Die Kunst, aufzubegehren

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Das Arbeits-und Studierzimmer meines Vaters hatte ich schon immer für bewundernswert gehalten. Die immensen, zahlreichen Regale voll mit verbotener Lektüre und geheimen, wertvollen Pergamentrollen hatte mich von Kindheit an fasziniert. Doch ich hatte den Raum nie ohne Aufforderung betreten dürfen. Noch immer versetzte mich dieses Zimmer in eine sonderbare Stimmung. Denn aus Melancholie wurde Bewunderung. Ich erinnerte mich, wie klein ich damals gewesen war. Und wie fasziniert.

Doch die Zeiten hatten sich geändert. Als ich nun das Zimmer betrat umhüllte mich der Duft neuer und alter Bücher, teuer und unersetzbar. Ich fuhr mit den Fingerspitzen andächtig über die Rücken einiger goldgeprägter Exemplare mit schwarzem Ledereinband in einem der Regale.

Mein Vater schloss energisch die Tür hinter sich und ich zuckte kurz zusammen. Dann drehte er sich langsam um und nahm hinter dem Schreibtisch an der Stirnseite des Raumes Platz. Abwartend sah ich meinen Vater unverwandt an und wusste doch nicht, was er jetzt von mir verlangen würde. Die Spannung war zum Greifen nahe. Stumm erwiderte er meinen Blick aus sturmgrauen Augen.

Abfällig musterte er mit strengem Blick mein Erscheinungsbild und legte die Fingerkuppen nachdenklich aneinander. Dann stand er sogleich wieder auf, umrundete den ausladenden, gewaltigen Schreibtisch aus Eichenholz und stellte sich vor mir in Position, präsent und Herr der Lage.

„Du willst doch deinem Vater keine Schande machen, nicht wahr Isabella?"

Ich sah leicht betreten zu Boden.

„Nein, natürlich nicht..."

„Etwas mehr Respekt darf ich doch wohl erwarten, nicht wahr? Du willst doch auch, dass deine Familie stolz auf dich ist."

„Ja, Sir."

„Also wirst du tun, was ich von dir verlange?"

Ich zögerte, konnte seinem Blick aus stahlgrauen Augen nicht standhalten.

„Isabella?"

Seine Stimme bekam einen ungeduldigen Unterton und er nahm einen Schluck Wein, ehe er das teure Glas zurück auf die dunkle, glattpolierte Schreibtischplatte stellte.

„Ich weiß nicht", sagte ich ausweichend.

„Wie du weißt es nicht?"

Seine Stimme wurde ungehalten.

„Ich weiß es nicht. Ich kann doch nicht von einer Minute auf die andere, eine derartige Entscheidung treffen..."

„Da gibt es nichts zu entscheiden. Es steht bereits fest. Meine Frage war rein formeller und höflicher Natur, aber du enttäuschst mich mal wieder mit deinen fadenscheinigen Antworten. Du benimmst dich wie ein einfaches Mädchen, aber nicht wie es sich für eine Malfoy gehört. "

Er hatte die Stimme erhoben und seine Haltung war herrisch, einnehmend und beinahe furchteinflößend. Zu einem früheren Zeitpunkt wäre ich vermutlich vor Angst vor ihm zergangen, doch etwas in mir veranlasste mich dazu, nicht einmal mit der Wimper zu zucken.

„Aber Vater", hauchte ich, erschrocken, ob seiner harten Worte. „Ich habe nie..."

„Du bist verkommen. Ich frage mich, wie ich so ein Mädchen in die Welt setzen konnte, das mit ihren sechzehn Jahren nicht ein bisschen Anstand und Erziehung besitzt und wissen sollte, dass man seinem Vater nicht widerspricht."

„Aber-"

„Was fällt dir ein-"

„VATER!", schrie ich jetzt, richtete mich zu meiner vollen Größe auf und bohrte meinen Blick in das verhasste Grau seiner Augen. „WENN DU MIR EIN MAL, EIN EINZIGES MAL, ZUHÖREN WÜRDEST, DANN WÜRDEST DU NICHT SOLCHEN UNSINN REDEN. DU BIST SO EIN NARR. SIEHST DU DENN NICHT, WAS DU ANGERICHTET HAST?"

Isabella Malfoy Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt