"Wieso erzählst du mir das alles?"

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Ich zuckte mit den Schultern. „Jack schnarcht."

„Welcher echte Mann tut das nicht?", grinste der Stecher.

Ich schwieg.

Der Mann neben mir atmete tief durch. „Ich glaube, ich habe dir noch etwas zu erzählen."

Irritiert sah ich ihn an. „Von gestern Nacht. Du hast mich gefragt, was ich in meinem Leben noch mache, außer Dinge zu verkaufen."

Ja, es viel mir wieder ein. Ich sah ihn weiterhin an. Warten darauf, dass er beginnt zu sprechen.

„Ich war nicht immer Pirat. Oder was auch immer ich jetzt bin. Immerhin lebe ich auf einer Pirateninsel." Er verankerte seinen Blick in die Holzidelen. „Ich bin eigentlich der Sohn reicher angesehener Leute. Ich führte ein, naja, für meine Familie normales Leben. Mein Vater fuhr immer hinaus auf die See. Ich wollte unbedingt mitkommen. Als ich endlich durfte, wurde das Handelsschiff von Piraten gekentert. Ich war zwar verängstigt, aber nicht blöd. Ich habe mich versteckt, bin in Tortuga gelandet und habe dort hart gearbeitet. Angefangen in einem der Läden zu arbeiten. Schließlich durch Stehlen mein Leben auferhalten. Bis ich aus dem ständigen Stehlen und verkaufen, ein kaufen und verkaufen machen konnte. Ich zum Händler wurde und mir ein Leben aufbaute. Ein leben auf einer Pirateninsel. Als kleiner Junge habe ich Piraten verabscheut. Sie betrügel, lügen und töten. Und jetzt, bin ich selbst kein Stück besser." Er machte eine kurze Pause. Hob schließlich den Kopf. „So spielt wohl das Schicksal."

Ich starrte ihn an. Erstaunt über seine Geschichte und verwirrt darüber, wieso er mir das alles erzählte. Er war also gar kein richtiger Pirat. Er war ein normaler Junge, der aus dem Unglück sein Glück gemacht hatte. Auch wenn er damit nicht so zufrieden scheint.

Ich zögerte. „Wieso erzählst du mir das alles?"

Der Stecher lehnte sich gegen die Reling und verschränkte die Arme. „Ich weiß nicht. Wahrscheinlich weil du anders bist. Du bist niemand aus Tortuga. Keine richtige Piratin. Keine Nutte. Du bist vielleicht sogar jemand wie ich." Er warf mir einen Seitenblick zu.

Wohl eher jemand mit einer noch verrückteren vorgeschichte...

„Und wieso... stichst du einige deiner Kunden ab? Wenn du eigentlich gar nicht so jemand bist?", wagte ich zu fragen.

„Du musste dir deinen Namen machen. Mittlerweile kennt fast jeder den Stecher. Und die bedeutung hinter dem Namen herauszufinden ist ja auch nicht allzu kompliziert. Es hat einfach damit begonnen, dass ich Kunden die mich selbst bestehlen, getötet habe. Damit habe ich keine Probleme. Und es ist nunmal meine Art keine Pistole zu nutzen. Mit den nächsten Hinterwältlern, rückte mein Name immer näher.", erklärte er.

„Wie heißt du denn in echt?", rutschte es mir heraus ehe ich mich aufhalten konnte. Ich wollte das gar nicht fragen. Er wird einen Grund haben, wieso ihn alle nur als den Stecher bezeichnen. „Du musst nicht antworten.", stotterte ich schnell hinterher.

Er schwieg. Die Wellen schwappten gegen das Schiff. Die Stille der Nacht legte sich über uns.

„Ich- ich denke zurzeit oft an meine Eltern.", wechselte ich das Thema. „Sie wissen nicht wo ich bin und ich will ihnen einen Brief schicken. Sie wissen lassen, dass es mir gut geht. Aber ich weiß einfach nicht, wie ich anfangen soll." Ich sehe den Mann neben mir nun mit ganz anderen Augen. Wie jemand, dem ich meine Probleme anvertrauen kann. Weil er sobald dieses Gespräch beendet ist, wieder verschlossen ist.

„Vielleicht denken sie, ich bin tot."

Der Stecher schwieg. Dann seufzte er und stieß sich von der Reling ab. „Du solltest ihnen einfach schreiben was du denkst und was du fühlst. Du kannst gar nichts Falsches schreiben, solange es von Herzen kommt." Er lief ein paar Schritte. „Und ich heiße Rick. Rick Rephoort."

Dann verschwand er unter Deck. Und ließ mich allein mit der Nacht und seinem Namen.

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Ich setzte ein kleines Herz an das Ende der Nachricht und legte die Feder ab. Das flackernde Licht der herunterbrennenden Kerze erhellte den Tisch. Das Pergament lag vollbeschrieben vor mir. Jack schnarchte noch immer. Nachdem Gespräch mit Rick... dem Stecher, hatte ich mich direkt an den Brief gesetzt. Denn er hatte recht. Ich konnte nichts Falsches schreiben, solange es von Herzen kam.

Ich begann, mir alles nocheinmal durch zu lesen.

Liebe Mama, lieber Papa,

ich bin's. Eure Tochter. Ich hoffte, dass diese weit gereiste Nachricht, schließlich bei euch ankommt. Ihr habt euch sicherlich mal wieder grundlos sorgen gemacht. Denn mir geht es gut. Mir ist nichts Schlimmes wiederfahren. Ich bin weder tot noch einfach abgehauen ohne euch bescheid zu sagen. Ihr wisst, dass ich so etwas nie machen würde. Ich lebe jetzt auf einem Schiff, erlebe immer wieder neue Abenteuer und habe meine wahre Liebe gefunden. Ich mag es hier sehr. Ich kann mir selbst immer noch nicht erklären, wie ich hierhergekommen bin. Ich habe aufgehört mich dies zu fragen. Und das Leben hier, bietet so viele möglichkeiten, die ich früher nicht hatte. Ich will, dass ihr wisst, dass es mir gut geht. Dass ich es hier liebe. Dass es hier Leute gibt, die auf mich aufpassen. Dass ich auf mich aufpassen werde. Ich will, dass ihr euch keine Sorgen macht und mit dem Wissen weiterlebt, dass eure Tochter eine unwahrscheinliche Möglichkeit bekommen hat, unglaubliche Dinge zu erleben. Dass ihr wisst, dass es mir gut geht. Versprecht mir, dass ihr euch keine Sorgen mehr um mich macht. Ich bin groß genug um auf mich aufzupassen.

Ich vermisse euch trotzdem.

Und ich werde euch nie vergessen.

Ich liebe euch.

Wer weiß, vielleicht sehen wir uns ja doch irgendwann wieder.

Und haltet mich nicht für verrückt, ich konnte es selbst nicht glauben, aber ich sende euch aus dem Achtzehnten Jahrhundert.

In liebe Melissa.

Lächelnd rollte ich das Pergament zusammen. Gähnend streckte ich mich und legte mich schließlich zu Jack in die Koje.

Fluch der Karibik - An der Seite des CaptainsWhere stories live. Discover now