Ernüchternde Worte

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Das Festessen war brillant, doch ich konnte es kaum genießen. Ich hatte mich auf einem freien Platz am Slytherintisch zwischen Crabbe und Elizabeth Carter gezwängt und blickte unablässig zum Lehrertisch hinüber.

Es behagte mir gar nicht, dass ich nach dem Festmahl noch einmal zu einem Gespräch mit Dumbledore und Professor McGonagall musste. Ich wäre am liebsten untergetaucht und hätte mich schnellstmöglich im Bett vergraben. Mich in der Halle umschauend pustete ich mir gelangweilt eine hellblonde Haarsträhne aus dem Gesicht und blickte anschließend lustlos auf den mit Auflauf beladenen Teller vor mir.

Keinen Bissen hatte ich heruntergekriegt, obwohl sich nichts außer dem spärlichen Frühstück, das aus einer Toastscheibe und einer halben Orange bestanden hatte, in meinem Magen befand.

Mir war noch immer übel und obwohl ich die Auswahl nun endlich hinter mir hatte, hatte sich mein Gemüt weniger beruhigt, als ich mir erhofft hatte.

Die Kerzen tauchten die Große Halle in goldenes, behagliches Licht, doch mir lief ein kalter Schauer den Rücken hinab. Unentwegt spürte ich Zabinis stechenden Blick im Rücken und ich hatte zudem das Gefühl, dass mich die anderen Schüler anstarrten, auch wenn sie dachten, dass ich es nicht bemerken würde. Wann immer ich dem Blick eines anderen Schülers begegnete, sah ich schnell weg und zwang mich einen Bissen Auflauf oder Pastete herunter zu würgen. Mein Magen rebellierte.

Endlich erhob sich Dumbledore. Er richtete das Wort direkt an uns Schüler, aber ich lauschte seiner Rede nur mit halbem Ohr. Er teilte uns mit, dass es eine neue Lehrerin für das Fach Verteidigung gegen die dunklen Künste gab, deren Name Professor Umbridge war. Sie trug eine flauschige, rosa Strickjacke und hatte kurzes mausbraunes Lockenhaar.

Sie hielt eine weitausschweifende und nur mäßig interessante Rede über das Regelwerk dieser Schule und die Vorsätze des Zaubereiministeriums, wobei die meisten Schüler bereits nach den ersten Sätzen abschweiften oder nur so taten, als wenn sie zuhörten.

Zudem verkündigte Dumbledore, dass die Stellung des Lehrpostens für den Fachbereich Pflege magischer Geschöpfe, den zuvor ein Mann namens Hagrid inne gehabt hatte, von der Professorin Raue-Pritsche übernommen wurde.

Ich erinnerte mich wage, dass mein Vater diesen Hagrid als Halbblüter bezeichnet hatte und erwähnt hatte, dass er es, gelinde ausgedrückt, für unratsam hielt, dass er weiter unterrichtete. Der Wunsch meines Vaters schien sich somit erfüllt zu haben, auch wenn Dumbledore nichts über den weiteren Aufenthalt von Hagrid preisgab.

Nach der Rede der neuen Lehrerin für Verteidigung gegen die dunklen Künste verabschiedete ich mich schweigend von meinem Bruder und nickte den anderen kurz zu, ehe ich mich auf den Weg nach vorne zum Lehrertisch machte.

Ganze Schülermassen wallten mir entgegen, als ich mir einen Weg nach vorne bahnte und ich musste mich teilweise gegen sie drücken musste, um überhaupt eine Lücke zu finden, durch die ich mich zwängen konnte, denn alle drängten zum Ausgang der Großen Halle.

Als sich die Große Halle endlich geleert hatte waren nur noch wenige Lehrer übrig geblieben. Die neue Lehrerin mit der rosa Strickjacke, Professor Snape, Professor McGonagall und Professor Dumbledore wandten sich nun mir zu und ich wich automatisch einen Schritt zurück, bereute es jedoch sogleich, denn Snape Mundwinkel kräuselten sich spöttisch.

„Was hat das zu bedeuten, Dumbledore?", quakte Umbridge und ihre Glubschaugen traten hervor.

Sie hatte eine hauchzarte Kleinmädchen-Stimme und ich konnte sie von Sekunde zu Sekunde weniger ausstehen. Besagte flauschige rosa Strickjacke trug nicht wenig zu meiner Sympathie der Frau gegenüber bei –im Gegenteil.

Dumbledore ignorierte ihre Worte jedoch mehr oder weniger, sondern fasste mich scharf ins Auge und das hellblau seiner Iris schien mich aufs Neue zu durchbohren.

„Nun, herzlich Willkommen in Hogwarts, Miss Malfoy", sagte er lächelnd und das erste Mal an diesem Abend schien sich die Anspannung etwas von mir zu lösen und ich lächelte zaghaft zurück.

„Danke, Professor", sagte ich.

„Würden Sie mir bitte in mein Büro folgen? Wir haben noch einige wichtige Dinge zu erledigen, wie Sie sicherlich wissen", sagte er gutgelaunt und bedeutete mir, ihm zu folgen.


Dumbledores Büro war kreisrund, an den Wänden hingen allerlei Bilder schlafender Hexen und Zauberer und es war mit vielen silbernen Gerätschaften ausstaffiert. Fasziniert sah ich mich um.

Dumbledore schloss nach Professor McGonagall und Professor Snape die Tür und nahm hinter seinem Schreibtisch aus Eichenholz Platz. Wir waren die Einzigen in seinem Büro, denn die Frau mit der rosa Strickjacke hatten wir auf dem Weg hierher in einem der zahlreichen Korridore zurückgelassen, weil sie sich in ihr Büro hatte zurückziehen
wollen.

Dumbledore drehte Däumchen und sah mich über seine halbmondförmigen Grillengläser hinweg eine Zeit lang schweigend an, ehe er eine Akte aus der Schublade seines Schreibtisches zog.

„Wie Sie sicherlich wissen, Miss Malfoy, ist es äußerst selten, dass wir in Ihrem Alter noch Schüler hier in Hogwarts aufnehmen, dennoch möchte ich Sie natürlich noch einmal herzlich in Ihrer neuen Schule willkommen heißen. Sie wurden dem Hause Slytherin zugeteilt und somit ist Professor Snape ihr Hauslehrer." Er deutete auf besagten Professor. "Der Gemeinschaftsraum der Slytherins, sowie die Schlafsäle der Jungen und Mädchen befinden sich im unteren Teil des Schlosses in der Nähe der Kerker. Sie teilen Ihren Schlafsaal mit vier weiteren Mädchen Ihres Jahrgangs."
Er machte eine Pause und öffnete schließlich die Mappe vor sich.

„Wie ich sehe, sind Sie vorher in Dumstrang zur Schule gegangen, aber wurden im März der Schule verwiesen. Ist das richtig?"

Ich schluckte leer und nickte langsam. „Ja, Sir."

„Gut." Dumbledore schien unbeeindruckt von der Tatsache, dass ich einen Schulverweis erhalten hatte. Er durchblätterte die Akte.

„Sie werden einige Leistungsüberprüfungen zu Beginn des Schuljahres ablegen müssen, in den Fächern, in denen es die Lehrer von Ihnen erwarten, damit wir wissen, auf welchem Stand Sie sich befinden. Der erste Test wird gleich morgen nach Ihrem Nachmittagsunterricht stattfinden. Wir wollen die Sache schnell hinter uns bringen, damit Sie rechtzeitig mit den Nachhilfestunden anfangen können, sollten Sie in einem der Fächer Schwierigkeiten haben oder mangelnde Kenntnisse aufweisen."

„Nachhilfe?" Ich starrte den Schulleiter ungläubig an.

„Ja, Miss Malfoy, Nachhilfe." Dumbledore runzelte die Stirn. „Oder haben Sie ein Problem damit?"

Ich räusperte mich und trat einen Schritt auf den
Schreibtisch zu. „Nun, ich denke, dass dürfte überflüssig sein, Professor", sagte ich rasch. „Sehen Sie sich das Zeugnis vom letzten Halbjahr an, Sir. Keine meiner Noten liegt schlechter als bei Erwartungen übertroffen."

„Das ist mir bewusst", sagte Dumbldore schlicht. „Dennoch müssen Sie diese Tests absolvieren, da Hogwarts sich nun doch in gewissen Bereichen von Durmstrang unterscheidet."

Er lächelte geistesabwesend und tauschte einen bedeutsamen Blick mit Professor McGonagall.

„Zudem haben Sie nichts Vergleichbares wie die ZAG-Prüfungen in Hogwarts in ihrer Schulzeit absolviert. Als Handreichung liegen uns lediglich Ihre Zeugnisse der vergangen Jahre vor, sowie ein Empfehlungsschreiben Ihrer Verwandlungslehrerin und Ihres Lehrers für den Fachbereich Dunkle Künste. Tut mir leid, Miss Malfoy, aber hier reicht dies keineswegs als Maßstab zur Beurteilung Ihrer künftigen Leistungen, gerade unter der Voraussetzung, dass Sie vermutlich ihren UTZ hier absolvieren möchten."

„Ich verstehe", presste ich hervor, doch war mir die Situation äußerst prekär. Ich war eine der besten Schülerinnen in meinem Jahrgang gewesen, kaum einer meiner Klassenkammeraden hatte so viele Ohnegleichen erreicht wie ich und nun wurde ich mit Worten wie „Nachhilfestunden" und „mangelnde Kenntnisse" betitelt.

Meine zierliche Nase kräuselte sich bei diesen Gedanken und ich beschied mich damit auf meine säuberlich manikürierten Fingernägel zu starren, während Dumbledore erneut das Wort ergriff.

„Ihr Stundenplan, Miss Malfoy", sagte er und reichte mir ein Stück Pergament. Ich warf einen Blick darauf, er war ungeheuer voll beschrieben und mir wurde bei seinem Anblick gleich wieder übel. „Die letzten beiden Hogwarts-Jahre fordern intensives Studium, Miss Malfoy. Sie sind vorbereitend und themenübergreifend auf den UTZ ausgelegt und der Stoff dieser beiden letzten Jahre fließt unmittelbar in ihre Abschlussnote ein. Manche der Lehrer lassen keinen Schüler ohne UTZ-Niveau in ihre Kurse. Aber vorerst werden Sie anhand Ihrer vorherigen Noten in die UTZ-Kurse gelassen", sagte Dumbledore ruhig. „Und denken Sie daran, dass Sie am Montag um sechs Uhr in meinem Büro erscheinen, damit Sie die erste Leistungsüberprüfung absolvieren können."

Mit diesen Worten erhob er sich von seinem Stuhl und ich nickte. „In Ordnung, Professor."

„Gute Nacht, Miss Malfoy. Wir wollen ja nicht, dass Sie gleich an ihrem ersten Tag zu spät kommen, nicht wahr?"

Er überreichte mir einen weiteren Stapel Pergamentpapier, der sämtliche Regeln festhielt, an die man sich in Hogwarts zu halten hatte. Außerdem erklärte er mir, dass man während der Schulzeit durch gutes Benehmen und gute Leistungen Punkte für sein Haus sammeln konnte, während schlechtes Benehmen und Regelverstöße mit Punktabzug gehadert wurden. Dann zwinkerte er mir zu und ich wandte mich zur Tür, froh endlich gehen zu können.

Am liebsten hätte ich einen verächtlichen Seufzer ausgestoßen, doch meine guten Manieren waren einstudiert und somit lächelte ich entschuldigend und senkte den Kopf.

„Gute Nacht, Sir."

„Professor Snape ist Ihr Hauslehrer", sagte Professor McGonagall an mich gewandt. „Er wird Sie zu Ihrem Gemeinschaftsraum begleiten."

Zum ersten Mal an diesem Abend wanderte mein Blick zu Severus Snape herüber. Er hatte die ganze Zeit über stillschweigend dagesessen und die Szenerie stumm aus dem Augenwinkel heraus beobachtet. Jetzt erhob er sich von seinem Stuhl, auf dem er Platz genommen hatte und legte ein maliziöses Grinsen an den Tag.

„Folgen Sie mir, Miss Malfoy", sagte er und seine samtige tiefe Stimme ließ etwas in meiner Magengegend zu Fall bringen –Da war sie wieder, die Nervosität und die Angst.

Ich verabschiedete mich erneut von Professor Dumbledore und Professor McGonagall und folgte Snape aus dem Büro, durch den steinernen Wasserspeier und auf den stillen dunklen Korridor hinaus.

Die schwere Tür mit dem bronzenen Türklopfer von Dumbledores Büro fiel schwer hinter uns ins Schloss und hinterließ dröhnende Stille in dem in der Nacht daliegenden Schloss.

Ich sagte erstmals nichts, sondern musterte nur seine Gesichtszüge –vertraut und seltsam fremd zugleich- und noch ehe ich auch nur Worte fand, um mich auszudrücken, war Snape schon davon gerauscht.


Snape rauschte derartig schnell durch die Korridore, sodass ich Mühe hatte mit ihm Schritt zu halten. Sein schwarzer Umhang bauschte sich unheilverkündend hinter jedem seiner Schritte erneut auf und er geleitete mich eine steinerne Treppe hinab, die scheinbar in die Kerker führte.

Schweigend rauschte er Gang für Gang entlang und ich hatte längst die Orientierung verloren. Wie sollte ich mich nur jemals in diesem riesigen Schloss zurechtfinden? Es vergingen einige Minuten des Stillschweigens und
Daherschreitens und ich begann zu frieren. Hier unten war es furchtbar kalt und der Wind pfiff durch einige schmale Lücken der Steinmauer des Schlosses und die Windstöße klangen fern und fremd an mein Ohr.

Ich zog meinen Umhang enger um meine blassen Schultern und musste ein Stück rennen, um wieder zu Snape aufzuschließen.

„Trödeln Sie nicht so herum, Miss Malfoy", herrschte er mich an.

Warum war er so unhöflich, so distanziert... so kalt? Es war, als wenn es das Treffen im März nie gegeben hätte, als wenn der Blickwechsel zwischen uns nie stattgefunden hätte, als wenn das Gespräch in der lauen Frühlingsnacht nur eine verblassende Einbildung meinerseits gewesen war.

„Verzeihung, Sir", sagte ich mit fester Stimme und legte eine verächtliche Betonung auf das letzte Wort. Mein Gesichtsausdruck war arrogant und kalt. Was er konnte, konnte ich schon lange. Herablassendes und arrogantes Verhalten waren jahrelang mein Lehrmeister gewesen.

Er war stehen geblieben und wirbelte auf dem Absatz herum, die dunklen Augenbrauen dicht zusammengezogen. Er war tatsächlich wütend. Doch ich blieb unbeeindruckt. Er jagte mir keine Angst ein. Nicht auf diese Weise jedenfalls.

„Bilden Sie sich nichts darauf ein, Miss Malfoy", zischte er drohend und sein Blick aus schwarzen Augen ließ mir nun doch einen kalten Schauer der Angst den Rücken hinunterlaufen. „Sie sind genauso eingebildet wie der Rest Ihrer Familie. Aber glauben Sie mir, hier sind Sie nur eine meiner Schülerinnen und nicht das verzogene Lieblingstöchterchen einer meiner Freunde. Ich mag Lucius, aber das heißt nicht, dass ich Sie in irgendeiner Weise bevorzugen werde, ist das klar? Also glauben Sie ja nicht, dass Sie mit mir umgehen können, wie Sie wollen. Ich bin Ihr Professor und Ihr Hauslehrer und Sie werden mir Respekt erweisen."

Ich senkte den Blick und schluckte all die Bemerkungen herunter, die mir auf der Zunge lagen. Meine Wangen brannten. Seine Worte verletzen mich, doch ich ließ mir nichts anmerken.

„Ja, Sir", sagte ich leise und unterdrückte nur mit Mühe die aufkommenden Tränen.

Isabella Malfoy Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt