Blaue Flecken

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Ich schlug die Augen auf und sofort kehrte das inzwischen altbekannte Gefühl der Furcht zurück, das sich jedes Mal vor dem Aufstehen in meine Gedanken schlich, seit ich Malfoy Manor in den Winterferien betreten hatte. Doch eine Sekunde später atmete ich erleichtert aus, als ich erkannte, dass ich mich in meinem Himmelbett in Hogwarts befand und nicht im Anwesen meiner Familie. Mit jedoch leicht klopfendem Herzen starrte ich den Baldachin über mir an. Ich war bereits seit knapp einer halben Woche wieder in Hogwarts, doch die Angst kehrte bei Weilen noch immer zurück. Vor allem nachts, wenn ich allein im Bett lag und keinerlei Möglichkeit hatte, mich mit alltäglichem Belangen abzulenken... Dann war es am Schlimmsten.

Vorsichtig richtete ich mich auf und holte zischend Luft. Mein Körper schmerzte nach wie vor und als ich vorsichtig mein Nachthemd hochschob konnte ich noch immer einige große, blauviolette und grüngelbliche Flecken erkennen, die sich über meine Oberschenkel und meinen Brust- und Bauchbereich verteilten. Doch es war nicht mehr so schlimm, wie an jenem Abend und den darauf folgenden Tagen. In der Nacht nach dem Essen mit den Yaxleys hatte ich vor Schmerzen kaum schlafen können und nur mithilfe von Tränken einschlafen können. Ich war mittlerweile auf meine nächtliche Dosis Schlaftrank angewiesen, denn andernfalls bekam ich kein Auge zu. Es war fast zu einer Sucht geworden, auch wenn ich mir das nur insgeheim eingestand. Ich hatte es einmal ohne Trank versucht, und hatte daraufhin die ganze Nacht wachgelegen mit dem ziehenden Gefühl der Angst im Magen, die dadurch bestärkt wurde, dass mein Zwangsverlobter nur durch den Slytherin-Gemeinschaftsraum getrennt in einem der Betten im Jungentrakt schlief.

Hastig riss ich meine Nachttischschublade und griff nach dem kleinen, bauchigen Fläschchen für den Traumlosentank und in eben jenem Moment musste bestürzt feststellen, dass nicht mal mehr ein einziger Schluck von dem Schlaftrunk übriggeblieben war. Fahrig fuhr ich mir mit der Hand durch mein trockenes, sprödes Haar und umklammerte das Fläschchen so fest, dass meine Knöchel an den Fingern weiß hervortraten. Meine Atmung ging flach. Klamm kroch die Furcht in mir empor, wenn ich an die bevorstehende Nacht dachte, obwohl ich doch gerade erst aufgestanden war. Ich musste mir dringend Nachschub besorgen. Heute noch. Denn jeden Abend, bevor ich den Trank schluckte, tauchten entweder die schemenhaften Umrisse meines Vaters vor meinem inneren Auge auf, das aristokratische, spitze Gesicht zu einer wahnsinnigen Maske verzogen, und mit gezücktem Zauberstab, dessen Spitze auf mich zielte oder aber Yaxleys arrogantes, markantes Gesicht, die kalten Augen schlangengleich zu Schlitzen verengt, während er die Hand gegen mich erhob und mich an die Wand presste. Und jedes Mal zitterte ich vor Angst, weil ich mir sicher war, dass er mich jeden Moment schänden würde...

Und dennoch konnte ich von Glück reden, dass es stark auf die UTZ-Prüfungen zuging, sodass Yaxley gezwungen war Tag und Nacht in der Bibliothek zu hocken und für seine UTZs zu büffeln. Ich mied die Bibliothek seit dem ersten Tag meiner Rückkehr entschieden, obwohl sie zu einem meiner Lieblingsplätze in Hogwarts gehörte. Doch somit war die Wahrscheinlichkeit deutlich geringer, dass ich dem dunkelhaarigen Siebtklässler über den Weg lief. Tatsächlich war ich ihm erst einmal im Gemeinschaftsraum begegnet und hatte es ansonsten geschafft ihm so gut es ging aus dem Weg zu gehen. Den Verlobungsring bewahrte ich inzwischen gut versteckt in den Tiefen meines Koffers auf. Das Tragen würde nur zu einer Reihe unangenehmer Fragen führen für die ich nicht bereit war und außerdem Ertrug ich den Anblick dieser imaginären Handschellen an meinem Finger nicht. Ich hoffte nur inständig, dass Yaxley nicht Wind davon bekam.

Als ich eine Stunde später die Große Halle zum Frühstück betrat wirbelten einige Köpfe am Slytherinstisch herum und starrten mich an. Pansy Parkinsons Mopsgesicht trug einen Ausdruck von offensichtlicher Abschätzigkeit gemischt mit kaltem Neid. Crabbes dumpfe Augen fixierten mich aus den dunkelgelegenen Augenhöhlen und ich meinte Gier darin lesen zu können. Auch die Blicke einiger Siebtklässler, die ich entfernt als Yaxleys Freunde wiedererkannte, musterten mich mit wachsamem Interesse. Hatte er ihnen etwa von unserer Verlobung erzählt oder im Gemeinschaftsraum damit geprahlt? Ich spürte, wie ihr Augenmerk mir folgte, doch ich gab ihnen nicht die Genugtuung ihre gaffenden Blicke zu erwidern, sondern ließ mich auf einen freien Platz nahe dem Gange fallen, um bei Yaxleys Auftauchen schnellstmöglich die Flucht ergreifen zu können. Ja, soweit war es schon gekommen... Ich ergriff lieber die Flucht, als mich ihm zu stellen. Aber ich hatte einfach nicht die Kraft dazu. Ich war zu müde, zu erschöpft von meinem Leben, das immer nur forderte und forderte und nie etwas zurückgab. Dunkle Schatten lagen unter meinen Augen und mein Blick war seltsam leer, als ich den Tisch entlang blickte. Alles was ich wollte, war zurück in mein Bett zu kriechen und an nichts mehr zu denken - einfach einen Schluck Schlaftrank zu nehmen und in die willkommene Schwärze des Schlafes abzutauchen.

Isabella Malfoy Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt