Teil mit der Pyramide darauf, das mir meine Oma aus Ägypten mitgebracht hat?"

„Ähhhh..." Völlig perplex starrte ich ihn an.

„Wenn ich mit diesem Gesicht, diesem Körper UND einem guten Kleidungsstil mit zu eurem Treffen komme, hast du gar keine Chance bei Ally. Als dein bester Freund muss ich da doch irgendwas unternehmen."

Ich lachte und fühlte mich gleich ein Stückchen weniger nervös. Wegen solchen Aktionen mochte ich Mike einfach - er wusste, wie er mich mit seinem Blödsinn ablenken konnte.

„Das Pyramiden-Teil", antwortete ich also.

„Eine ausgezeichnete Wahl, Mann. Ausgezeichnet."

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Und was meint ihr? Wie wird sich Ben bei dem Treffen mit Ally anstellen? ;)

~KnownAsTheUnknown

Pistazieneis zum FrühstückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt