Der Abschlussball

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Mehrere Dutzend vollbestellte Tabletts mit bis zum Rand mit Elfenwein gefüllten Gläsern schwebten mit Hilfe von Magie zwischen den Tischen hindurch und hielten hie und da mitten in der Luft an, wenn sich einer der feingekleideten Gäste daran bediente. Rasch schnappte ich mir eines der mit rubinroter Flüssigkeit gefüllten Gläser von einem vorbeischwebenden Silbertablett. Ich leerte den Inhalt in einem Zug, stellte das leere Weinglas auf das Tablett zurück und sah mich mit verschränkten Fingern in der festlich geschmückten Großen Halle um. Gelangweilt ließ ich den Blick über die Schülermassen schweifen, die sich auf der Tanzfläche tummelten und einen langsamen Walzer tanzten. Ich entdeckte Alicia Spinnet am Rande der Tanzfläche, wo sie mit einem dunkelhäutigen Jungen mit Rastalocken tanzte. Einige Meter weiter sah ich Draco in ein Gespräch mit einem dunkelhaarigen Mädchen in einem blauen Kleid vertieft.

Plötzlich umfassten zwei schlanke Hände von hinten meine Taille. Yaxleys Hände. Blass und kalt wie Winternebel. „Du siehst hinreißend aus, Liebes", raunte er, „ich wusste, dass dir dieses Kleid ausgezeichnet stehen würde." Sein Blick wanderte an mir hinab. Ich trug das silberne Kleid, das er mir letzten Monat gekauft hatte. Es war unsagbar teuer gewesen und fühlte sich kühl auf der Haut an, und schwer, wenn man es trug. Der fließende Chiffon umspielte meine nackten Fußknöchel wie Wasser einen Felsen umspült. Die mondhellen Haare hatte ich zu einem eleganten Knoten eingedreht und die Frisur anschließend mit einem silbernen Band verziert. Ich sah wohl aus, wie man es von einer Malfoy erwartete, aber ich fühlte mich fehl am Platz und zu sehr in den Mittelpunkt gerückt.

„Danke", sagte ich eintönig und warf Yaxley einen flüchtigen Blick zu. Er trug einen dunkelgrünen Umhang und darunter schwarz. Die dunklen Haare hatte er nach hinten gekämmt. Mit der Weste und der Taschenuhr sah er aus, als würde er direkt den 1920ern entsprungen sein. Er roch nach Aftershave und herber Minze. Ich trat einen Schritt nach hinten.

Ich ließ den Blick weiter durch die festlich geschmückte Halle schweifen. An der Stirnseite des Raumes bemerkte ich plötzlich Severus, gewandelt in seinen üblichen schwarzen Umhang, wie er mit einem Glas Elfenwein in der Hand dastand und missmutig in die Menge starrte. Ich zwirbelte eine herausgelöste Locke um einen schmalen Zeigefinger und schob sie nach einigen Sekunden nachdenklich wieder in den Dutt zurück. Er nahm gerade einen Schluck Wein und warf einen Blick nach rechts zum Lehrertisch.

Ob ich wohl zu ihm herübergehen könnte und mit ihm sprechen könnte, ohne Aufmerksamkeit zu erregen? Vielleicht klappte es, wenn ich ihn mit der Frage nach meinen Prüfungsergebnisse in ein Gespräch verwickelte... Oder ihn um Rat bezüglich der Wirkung von Flussgras in einem Euphorieelixier fragte? Er wandte den Blick vom Lehrertisch ab. Seine schwarzen Augen wanderten weiter durch den Saal und entdeckten mich nahe dem Eingangsportal. Seine Mundwinkel hoben sich kaum merklich. Prostete er mir da gerade wirklich in aller Öffentlichkeit dezent zu? Seine Mundwinkel kräuselten sich in einem Anflug von Belustigung. Kein Zweifel.

„Wieso trägst du meinen Ring nicht?"

Ich schreckte leicht zusammen. „Hm?"

Yaxleys türkise Augen blitzten mir gefährlich entgegen. „Ich frage, warum du meinen Ring nicht trägst? Den Verlobungsring?"

„Ich trage ihn doch", sagte ich leise und hielt ihm meine linke Hand entgegen, an deren Ringfinger der Saphirring steckte.

Yaxley betrachtete den Ring an meinem Finger eindringlich, dann ergriff er meine Hand. „Komm!" Er zog mich in Richtung Tanzfläche. Ich warf einen flüchtigen Blick in Severus' Richtung, aber entdeckte ihn nicht mehr. Die Stelle, an der er zuvor gestanden hatte war leer. Der Anblick versetzte mir einen kleinen Stich, aber schon hatte mich Yaxley mit sich gezogenen, einen Arm um meine Taille gelegt und wiegte mich im Takt der Musik. Meine Beine taten ihre Arbeit von alleine. Zu viele Jahre hatte ich Ballett und Standard getanzt, als dass ich hilflos auf der Tanzfläche stehen würde, ohne zu wissen, wie die Reihenfolge der Schritte war oder wann diese oder jene Drehung kam...

Plötzlich drehte ich mich um, denn ich hatte das Gefühl, beobachtet zu werden. Ich wirbelte herum, doch da war niemand. Etwas in meinem Magen stülpte sich um. Ich schwitze und fror und das Blut pulsierte durch meine Venen. Merlin, litt ich etwa schon an Verfolgungswahn oder war das der rasch heruntergekippte Alkohl, der jetzt seine Wirkung entfaltete?

„Entschuldige mich kurz, mir ist nicht wohl", sagte ich zu Yaxley und knickste vor ihm, ehe ich in der Menge verschwand. Seine kalten Augen blickten mir misstrauisch hinterher und er wollte mir folgen, doch sein schlaksiger Freund mit der Hornbrille hielt ihn zurück und verwickelte ihn in ein Gespräch. Dankbar wandte ich mich um und lief weiter. In einer stillen Ecke ging ich hinter einem Vorhang in Deckung und versuchte, meine Atmung zu beruhigen. Ich lehnte mich mit geschlossenen Augen gegen die kühle Steinwand und hielt mir den Bauch.

„Alles in Ordnung?" Jemand schob den schützenden Vorhang beiseite, trat neben mich und ließ den dunklen Stoff wieder fallen.

„Ja, es geht schon wieder, Jonathan, ich komme gleich", sagte ich leise.

Ich hörte ein warmes, leises Lachen neben mir und öffnete die Augen. „Severus?" Erstaunt sah ich ihn an und blickte in seine warmen Augen, die mir schwarz entgegenfunkelten.

„Du ziehst wohl inzwischen die Gesellschaft deines Verlobten vor", sagte er und ein Anflug von Häme flackerte über sein Gesicht.

„Nein", keuchte ich und griff nach seiner Hand. „Nie."

„Und trotzdem tauchst du mit ihm hier auf", sagte er ölig und hob eine Augenbraue.

„Aber doch nur, weil ich muss, Severus", sagte ich eindringlich. „Es ist meine Pflicht, mich mit ihm hier sehen zu lassen."

„Du hättest ja auch einfach nein sagen können."

„Das ist nicht so einfach, du verstehst das nicht. Ich muss... Mein Vater... Yaxley, er-"

Verzweifelt sah ich Severus an. „Isabella, wann wirst du wohl endlich aufhören, immer das zu tun, was andere von dir erwarten und fängst an, auf das zu hören, was du willst."

„Das ist nicht so einfach."

„Oh doch, es ist ziemlich einfach", sagte Severus plötzlich barsch und die Kälte in seiner Stimme war unüberhörbar.

„Ist es nicht", sagte ich und blickte in sein Gesicht, die Augen bis zur Hälfte mit Tränen gefüllt. „Es ist nie einfach." Ich blinzelte und seine schwarzen Augen waren wie zwei Sterne in der Nacht. „Versprich mir, an mich zu denken, wann immer du hoch in den Himmel schaust und einen Stern siehst", wisperte ich.

„Sag so etwas nicht! Nie!", zischte Severus. „Ich habe dir bereits einmal gesagt, dass dein Ende noch nicht geschrieben wurde, mein kleines Wintermädchen, und nun tue ich es erneut." Zorn funkelte nun in seinen dunklen Augen. „Was immer das Leben für ein Ende für dich breithält... Dies hier ist es nicht. Denn deine Geschichte hat gerade erst begonnen, dein Ende wird erst geschrieben sein, wenn du bereits dazu bist. Du wirst dein Leben nicht so achtlos wegwerfen oder an diesen unsäglichen Narren, diesen kaltherzigen, geistlosen Beinah-Todesser verschwenden, denn wenn du das tust, dann muss ich es dir leider gleichtun. Mein Leben war schon seit geraumer Zeit nicht mehr lebenswert, es war mir nicht mehr wichtig, bis du in mein Leben getreten bist. Du füllst die Lücke aus, die ein Mädchen, das ich einst sehr geliebt habe und vermutlich immer lieben werde, hinterlassen hat, indem sie mich in dieser dunklen, grauen Welt zurückließ... Ich bitte dich, Isabella... Komm zurück zu mir."

„Ich kann einfach nicht", flüsterte ich. „Es tut mir so leid, Severus, aber ich kann nicht..." Es brach mir fast das Herz, doch ich raffte mein Kleid und stürmte davon, ließ ihn in der Menge stehen. Mit brennenden Augen lief ich mit zügigen Schritten in die Richtung, in der ich das Eingangsportal vermutete. Ich wollte einfach nur noch hier weg. Es war kaum zum Aushalten. Mein ganzes Gesicht brannte wie Feuer, in meinen Ohren rauschte das Blut... Ich stieß mit jemandem zusammen, aber achtete nicht darauf, sondern hastete weiter. Ich zwängte mich zwischen zwei Zauberern hindurch und sah Katie in der Menge stehen, die mir zuwinkte und lächelte und lief weiter. Ich hörte ihre helle Stimme, die meinen Namen rief, aber ich blieb nicht stehen. Endlich stieß ich durch eine Traube von kichernden Absolventinnen in ihren Abendkleidern und meine Handflächen drückten sich gegen dunkles Eichenholz. Mit aller Kraft stemmte ich mich gegen das gewaltige Portal. Ich musste hier weg. Nur noch raus hier.

„Na, na, was soll denn das?" Kalte, schlanke Finger schlossen sich besitzergreifend um meine Taille und drehten mich herum. „Meine Verlobte wird doch nicht etwa weinen?" Yaxley schnalzte missbilligend mit der Zunge, ehe er mir mit dem Zeigefinger eine Träne von der Wange wischte. „Komm her, Kleines..." Er zog mich zu sich heran und drückte mir einen Kuss auf die Stirn, doch nun flossen die Tränen nur noch rascher. Er nahm meine Hand in die seine und plötzlich drückte er zu. Ich schrie leise auf, doch er krallte seine Finger nur noch fester in mein Fleisch. „Wie kannst du es wagen, mich derartig zu blamieren? Hör gefälligst auf zu heulen, du dummes Gör. Was sollen die anderen denn denken, wenn sie dich in diesem Aufzug sehen." Ich presste meine Lippen aufeinander und kämpfte stumm und verzweifelt gegen seinen Griff an. „Hör auf!", zischte er. „Hör auf!" Stumm rangen wir. Mir standen die Tränen in den Augen. Sein heißer Atem kitzelte über meinen Hals. „Hör auf!" Seine Stimme klang wie ein Echo in meinen Ohren nach...

Irgendwann hörte ich auf, gegen ihn anzukämpfen. Er war zu stark. Ich erschlaffte in seinen Armen und er lockerte den Griff augenblicklich. „Du weißt, dass du gegen mich keine Chance hast", raunte er dicht an meinem Ohr, „also lass es. Hör auf, dich ständig zu widersetzen und lern, was es heißt, zu gehorchen. Wenn du dich jemals wieder so in der Öffentlichkeit gegen mich auflehnen solltest, dann werde ich dafür sorgen, dass es das allerletzte Mal war! Ich bin kein Malfoy, musst du wissen, ich bin ein Yaxley." Er ließ mich los und hielt nun nur noch meine Hand galant in der seinen.

„Ich denke, es wird nun Zeit für dich ins Bett zu gehen", sagte er fest. „Du bist sicherlich müde. Der Abend war sehr anstrengend für dein zartes Gemüt. Ich werde dich zum Gemeinschaftsraum begleiten und dafür sorgen, dass du auch dort bleibst und zu Bett gehst. Ich kann später wiederkehren und mich den spätabendlichen Feierlichkeiten annehmen."

Mit lässiger Eleganz stieß er das Eichenprotal mit einem Arm auf und schob mich mit dem anderen vorwärts. Die Gänge und Korridore waren wie ausgestorben, denn die Schüler aus den oberen Klassen und die Lehrer hatten sich zu dem Festlichkeiten in der Großen Halle versammelt und die jüngeren Schüler waren in ihren Gemeinschaftsräumen oder lagen schon in ihren Betten und schliefen vermutlich. Yaxleys Hand in meinem Rücken schob mich vorwärts und immer weiter und schließlich die Treppe in die Kerker hinunter. In einem abgelegenen Gang zu unserer Linken sah ich kurz flammendrotes Haar aufblitzen und erkannte große rehbraune Augen und dahinter Micheal Corners Blondschopf, doch Yaxley zog mich weiter. Irgendwann erreichten wir die karge Steinwand und Yaxley murmelte das Passwort.

Der Gemeinschaftsraum war haltlos überfüllt. Lautes Stimmengewirr drang an meine Ohren. Ich hörte jemanden Lachen und dann, wie jemand meinen Namen rief. Panisch blickte ich mich in der Menge um. Das war eindeutig Dracos Stimme gewesen und er klang anders. Ich ließ Yaxleys Hand los und verschwand ohne mich noch einmal umzudrehen in der Menge. „Isabella", rief Draco erneut und ich hörte, wie er versuchte, seine Stimme fest klingen zu lassen, denn sie war um wohl eine Oktave nach oben gerutscht. Ich wirbelte herum. Dort stand er, direkt vor mir. Sein Gesicht war weiß wie Kalk. „Sie haben Vater unter Arrest gestellt, er wartet auf seinen Prozess." Draco wandte sich zum Gehen und seine Augen waren hell, wie zwei Sterne in der Nacht. Ein Instinkt wallte durch meinen Körper, der mir sagte, dass Draco mich jetzt brauchte, dass ich ihn beschützen musste...

Mit einem Mal brach Panik im Gemeinschaftsraum aus. „Was ist mit Mutter?", fragte ich und sah Draco flehend an. „Sie ist im Ministerium und versucht, für Vater einzustehen und sie von seiner Unschuld zu überzeugen", rief mir Draco noch zu, bevor er Crabbe und Goyle mit sich zog. „Dafür wird Potter büßen", zischte er mit hasserfüllter Stimme und stürmte mit gezücktem Zauberstab aus dem Gemeinschaftsraum, seine beiden Kumpanen dicht auf seinen Fersen.

Zwei Hände packten mich an den Oberarmen und drehten mich herum. Türkise Augen blitzten mir entgegen. „Hier bist du", zischte Yaxley und ließ seinen Blick fahrig durch den Gemeinschaftraum schweifen, ehe er mich fixierte. Er wirkte für seine Verhältnisse aufgelöst. Sein dunkles, volles Haar war durcheinander und nicht mehr ordentlich und streng nach hinten gekämmt. Ein letztes Mal glitten seine schönen, kalten Augen nervös durch den Saal. „Was ist denn passiert?", keuchte ich.

Yaxley drehte mich zu sich herum und zwang mich ihn anzusehen. „Dein Bruder hat Recht. Sie haben unsere Väter festgenommen. Das Ministerium ließ sie sich in Malfoy Manor versammeln. Sie warten noch auf ihren Prozess. Die Gerichtsverhandlung ist in knapp 48 Stunden. Die Zeit drängt. Sie werden vielleicht alle nach Askaban verfrachtet. Was meinst du wohl, warum ich dich schon die ganze Zeit suche?" Seine grünen Augen huschten zwischen mir und seinen Freunden, die sich in der Nähe des Kamins versammelt hatten, hin und her.

Ich starrte ihn sprachlos an und versuchte, die Worte zu verstehen, die er gerade ausgesprochen hatte, aber die Wahrheit wollte nicht zu mir hindurchdringen. Ich blieb wie angewurzelt stehen und starrte Yaxley an.

„Isabella", sagte er eindringlich und eine unleugbare Warnung lag in seinem Blick. Ich hatte ihn noch nie so nervös, ja beinahe panisch, erlebt. Er wirkte weder kühl, noch gefasst. Nie im Leben hätte ich mir träumen lassen, Yaxley einmal so losgelöst zu erleben. Seine schlanken Finger schlossen sich um mein Handgelenk. Er sah mich ernst an. „ Der dunkle Lord erhebt sich", raunte er dicht an meinem Ohr. „Wir müssen gehen, Isabella! JETZT! Die Zeit drängt. Jede Minute, die verstreicht ist verlorene Zeit..." Er griff nach meiner Hand und zog, doch ich rührte mich nicht. Panik rollte in Schockwellen über mich hinweg. Ich konnte nur an eines denken... Ich musste zu Severus, ihm sagen, was passiert war.

„Wir müssen los! Isabella... Bitte..." Yaxleys eindringliche Stimme holte mich zurück in die Wirklichkeit. „Nein, das geht nicht", flüsterte ich. „Ich kann nicht, ich muss noch was erledigen, warte hier auf mich...", sagte ich, aber ein Blick in sein Gesicht ließ mich augenblicklich verstummen. „Isabella", zischte er. „Ich glaube, du hast immer noch nicht verstanden." Eine kleine Sorgenfalte hatte sich zwischen seine dunklen Brauen geschlichen. Ich merkte, wie mein Herz wie wild zu schlagen begann. „Der Dunkle Lord ist auf dem Weg!", sagte er, doch ich begriff noch immer nicht. Er schüttelte mich leicht. „Verstehst du denn nicht?" Seine Hände umfassten meine Schultern und seine dunkelgrünen Augen gruben sich in die meinen. „Isabella... Die Hochzeit wird vorgezogen."


Hinterlasst mir unbedingt eure Meinung! Das Kapitel hat mich ein bisschen mehr Nerven gekostet :D Ich hoffe, es gefällt euch :)

Isabella Malfoy Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt