Weihnachtsferien und William

Start from the beginning
                                    

"Oma." Annika schloss sie hart in ihre Arme und zu ihrer Verwunderung erwiderte Diana die Umarmung mit der gleichen Portion Gefühle.

"Endlich bist du hier. Komm' rein." Sie lösten sich von einander und Diana ließ ihre Enkeltochter in die Wohnung, Jeffrey trug hinter ihnen den Koffer rein.

"Wie geht es Opa?", fragte Annika sofort, weil sie diese Ungewissheit einfach nicht länger aushielt.

"Ein wenig besser." Diana wirkte unbeschreiblich müde. "Ich war den ganzen Vormittag bei ihm", fügte sie hinzu.

"Fahren wir zu ihm?" Keine Sekunde länger wollte sie von William getrennt sein. Keine Sekunde.

"Er ruht sich bestimmt gerade aus", versuchte ihre Oma sie abzuwiegeln. Hilflos warf Annika Jeffrey einen Blick zu, als könne er ihr helfen. Dieser jedoch schüttelte nur aufgebend den Kopf.

"Oma, bitte", bat Annika noch einmal und musterte sie genauer. Trauer blitzte in ihren Augen auf. Trauer und Angst. Leise atmete sie aus. Ihre Oma war am Ende ihrer Kräfte. Es musste ihr unglaublich weh tun, William so leiden zu sehen. Nach so vielen Jahren zusammen musste sie den Schmerz förmlich selber spüren können.

SIE brauchte Ruhe. Es war wahrscheinlich jedes Mal für sie eine Überwindung, zu William zu fahren und ihn so krank zu sehen.

"Oma, Jeff kann mich fahren. Dann bleibe du hier und ruhe dich aus. Du siehst müde aus."

"Ich bin nicht müde", kam es etwas schroff von ihr zurück, doch sie mied Annikas Blick. Dann nickte sie aber. "Gut, Jeffrey soll dich fahren. Aber überanstrenge ihn nicht. Und du bist spätestens um vier wieder daheim. Matthew und Daphne kommen heute Abend. Rupert wahrscheinlich morgen", sagte sie und alles schnürte sich in Annika zusammen. Wenn die Familie anreiste, konnte das nur heißen, dass sie alle noch Abschied nehmen wollten.

"Was ist mit Mama und Papa?", fragte sie dann und wartete gespannt auf die Antwort. Seit der Postkarte im September, hatte sie nichts mehr von ihren Eltern gehört.

Diana zuckte mit den Schultern. "Ich habe ihnen geschrieben, nachdem ich mehrmals vergeblich versucht habe, sie telefonisch zu erreichen. Wer weiß schon, wo sie sich auf der Welt gerade befinden", sagte sie mürrisch. Annika schüttelte enttäuscht den Kopf.

Ihre Eltern benahmen sich so verantwortungslos, dass sie sich dafür in Grund und Boden schämte. Sie hatte keine Eltern-Kind-Beziehung zu ihnen. Es kam ihr eher so vor, als wäre ihre Mutter ihre unreife ältere Schwester und ihr Vater ihr immer noch pubertierender Freund aus der High School.

Einfach unglaublich.

"Jetzt fahr schon zu ihm", wedelte Diana mit der Hand und Annika nickte. Sie umarmte ihre Oma noch einmal.

"Bis später", sagte sie und schnappte sich ihre Tasche.

"Und was ist mit deinem Koffer? Soll der einfach hier im Flur stehen? Ich dachte, die neue Schule hätte dir ein paar Manieren beigebracht!" Und schon war Diana ganz sie selbst. Annika jedoch lächelte nur schief und beeilte sich, ihren Koffer in ihr Zimmer zu ziehen. Dann förmlich sprintete sie zum Auto in der Tiefgarage, in dem Jeff schon auf sie wartete.

___

Jeffrey wartete erst einmal im Flur des Krankenhauses, damit Annika ein paar Minuten alleine mit ihrem Großvater verbringen konnte.

Seit sie das Krankenhaus betreten hatten, klopfte Annikas Herz wie wild. Sie hatte Angst, was sie erwartete, wenn sie das Zimmer von William betrat. Wie würde er aussehen? Fahl im Gesicht? Eingefallen? Mit leeren Augen?

Vorsichtig klopfte sie an der Tür und machte sie langsam auf. Wie in allen Krankenhäusern roch es steril, trotzdem aber nach Krankheit. Als sie jedoch den ersten Schritt ins Zimmer wagte, vermischte sich mit dem Hospitalsgeruch auch der Duft von Williams Eaux de Cologne. Das war schon einmal ein gutes Zeichen.

"Opa?", fragte Annika, schloss die Tür hinter sich und trat ganz in den Raum. Mit angehaltenem Atem machte sie sich auf seinen Anblick gefasst. Und als sie ihn endlich sah, brach sie in Tränen aus – vor Freude.

Putzmunter und frisch rasiert, aber in Krankenhausklamotten, saß er aufrecht im Bett und las in seiner Zeitung. Beim Klang ihrer Stimme hob er den Blick und sah sie erstaunt an.

"Annika!"

"Oh, Opa!" Strahlend ging sie auf ihn zu und warf sich halb in seine Arme. Die Tränen konnte sie vor lauter Erleichterung, ihn in so guter Verfassung vorzufinden, gar nicht mehr zurückhalten.

"Annika, Schatz, was machst du denn hier?"

"Meinst du das ernst?", fragte sie ihn, löste sich von ihm und wischte sich die Tränen weg. "Ich habe mir solche Sorgen gemacht!"

"Wieso das denn? Mir geht es doch gut", grinste er frech und legte die Zeitung zur Seite.

"Aber Oma...", fing sie an zu erklären und setzte sich neben ihn aufs Bett. William machte eine wegwerfende Handbewegung.

"Diana will nicht einsehen, dass es mir gut geht", meinte er und zuckte mit den Schultern. "Ich glaube, sie hat so einen Schrecken gekriegt, dass sie noch total unter Schock steht."

"Was du nicht sagst! Matthew und Daphne kommen sogar heute Abend!" Fassunglos über ihre Großmutter, sah Annika zu ihrem Opa. Diana hatte allen den Anschein gegeben, dass er quasi im Sterben lag.

"Passt prima. Wir waren lange nicht mehr versammelt und ich werde morgen entlassen." William schien bester Laune und vor allem bester Gesundheit zu sein. Annika konnte nicht anders als kurz aufzulachen. Das ganze war so absurd. Sie legte eine Hand gegen ihre Stirn und schüttelte den Kopf. Ihre Angst, ihre Tränen... Alles so gut wie umsonst.

"Aber sag, geht es dir wirklich gut?" Sie konnte nicht anders, als ihm die Wange zu tätscheln. Er lächelte und schnappte sich dann ihre Hand, um sie in seiner ganz fest zu halten.

"Mir geht es bestens. Ich bin noch ein wenig müde, aber ich habe keine bleibenden Schäden vom Schlaganfall getragen. Die Ärzte haben natürlich etliche Untersuchungen durchgeführt und sie haben keinerlei Bedenken, mich morgen gehen zu lassen."

"Ich kann es kaum glauben. Ich dachte schon... Ich dachte schon, dass du..." Wieder traten Tränen in ihre Augen, als sie daran dachte, wie schlimm es hätte enden können.

"Denke gar nicht dran!", warnte William sie lächelnd und mit erhobenem Zeigefinger. "So leicht werdet ihr mich nicht los. Das Erbe wird warten müssen."

Wieder lachte Annika, während sie sich die Tränen wegwischte. Dann riss sie plötzlich die Augen weit auf.

"Ich habe von der Schule frei bekommen wegen dir", meinte sie und spürte einen Anflug von schlechtem Gewissen, weil der Grund für die extra freien Tage bei Weitem nicht so gravierend war, wie erst angenommen.

William lachte und schüttelte dann den Kopf. Da fiel Annika noch etwas ein.

"Oh, Jeff sitzt draußen und wartet. Oma hat ihn nicht zu dir lassen wollen, weil du angeblich so entkräftet warst."

"Das Weib ist manchmal unmöglich", hörte sie William murmeln, als sie aufstand, um den Chauffeur ins Zimmer zu holen. Überrascht sah sie zu ihm. Selig lächelnd sah auch er sie an. "Trotzdem ist sie meine große Liebe."

Bei den Worten wurde Annika ganz warm ums Herz. Diana konnte manchmal fürchterlich sein, worüber ihr Großvater sich durchaus bewusst war, doch trotzdem liebte er sie mehr als sich selber.

So eine Liebe wollte sie auch gerne einmal erfahren, dachte sie, als sie auf den Flur trat, und Jeff bat mit ihr mitzukommen.

___________________

Sorry, dass ich momentan für die Updates bissl länger brauche - aber ich benötige die Zeit, um den weiteren Verlauf genau zurecht zu legen^^ Es soll perfekt werden und ich habe mich noch nicht ganz entschieden, was genau wann passieren soll :D

Danke für eure Geduld aber :D

Tyskerfie <3

PS: Das neue, wundervolle Cover hat die liebe HeyGuys77 gemacht *-*

Spiel der LiebeWhere stories live. Discover now