Reue

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Langsam richtete ich mich auf. Severus' tintenschwarze Augen verfolgten jede meiner Bewegungen. Verängstigt durch seine Reaktion sah ich aus großen, unschuldigen Augen zu ihm empor und als er meinem Blick begegnete zogen sich seine Augenbrauen noch dichter zusammen und er verzog kurz das Gesicht, wie als ob er Schmerzen hätte, doch keine Sekunde später wirkte seine Miene wieder nüchtern und gleichgültig. Die perfekte, kalte Fassade und aus diesen geliebten, schwarzen Augen wich jede Wärme. Mein Herz zog sich schmerzvoll zusammen, als er mich mit prüfendem Professor-Blick studierte, als wäre ich ein besonders interessantes Ausstellungsstück in einer wertvollen Kunstgalerie.

Sein Blick wanderte meinen Körper hinauf und ich fühlte mich immer unwohler in meiner Haut. Sein Augenmerk wanderte über meine schlanken Beine, hinauf zu meiner Hüfte, um die der viel zu locker sitzende Rock schlackerte, über meine Arme, die ich unsicher ineinander verschränkt hatte und blieb schließlich an meinem müden, erschöpften Gesicht hängen. Sicher mussten ihm die dunklen Schatten unter meinen Augen auffallen, die weißen Wangen, deren gesunde Röte verschwunden war und an deren Stelle viel zu deutlich ausgeprägte, ungesund wirkende Wangenknochen getreten waren.

Ich fuhr mir mit der Zunge über meine spröden Lippen und verfolgte mit wachsendem Interesse seine geschmeidigen Bewegungen, als er lauernd einen Schritt auf mich zutrat und wie ein Panther um mich herumschlich und jede Fase meiner Erscheinung unter die Lupe nahm. Mein ganzer Körper schrie nach seiner Aufmerksamkeit und somit ließ ich es geschehen, ohne etwas zu sagen, ohne ihm in die Augen zu sehen, ohne Protest. Jede Art von Interesse seinerseits an mir war mir in diesem Moment recht. Ich gierte regelrecht nach seinen Berührungen, seinen Blicken. Ich musste mich zwingen, nicht einen Schritt auf ihn zuzumachen und mein Gesicht in seinem Umhang zu vergraben, seinen wohlriechenden Duft in mir aufzusaugen und seine warmen, wunderbar lebendigen Lippen zu küssen.

Endlich schien er seine Musterung beendet zu haben. Er schien sich Mühe zu geben, den strengen Tonfall aus seiner Stimme zu verbannen, aber es gelang ihm nicht gänzlich die Schärfe seiner Tonlage zu überspielen. „Was ist passiert?" Seine Stimme war sehr leise und trotzdem verstand ich jedes Wort.

Eine kleine Flamme schien in meinem Innern zu erglühen. Er interessierte sich noch für mich. Ich war ihm nicht gänzlich egal. Ihm lag etwas an mir. Ich hätte vor Glück weinen können, aber stattdessen brachte ich kein Wort hervor. Wie auch beantwortete man eine so simple Frage, deren Antwort in meinem Fall jedoch sicher mehrere Stunden in Anspruch nehmen würde. Ich biss mir auf die Unterlippe und sah zaghaft in sein strenges, abwartendes Gesicht. Und dann zuckte ich mit den Achseln. Schnell richtete ich meinen Blick wieder auf die Steinfliesen des Klassenzimmers. Es hatte längst geläutet, aber es war mir egal. Und sogar Severus schien es in diesem Moment nicht zu kümmern.

„Miss Malfoy?" Er trat einen Schritt auf mich zu und suchte meinen Blick, doch ich wich ihm aus. Die kleine Flamme in mir schien wieder fast wieder erloschen zu sein. Er mied es, mich beim Vornamen zu nennen. Ich räusperte mich. Meine Stimmbänder schienen mit der Zeit eingerostet zu sein, weil sie so selten in Gebrauch waren. „Sir?", fragte ich leise. Meine Stimme war ganz kratzig und heiser. Das Sprechen tat weh. Ich schluckte und mied weiterhin seinen Blick.

„Sieh mich endlich an, Mädchen!", befahl er schließlich aufgebracht und schien nun doch nicht mehr ganz so gelassen.

Müde hob ich den Kopf und sah ihn mit leerem Blick an. „Ist es so recht, Sir?"

„Was soll das?", erwiderte er zornig.

„Ich leiste lediglich Ihren Befehlen Folge", murmelte ich. „Das wollen Sie doch, nicht wahr, Professor? Das wollen doch alle Männer so, oder? Dass man die Klappe hält und schön stillschweigt, bis man zum Sprechen aufgefordert wird. Man soll immer schön stillsitzen und hübsch gehorchen, am besten gar nicht denken..."

Isabella Malfoy Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt