Weihnachtsferien und William

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Womit hatte sie nur einen Kumpel wie Joe verdient? Alle ihre "Freunde" aus London hatten sie vergessen, seit sie auf die Carmelot-Schule ging. Hatte sie ein oder zwei Mal was von ihnen gehört? Traurig war sie darüber nicht, eher überrascht wie oberflächlich die Londoner High Society in Wirkilchkeit war.

"Danke, bin gespannt wie es ihm geht... Wenn du so eifersüchtig bist und dich langweilst, kannst du ja einfach schwänzen und dich zu mir gesellen", ärgerte sie ihn und wusste ganz genau, wie verlockend das Angebot für ihn war.

"Koffer ist schon gepackt, ich komme sofort!", erhielt sie kurz darauf seine Antwort und musste leise kichern.

"Aber mal im Ernst, ich will dich in den Ferien schon gerne sehen", schrieb Annika, da sie wusste, dass Joe mindestens zwei Wochen in der Hauptstadt verbringen würde.

"Alles für dich. Aber ich muss weiter zum Unterricht, Pause ist aus. Hab dich lieb, Schwesterchen!"

Wieder kicherte Annika. Sie fand es lustig, dass Joe diese Bruderrolle angenommen hatte, als wäre es selbstverständlich. Rebecca hatte ihr erzählt, dass Gerüchte herumschwirrten, dass sie und Joe etwas miteinander hätten. Aber das war zwischen ihnen nie auch nur ansatzweise eine Möglichkeit gewesen. Von Anfang an war irgendwie klar gewesen – ohne dass sie darüber gesprochen hatten – dass sie nur Freunde waren. Mehr nicht.

Außerdem war es nur eine Frage der Zeit, bis das, was zwischen Joe und Phoebe lief, ernster wurde. Dann würden alle Gerüchte über sie dementiert werden, ohne dass sie dafür etwas tun musste.

Im Grunde war es ihr aber eigentlich auch egal. Für sie zählte jetzt erst einmal die Gesundheit ihres Großvaters.

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Geraume Zeit später hielt der Zug endlich in London. Annika hievte ihren zentnerschweren Koffer aus dem Zug, machte ihre Winterjacke ganz zu und versuchte durch den leichten Nebel, der über der Stadt lag, zu sehen. Sie ging einige Schritte, als sie Jeffrey, den Familiechauffeur, erkannte, der suchend über den Bahnsteig blickte. Der eher wortkarge Mann erkannte sie und kam auf sie zu.

"Ach, Jeffrey", seufzte Annika erleichtert darüber, eine ihr wohlbekannte Person zu sehen und ließ sich von ihm in die Arme schließen.

"Schön Sie zu sehen, Miss", murmelte er und nahm daraufhin ihren Koffer. Obwohl sie sich ihr Leben lang kannten, beharrte er darauf, sie 'Miss' zu nennen, trotz zahlreicher Aufforderungen, sie beim Namen zu nennen.

"Mrs. Cullum wartet zu Hause auf Sie. Danach fahren wir ins Krankenhaus", erklärte er, während sie zum Auto gingen.

"Wie geht es ihm, Jeffrey?", fragte sie ängstlich. "Oma sagt nicht viel dazu."

"Ich weiß es nicht, Miss. Mrs. Cullum hat mich noch nicht zu ihm gelassen."

Annika sah Jeffrey fassungslos an. Das war einmal wieder typisch von ihrer Oma! Aufgebracht schnaubte sie und schüttelte den Kopf.

"Ich werde dafür sorgen, dass du ihn sehen kannst. Das verspreche ich dir", lächelte sie ihn aufmunternd an, als sie auch schon den Privatwagen erreichten. Annika setzte sich auf den Beifahrersitz, was Jeffrey mit einem amüsierten Grinsen quittierte. Ihre Oma würde ausflippen, wenn sie sah, dass sie nicht hinten saß – wie es sich gebührte.

Die Fahrt verlief wortlos, zu ängstlich war Annika über den Zustand ihres Opas. Sie ließ ihren Blick über die zahlreichen Weihnachtsdekorationen in den Straßen Londons streifen. Zig Lichterketten trugen dazu bei, dass ihre Stimmung sich ein klein wenig hob.

Zehn Minuten später stand sie vor der Wohnung, in der sie aufgewachsen war, und wartete darauf, dass Diana ihr aufmachte. Als die Tür aufging, hielt Annika den Atem an. Ihre Großmutter sah wie immer elegant und würdevoll aus, doch Annika konnte trotz dem dick aufgetragenen Make-Up die dunklen Augenringe erkennen, die so gar nicht in das Gesicht Dianas passten.

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