Und obwohl ich es bereits geahnt hatte -denn ich hatte ja das Gespräch meiner Eltern gestern Nacht belauscht- konnte und wollte ich es nicht glauben. Mir wurde schwarz vor Augen und alles begann sich zu drehen. Meine Finger krallten sich in das teure Leder des Sessels unter mir und ich atmete sehr flach. Ich zwang mich still im Kopf bis fünfzig zu zählen und meine Atmung zu beruhigen. Mein Vater nahm einen Schluck der bernsteinfarbenen Flüssigkeit aus dem Glas vor sich.

Langsam wandte ich meinem Vater mein bleiches Gesicht zu. „Ich kann doch nicht einfach so irgendjemanden heiraten... Von heute auf morgen... Ich bin nicht einmal siebzehn."

„Warum nicht? Willst du denn nicht heiraten?", erkundigte er sich irritiert.

„Doch, Sir, aber ...", ich zögerte verlegen.

„Dann, gibt es jemanden?", forschte mein Vater argwöhnisch nach und seine Augen verengten sich zu Schlitzen.

„Nein, natürlich nicht." Energisch schüttelte ich den Kopf.

„Na, dann ist ja gut", sagte mein Vater und wirkte auf einmal sehr erleichtert, wenngleich sein Blick einen Funken Misstrauen in sich trug.

„Ich dachte nur", sagte ich nach einer kurzen Weile, „dass ich mir meinen Ehemann selbst aussuchen darf."

„Nun, die Umstände sind wohl weit ernster, als zu diesem früheren Zeitpunkt..." Er machte eine Pause. „Und jetzt führ dich nicht auf wie ein Kind, sondern handle endlich mal wie es sich für eine Dame gehört."

„Du selbst behandelst mich wie ein Kind, aber erwartest von mir, dass ich mich wie eine Erwachsene verhalte", rief ich aus.

Doch mein Vater wandte sich ab. „Das wäre alles... Du kannst gehen", sagte er forsch und richtete seinen Blick auf seine Unterlagen.

Ich rührte mich nicht. „Was ist denn noch?", fragte er ungehalten.

Ich schluckte. „Wieso er? Wieso Yaxley?"

Lucius Malfoy ruckte unwirsch mit dem Kopf. „Ich habe dir die Gründe bereits erläutert."

„Aber ich will ihn nicht heiraten", stieß ich bevor. „Er ist selbstsüchtig und besitzergreifend..."

Mein Vater sprang auf, mit einem kratzenden Geräusch schabte der edle Holzstuhl über den Boden, als er sich hinter dem Schreibtisch hervorzwängte. Seine große Hand schloss sich grob um mein Kinn und quetschte meinen Kiefer schmerzhaft zusammen. „Jetzt hör mir mal zu", zischte er. „Es spielt keine Rolle, ob du willst oder nicht. Du wirst meine Autorität nicht ein weiteres Mal untergraben. Ich habe eingesehen, dass es ein Fehler war, dich zur Todesserin machen zu wollen, habe deinen Wunsch berücksichtigt... Du gehst weiterhin zur Schule und besitzt eine Menge Privilegien, von denen andere nur träumen können... Und wie dankst du es mir? Indem du dich mir in einem fort widersetzt?! ... Ich verlange von dir, dass du endlich deine Pflicht erfüllst, Isabella." Sein Blick ließ keine Widerworte zu. „Es ist bereits beschlossen und solltest du auch nur den leisesten Hauch von Widerstand leisten, werde ich dafür sorgen, dass du deines Lebens nicht mehr froh wirst."

Geschockt starrte ich meinen Vater an. Eisern gruben sich seine hellgrauen Augen in die meinen, dann ließ er mich los. „Zieh dich um, deine Mutter wartet bereits auf dich", blaffte er. „Die Yaxleys kommen in zwei Stunden zur Brautschau."

Mir war speiübel. „Zur was?", stieß ich hervor.

„Du hast mich schon verstanden...Geh jetzt", befahl er schneidend. „Und wage es ja nicht, dir in ihrer Anwesenheit einen Fehltritt zu erlauben. Du weißt, wie ich mit dir andernfalls verfahre." Sein Augenmerk flackerte kurz aber unmissverständlich zu seinem Zauberstab auf der Schreibtischkante herüber.

Meinem Gesicht entwich jede Farbe. Ohne ein weiteres Wort stolperte ich benommen auf den Flur hinaus. Mit einem scheußlichen Knall flog die Tür hinter mir ins Schloss, so heftig, dass ich schreckhaft zusammenzuckte.

Wie betäubt wandelte ich durch die Korridore von Malfoy Manor und hielt erst vor meiner Zimmertür inne. Ich kam mir vor wie in einem schrecklichen Albtraum, nur dass das hier die Realität war. Meine Mutter wartete bereits lächelnd am Türrahmen lehnend auf mich. „Na? Bereit, meine kleine Schwalbe?" Sanft drückte sie mich auf den, mit cremefarbener Seide bezogenen, Sitzhocker vor meiner Frisierkommode hinab und begann energisch und mit geübten Fingern mein Haar zu bürsten. Ausdruckslos starrte ich in den ovalen Spiegel über der Kommode und langsam sickerte die Wahrheit durch mein Wattehirn zu mir hindurch. In was für einer Hölle war ich nur gelandet? In meiner eigenen, ganz persönlichen Hölle vermutlich...

Ich ertappte ich mich dabei, wie ich mich fragte, welche schwere Sünde ich wohl begangen hatte, dass ich solch ein Schicksal ertragen musste und dann fiel mir auf, dass ich nie vor Gott gesündigt hatte, denn es gab überhaupt keinen Gott auf dieser von Merlin verfluchten Welt. Wie töricht die Muggel doch waren, mit ihrem Glauben an die Kirche und ihrer erfundenen Bibel. Ich starrte weiterhin verbissen mein Spiegelbild an und mit einem Mal fühlte ich keine Trauer mehr, keine Angst, sondern nur noch Verbitterung und Schmerz. Und der Schmerz zerfraß mein Herz wie ein Krebsgeschwür, doch auf meinen Gesichtszügen konnte man nicht den Hauch einer Gefühlregung erkennen. Mein Herz war zerfleischt. Ich wollte mir am liebsten ein Messer in den Arm rammen, nur um eine andere Art von Schmerz zu fühlen. Hier. Jetzt gleich. Wenigstens für einen Augenblick.

Die Haarnadeln kratzen schmerzhaft über meine Kopfhaut, als meine Mutter den Dutt feststeckte. Dann ließ sie endlich von mir ab. Ich erhob mich von dem Hocker, lockerte einige Strähnen aus dem streng anliegenden Knoten und zupfte hier und da ein paar Haare zurecht, was meine Mutter missbilligend zur Kenntnis nahm. Dann seufzte sie. „Du siehst bezaubernd aus, mein Liebling", sagte sie verzückt und strich den edlen Stoff meines Kleides glatt, in das ich mich noch vor wenigen Minuten gezwängt hatte. Ein Traum aus mitternachtsblauem Seidenchiffon mit meisterhaft verarbeiteter Spitze an den Armen und im Dekolleté-Bereich. Das erste Kleid seit Jahren, das meine Mutter ausgesucht hatte, das mir gefiel.

Das Läuten der Klingel war bis hinauf in den ersten Stock zu hören. In mir versteinerte sich alles. Meine Mutter klatschte aufgeregt in die Hände. „Das sind sie", sagte sie und ihre Wangen röteten sich ein wenig. Sie atmete rasch und ihre himmelblauen Augen waren sehr hell. „Komm, Isabella, nehmen wir deinen zukünftigen Verlobten in Empfang."

Isabella Malfoy Where stories live. Discover now