Kosequenz des Widerstandes

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Ich schloss die brennenden Augen. Tränen tropften auf das feuchte dunkelgrüne Gras unter mir, als ich den Entschluss traf. Ihr salziger Geschmack benetzte meine rauen Lippen und vermischte sich mit den Regentropfen auf meinen Wangen. Meine Welt lag offen vor mir ausgebreitet, von Trauer verwaschen und die salzige Flut des Meeres, deren Ursprung die Tränen waren, schwappte über mich hinweg und hinterließ weiße Gischt als tanzende Schaumkronen auf tosenden Wellen im grauen Meer.

Ich hielt die Augen weiterhin geschlossen, presste die Lippen aufeinander, ballte die blassen Hände zu Fäusten. Jetzt wusste ich auch, warum ich niemals in Gryffindor gelandet wäre. Ich war verdammt nochmal zu feige. Zu feigherzig, um davonzulaufen. Zu verängstigt, die vertraute und gleichzeitig gefürchtete Umgebung zu verlassen. Wohin auch hätte ich gehen sollen? Wiltshire war kein Ort, den man einfach zurückließ und nie wieder dorthin zurückkehrte. Er verfolgte einen. Für immer.

Meine Füße waren eiskalt und nun öffnete ich die Augen und richtete meinen Blick auf das dunkle, imposante Malfoy-Anwesen, dessen Fenster in der sternenklaren Nacht funkelten. Mit klopfendem Herzen starrte ich das Manor an. Ich konnte nicht zurück. Nicht jetzt.

Ich sank zu Boden, meine Knie gruben sich tief in den weichen, schlammigen Boden und ich vergrub meine Hände tief in der Erde. Noch immer tropften Tränen ins Gras, rannen über meine geröteten Wangen, verschwanden in meinem dichten Haar.

Der Mond stand hell am Himmel und war die einzige Lichtquelle in der ansonsten rabenschwarzen Nacht. Ich legte mich ins Gras, breitete die Arme aus. Ein Blitz zuckte über den Himmel, erleuchtete die Szenerie. Mein Körper schmerzte, meine Wangen brannten von den Ohrfeigen, die mein Vater mir gegeben hatte.

Um mich herum wurde es immer dunkler und bald versank ich in willkommener Schwärze. Die Erschöpfung der Ereignisse übermannte mich. Das ferne Donnergrollen war das Letzte, was ich hörte und der Duft des Regens, das Letzte was ich roch. Dann wurde alles um mich herum schwarz und wunderbar still.


Ich lag auf etwas Weichem. Der Regen und das Gras unter mir waren verschwunden. Ich hielt die Augen nach wie vor geschlossen. Schlanke, zarte Finger fuhren mir durchs Haar, befühlten meine Stirn, zaghaft und sanft. Es waren die Finger meiner Mutter. Sie strich mir liebevoll über die Wange, doch ich spürte ihre Unsicherheit, ihre schreckhaften Bewegungen.

Aber ich bemerkte auch ihre Sorge um mich, ihr Mitgefühl, still und anteilnehmend. Ich hörte meinen Vater den Raum betreten und das Gewicht neben mir, wärmend und beschützend, erhob sich von der Couch.
Meine Mutter war aufgestanden.

„Es reicht. Es ist vorbei", sagte mein Vater. „Sie lag da draußen ganz allein... scheinbar bewusstlos... Was hat sich das dumme Kind nur dabei gedacht, einfach davon zu laufen..."

„Shh, Lucius", hauchte meine Mutter. „Sie schläft."

Es entstand eine Pause, in der ich mir sicher war, dass mein Vater meine Mutter anstarrte. Er senkte die Stimme schließlich etwas. „Es ist vorbei. Ich nehme sie von der Schule. Sie wird nichtmehr dorthin zurückkehren. Es ist nicht ihre Schuld, sondern meine. Sie ist noch ein Kind. Wie konnte ich nur..." Seine Stimme war brüchig und er seufzte. „Wenn ich sie nur richtig beschützt hätte und auf sie Acht gegeben hätte, wäre das alles niemals passiert. Ich bin für ihre Verwandlung und ihr ambivalentes Verhalten verantwortlich. Wenn ich sie in Durmstrang gelassen hätte, hätte sie niemals auch nur solch einen Gedanken gehegt. Sie wäre stolz, eine Gefolgin des Dunklen Lords zu werden." Er verstummte.

Ich öffnete die Augen einen Spalt, gerade weit genug, um die Szenerie, die sich vor mir abspielte, mitverfolgen zu können und war erstaunt, Tränen in den Augen meines Vaters glitzern zu sehen. Doch ich empfand kein Mitgefühl, denn ich wusste, dass er nicht meinetwegen trauerte. Er betrauerte sich selbst, selbstsüchtig wie er war. Oder vielleicht, dass er die Chance verpasst hatte, sich eine, in seinen Augen, perfekte Tochter zu erziehen. Er würde nie meinetwegen weinen. Nie.

Isabella Malfoy Where stories live. Discover now