Der Satan in ihm

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Die hübsche kleine, cremefarbene Holzkutsche zuckelte gemächlich durch die sattgrünen Grafschaften von Wiltshire. Vorbei an perfekt gemähten, typisch englischen Wiesen und ordentlich bestellten Feldern, immer weiter die kurvige, frischasphaltierte Straße hinauf. Alles war ruhig an diesem klaren Sommertag, beinahe unheimlich ruhig. So still, als hätte jemand einen mächtigen Silencio-Zauber über die gesamten südwestlichen Grafschaften Englands gelegt. Das harmonisch trügerische Bild der Idylle hier auf dem Land wurde einzig und allein durch die langsam dahin schaukelnde Kutsche durchbrochen, die von zwei hübschen, weißen Stuten gezogenen wurde. Die Stuten schnaubten dann und wann leise im Takt der klappernden Hufe, als die Kutsche das Tal verließ und es den Hügel hinaufging.

Die Landschaft hinter dem Kutschenfenster flog vorbei und da war nichts außer Wiesen und Feldern. Abwechslung brachte nur gelegentlich einmal ein adliges Herrenhaus oder ein gewaltiges Manor, dessen raue Steinfassaden durch das helle Grün der Laubbäume schimmerte und deren breite Kieswege so weit hinausführten, bis sie fast in die breite, sonnenbeschienene Straße mündeten, auf der die Kutsche dahinzuckelte.

Im Inneren der Kutsche rutschte ich derweil unruhig auf den beigen Ledersitzen herum, während die Angst und der anweilende Schmerz von Minute zu Minute in meinem Herzen wuchsen. Meine rechte behandschuhte Hand mit Spitzenbesatz ruhte auf dem ledernen Polster unterhalb des Kutschenfensters, während die andere in meinem Schoss verweilte und nervös den weißen, seidigen Stoff des Hochzeitskleides zwischen Daumen und Zeigefinger hin- und herzwirbelte. Ich atmete tief ein und schob nun mit eben jener Hand vorsichtig den dunkelroten Vorhang hinter dem Fenster zurück und steckte den Kopf nach draußen ins Freie.

Der Fahrtwind peitschte mir die hellblonden Haare ins Gesicht und riss hie und da perfekt gelockte Strähnen aus der kompliziert eingedrehten Brautfrisur. Der Wind brannte ein wenig auf meiner Haut, doch für mich war es der letzte Hauch von Freiheit an diesem Tag, der mich in einen frühzeitigen Tod sendete. Ein gläserner Sarg stand bereits für mich auf dieser Hügelkuppe, mit Blick ins endlose Tal hinab, parat und Yaxley wartete nur darauf, dass er endlich den Deckel dieses Sarges über meinem Kopf zuschlagen konnte und mich somit in das undurchdringliche Gefängnis einschloss, durch dessen Ritzen nicht einmal lebenswichtiger Sauerstoff drang.

Der Wind brannte noch immer auf meiner Haut oder vielleicht bildete ich es mir auch nur ein, doch es trieb mir in diesem Moment jedenfalls unwillkürlich die Tränen in die Augen. Und mächtig, so unfassbar mächtig zog ein Wintersehnen auf einmal durch mein zerschnittenes Herz und schrie den Namen des Mannes, den ich in Wirklichkeit liebte. Ein qualvolles Zerreißen meiner Seele. Oh, Severus...

Mit einem Mal spürte ich die schlanke Hand meines Vaters auf meiner Schulter und das kalte Silber seines Siegelrings, das sich in meine Haut drückte. Er zog mich wieder vorsichtig, aber bestimmt ins Wageninnere und drückte mich sachte in das braune, lederne Sitzpolster der Kutsche zurück. „Alles in Ordnung, Bella?" Wie in Trance wandte ich ihm mein weißes Gesicht zu und mein Herz schlug gegen meinen Brustkorb, so feste, als wollte es hinausspringen aus diesem Knochen-Gefängnis.

Meine Lippen zitterten. „Vater? Hasst du mich?" Die Worte waren heraus, ehe die Schamesröte mir auch nur ins Gesicht schießen konnte. Doch sie hatten auf meiner Zunge gebrannt, seit ich sein ernstes Gesicht in der Eingangshalle des Manors hatte lächeln sehen. So trügerisch echt.

„Wa-? Nein, natürlich nicht. Was soll diese seltsame Frage? Was ist nur los mit dir?"

Ein müdes Lächeln flackerte über mein bleiches Gesicht. „Es wäre schon okay."

„Was redest du da, Isabella?" Er beugte sich ein wenig zu mir nach vorn, die Ellenbogen auf den Knien. Die Sorge eines Vaters, der ernsthaft um den Verstand seiner Tochter zweifelte, zeichnete sich in seinen Zügen ab.

Isabella Malfoy Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt