Im Traum verfolgt

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Am Morgen des ersten September erwachte ich früh, noch bevor die ersten Sonnenstrahlen durch die Vorhänge meines Himmelbettes schienen und die Sonne nur ein halbförmiger Kreis am Horizont war.

Trügerische Stille lag über dem, in der Morgendämmerung liegenden, imposanten Anwesen der Malfoys und am Himmel zeichneten sich nur einige erste blassrosafarbende hauchzarte Wölkchen ab und es schien erstaunlich mild draußen zu sein, trotz der Tatsache, dass der Herbst bald Einzug ins Land finden würde.

Es war halb sechs in der Früh, doch mein Kopf vermochte keine Ruhe zu finden und es schien schier unmöglich jetzt noch einmal in den Schlaf hinübergleiten zu können.

Mein Schädel brummte und mir war ganz flau in der Magengegend, als ich mich aufrichtete und die Beine über die Bettkante schwang. In dieser steifen Position verweilte ich einige Minuten am Bettrand, damit sich mein Gemüt beruhigen konnte, ehe ich meine Morgentoilette verrichtete.

Seltsame Albträume hatten mich diese Nacht geplagt und ich war erst in den frühen Morgenstunden in einen unruhigen Schlaf hinübergeglitten, welcher durch mein stets Aufschrecken aus den verwirrenden Traumfetzen noch verschlimmert wurde. Ich hatte die gesamte Nacht mehr wachgelegen, als dass ich geschlafen hatte.

Mit schummrigem Gefühl im Magen dachte ich an die einzelnen Traumfetzen zurück und plötzlich schienen sie klar wie einer dieser Muggelfilme, von dem mir meine Freundin in Durmstrang erzählt hatte, vor meinem inneren Auge abzulaufen.

Mir war, als wäre ich direkter Zuschauer dieses Filmes, der sich durch meine Gedanken spann, wie der Faden einer Spinne, die so lange daran webte, bis sich ein Netz bildete – Ein Netz aus Erinnerungen.

In rascher Folge tauchten die Träume der vergangenen Nacht vor meinen Augen auf und einzelne Bilder flackerten stärker als die anderen aus der Masse hervor.

Mein Vater, der mich anschrie, ich sei eine Schande für die gesamte Zaubererschaft und wie er mir drohte mich aus der Familie zu weisen, mich zu enterben und zu verstoßen.

Snape, wie er über mein Bett gebeugt stand und mich zwang einen unbekannten klaren Zaubertrank zu schlucken, gegen den ich mich partout wehrte, während er mich an den Haaren nach hinten zog und mich somit zwang den Mund zu öffnen.

Mein Vater, wie er vor dem Kamin stand und meine Mutter schluchzend vor ihm auf dem Boden saß und ihre Ohren mit den Händen bedeckte, während stumme Tränen über ihre Wangen liefen .

Draco, wie er mit dem Vertrauensschülerabzeichen vor meinem Gesicht herumfuchtelte, das er vor einer Woche mit der Post erhalten hatte, während ich schweigend danebenstand und mein Vater ihm anerkennend auf die Schulter klopfte.

Der muggelstämmige Siebtklässler aus Durmstrang, wie er mir an die Brüste fasste und meinen Kopf für einen erzwungenen Kuss in den Nacken zwang.

Der Brief mit dem Schulverweis in meinem Schoss und die Hand meines Vaters in meinem Nacken.

Schwarze Augen, kalt und dunkel wie Tunnel.

Meine Mutter, die mich in ein viel zu enges Kleid schnürte und mir beim Frisieren schmerzhaft ein Büschel Haare nach dem anderen ausriss...

Schweißgebadet war ich aus dem letzten Traum erwacht und ich meinte noch immer die Striemen zu spüren, die die Schnüre des Kleides hinterlassen hatten.

Ich betastete meine Rippen, doch weder die roten Absetzungen der Schnüre noch sonst ein Anzeichen von äußerlichen Schmerzen war zu erkennen, nur makellose zarte Haut, hell wie Elfenbein.

In den Träumen hatten sich Realität und Wahrheit mit Ängsten und Sorgen vermischt und ein trügerisches dunkles Durcheinander hinterlassen.

Ich erhob mich und lief wie betäubt auf die Tür zum angrenzenden Badezimmer meiner Räumlichkeiten hinüber, während die Sonne hinter den geschlossenen Fenstern mittlerweile schon hoch am Himmel stand. Wie lange hatte ihr denn auf der Bettkannte gesessen?

Isabella Malfoy Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt