Ein neues Kleid

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Als ich am Samstagmorgen meine Beine über die Bettkannte schwang und aufstand, um unter die Dusche zu springen, war mein erster Gedanke, warum zur Hölle ich Yaxleys Forderung so bereitwillig nachgegeben hatte und mir nicht irgendeine Ausrede hatte einfallen lassen oder ihn mit sonst einer fadenscheinigen Entschuldigung abgespeist hatte. Ich hatte mich da wohl selber in eine Lage gebracht, aus der es kein Entkommen gab. Aber eine Ausrede hätte er wahrscheinlich eh nicht akzeptiert. Er hätte darauf bestanden oder mich in sonst irgendeiner Weise dazu gebracht, mit ihm ins Dorf zu gehen, um ein Kleid für seinen Abschluss zu kaufen. Ich beschloss, die Sache so schnell es ging über die Bühne zu bringen. Ich würde mich einfach für das nächstbeste Kleid entscheiden und mich schnellstmöglich zurück ins Schloss verziehen, um nicht zuletzt endlich den verdammten Aufsatz für Severus fertigzustellen, dessen Abgabe –nebenbei bemerkt- schon am kommenden Montag war. Seufzend fuhr ich mir durch mein wirres Haar und machte mich auf den Weg ins Bad. Vorzeigbar sollte ich mich kleiden, hatte er gesagt. Tss, als würde ich sonst herumlaufen, wie der letzte Hauself.

Eine halbe Stunde später stieg ich aus der gläsernen Dusche und wickelte meinen Körper in eines der flauschigen, dunkelgrünen Handtücher, die sich immer zur Genüge auf einer der weißen Ablagen neben dem Doppelwaschbecken türmten. Meine nackten Füße hinterließen feuchte, schmale Abdrücke auf dem warmen, schwarzen Schieferboden des Badezimmers, als ich zum Spiegel herübertappte und mit einem Griff auf die Kommode und einem anschließenden Schwung meines Zauberstabes den beschlagenden Spiegel reinigte. Eine weitere, fließende Bewegung mit dem Zauberstab und mein Haar fiel mir wieder trocken und weich um die Schultern und ergoss sich in seidigen, hellblonden Wellen über meinen Rücken.

Ich befreite mich von dem Handtuch und betrachtete kurz meinen Körper in der Scheibe des Spiegels. Meine grauen Augen starrten mich vorwurfsvoll aus dem Spiegel heraus an, als mein Blick an mir herunterwanderte. Jeder Zentimeter meiner elfenbeinfarbenen Haut erstrahlte wieder in marklosem Glanz, nichts war mehr von den Rückständen des Cruciatusfluchs zu sehen. Severus' Pistaziencreme hatte wahre Wunder bewirkt und in meinen Augen hätte er dafür mindestens den Merlinorden zweiter Klasse verdient. Und schon wieder war ich mit den Gedanken bei meinem verdammten Zaubertrankprofessor. Wutschnaubend zwang ich mich, an Yaxley und den bevorstehenden Tag zu denken.

Mit geübten Griffen band ich mir meine Haare zu einem straffen Zopf zusammen, stieg achtlos über das leichte, fliederfarbene Sommerkleid auf dem Boden hinweg, das ich eigentlich hatte anziehen wollen und riss ein dunkles, hochgeschlossenes Kleid von seinem Bügel im Schrank. Missmutig streifte ich es über meine schmalen Schultern und betrachtete die Wirkung dessen in dem Spiegel an der Innenseite meines Schrankes. Die Nase rümpfend befreite ich mich sogleich wieder aus dem Kleidungstück. Merlin, ich sah ja aus wie Mutter.

Grübelnd stand ich noch eine ganze Weile vor dem Schrank, bis ich zögernd die Hand nach einem Kleid austreckte, das in der hintersten Ecke des Ebenholzschrankes steckte. Fließender, hellblauer Stoff, ein weit ausgestelltes Dekolleté, ein zartes Band an der Taille, weicher Seidenchiffon, der die Beine umspielte... Zaghaft schlüpfte ich hinein. So würde sicherlich nicht nur Yaxleys Blick auf mir ruhen. Ich grinste. Sollte er ruhig mal zu spüren bekommen, was eine Malfoy zu bieten hatte und dass er nicht mit mir umgehen konnte, wie er wollte. Ich wollte ihn ja nicht reizen. Nur ein wenig seine Eifersucht anstacheln. Wenn er mich schon auf mein Äußeres reduzierte... Bitte! Das konnte ich genauso gut.

Schon auf dem Weg durch den Gemeinschaftsraum spürte ich die ersten Blicke auf mir. Goyle glotzte meine nackten Beine mit seinen dumpfen Schweinsaugen so offensichtlich an, dass ich ein Grinsen nicht unterdrücken konnte, wenngleich ich mich entschieden unwohl in meiner Haut fühlte. So lief ich unter normalen Umständen nie in der Öffentlichkeit herum.

Isabella Malfoy Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt