Blutige Gefühle

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Völlig benommen und mit schmerzendem Körper blieb Annika auf dem Boden liegen und versuchte das Summen im Kopf abzustellen. Der Schiedsrichter hatte ein Stürmerfoul gepfiffen und danach die Zeit angehalten.

"Hey, Annika, alles klar?", vernahm sie Noras Stimme irgendwo neben ihr. Sie fasste sich an den Kopf und versuchte sich aufzurichten, als Nick plötzlich bei ihr war.

"Cullum, hey", sagte er besorgt und half ihr dabei sich aufzusetzen. Sie wischte sich mit der Hand über die Lippe, die danach mit Blut eingeschmiert war.

"Scheiße", murmelte sie.

"Kannst du aufstehen?", fragte Laurena sie in dem Moment, die auch angerannt gekommen war.

"Ja, ja, passt alles", nickte sie und versuchte sich aufzurappeln. Nick half ihr, indem er ihren Rücken stützte. Seine Berührung war angenehm. Vertrauenserweckend.

Als sie auf den Beinen stand und einen Schritt nach vorne machte, wurde ihr sofort schwindelig. Sie fiel zur Seite und wurde von Nick aufgefangen, der immer noch seinen Arm um ihre Taille geschlungen hatte. 

"Ganz ruhig", sagte er leise, nahm ihren Arm und legte ihn sich über die Schulter, während er sie immer noch festhielt. Sie klammerte sich an ihn, während sie vom Spielfeld humpelte. Ihr Knie tat weh, ihre Hüfte schmerzte, ihr Mund war voller Blut, ihr schwirrte der Kopf und es hämmerte in ihren Fingern.

"Soll ich sie raus bringen?", fragte Laurena Nick, doch er schüttelte den Kopf.

"Nein, das mache ich. Sandra soll auf halblinks Cullums Position übernehmen und schick Victoria auf halbrechts rein", sagte er und verfrachtete Annika aus der Halle. Sie humpelte zielstrebig auf das Bad zu, löste sich von Nick, um sich am Waschbecken abzustützen und spuckte das ganze Blut aus ihrem Mund in die Spüle. Sie hasste den metallischen Geschmack von Blut.

Ihr entging Nicks leicht angewiderter Blick nicht. Sie füllte Wasser in ihre Hände, spülte ihren Mund und machte danach das Becken sauber. Dann sah sie sich ihre lädierte Unterlippe im Spiegel an. 

"Verflucht", brummte sie und sah auf die riesige, aufgeplatzte Stelle. "Ich brauche Tape, so schnell hört das nicht mehr auf zu bluten." Sie riss Papier von der Handtuchrolle und drückte es auf ihren Mund.

"Du glaubst doch nicht, dass ich dich wieder ins Spiel schicke?", kam es hinter ihr von Nick. Sie sah ihn im Spiegel an und versuchte mit ihrem Blick gegen ihn zu kämpfen.

"Warum nicht?" Sie drehte sich zu ihm um, um ihn direkt anzusehen. 

"Weil es für mich sehr nach einer Gehirnerschütterung aussieht."

"Weil meine Lippe blutet?" Spöttisch zog sie die ein Augenbraue nach oben. Nick sah sie genervt an.

"Nein, weil dir schwindelig ist."

"Ich habe keine Gehirnerschütterung", stritt sie harsch ab. " Aber wenn hundert Kilo auf dich drauffallen würden, wärst du auch erst ein wenig benommen."

"Gut, dann können wir ja wieder rein." Nick machte ihr demonstrativ die Tür auf und sah sie abwartend an.

"Fein." Ein wenig angesäuert versuchte Annika einen sicheren Eindruck zu geben, als sie los ging. Im Türrahmen stützte sie sich noch ab, doch sobald sie auf sich alleine gestellt war, begann sich alles vor ihr zu drehen. Sie hatte kaum einen Schritt gewagt, da wurde ihr leicht schwarz vor Augen. 

Sofort spürte sie wieder Nicks Arme um sie. "Wie kann man nur so verdammt stur sein", murmelte er. 

"Sagt der Richtige", gab sie genervt zurück und blickte hoch, um ihm in die Augen zu sehen. Und auf einmal stand die Welt wieder still. Diese hellblauen Augen waren nicht genervt oder spöttisch auf sie gerichtet, sondern strahlten so viel Sanftheit aus, dass ihre Knie weich wurden, mehr als sie in ihrem schwachen Zustand eh schon waren. Und die kleinen Lachfältchen um seine Augen verrieten, wie amüsiert er war.

Sie fühlte sich in seinen Armen so verdammt wohl. Viel zu wohl.

Vorsichtig nahm er das Papier aus ihrer Hand, hob es und legte es zärtlich auf ihre Lippe, die immer noch blutete.

"Jetzt hörst du mir einmal zu, okay? Ich bringe dich..."

"Nicht ins Krankenzimmer", regte Annika sich sofort auf und schlug seine Hand mit dem Papier weg. "Ich muss nicht liegen, ich kann locker sitzen und außerdem will ich den Rest des Sp..."

"Cullum, hör mir zu", unterbrach Nick sie grinsend zurück. "Da ich mir schon dachte, dass du dich nicht damit zufrieden geben würdest, abgeschottet vom Geschehen deinen wunden Kopf pflegen zu müssen, werde ich dich wieder mit rein nehmen, dich auf die Bank setzen und dabei sein lassen. Aber sollte es dir schlechter gehen, sagst du es sofort. Okay?" Er legte wieder vorsichtig das Papier auf ihren Mund.

Seine ruhige, aber zärtliche Geste brachte Annika ganz durcheinander. Zögernd nickte sie, riss sich dann plötzlich aus Nicks Griff los und schnappte sich noch das Papier, das sie sich selber auf die Lippe hielt. 

Sie drehte sich langsam um und merkte, wie Nick wieder seinen Arm stützend um ihre Hüfte legte. Sie wackelte zurück in die Halle und wurde von ihm zur Bank gebracht, wo sie sich vorsichtig hinsetzte. 

"Ich brauche ein Pflaster und Tape", sagte sie noch zu ihm. Er nickte und warf einen Blick auf die Anzeigetafel. Vierzehn zu neun für das Carmelot-Team. St. Alberts hatte also ein wenig aufgeholt. 

"Wie läuft's?", fragte er Laurena, als er zum Erste-Hilfe-Koffer ging. 

"Die Mädels scheinen ein wenig geschockt zu sein. Victoria hat die zwei Tore für uns geschossen. Sie scheint sich auf halbrechts gut zu befinden." 

Er nickte, nahm Pflaster und Tape und ging vor Annika in die Hocke. "Wozu das Tape?", fragte er. Sie hielt ihm demonstrativ die linke Hand hoch. 

"Sie ist mir draufgetrampelt", kommentierte sie säuerlich. Ihre Stimme klang durch das Papier auf ihrem Mund dumpf. Nick schüttelte amüsiert den Kopf und begann ihren kleinen Finger und Ringfinger zusammen zu binden. Er machte es schnell und gründlich, behielt dann aber ihre Finger in seiner Hand und beobachtete sie nachdenklich.

Dann nahm er das Pflaster und blickte Annika in die Augen. Sie verstand den Wink und entfernte das Papier auf ihrer immer noch leicht blutenden Lippe. Vorsichtig machte Nick das Pflaster fest. Seine Augen wurden trotz des Lichtes in der Halle dunkler. Sie würde nur zu gerne wissen, was er gerade dachte. Seine Finger auf ihrer Lippe ließen sie eine Gänsehaut bekommen. 

Letzte Woche lagen seine Lippen darauf.

Sie atmete scharf Luft ein und Nick stand wieder auf, um sich seiner Aufgabe als Trainer zu widmen. 

Annika konnte sich nicht ganz entscheiden, ob sie das Spiel oder Nick betrachten sollte. Ihr Trainer faszinierte sie einfach und je mehr sie über ihn erfuhr, je besser sie ihn kennenlernte, desto interessanter wurde er.

Obwohl sie die letzten Tage unglaublich wütend auf Nick gewesen war, hatte seine Fürsorglichkeit gerade eben wieder ihr Herz schneller schlagen lassen. Eine Reaktion, die ihr eigentlich zuwider war.

Das Jubeln des Publikums riss sie aus ihren Gedanken und sie richtete ihren Blick wieder auf das Spiel vor ihr. Victoria hatte ein weiteres Tor erzielt und wurde für ihren Einsatz in ihrem Debüt gefeiert. 

Als sie jubelnd in die Abwehr zurück lief, suchte ihr Blick den Nicks und sie hob die Hand zu einer Faust. Als Annika ihren Kopf drehte und sah, wie ihr Trainer Victorias Lächeln stolz erwiderte, zog sich ihr Inneres leicht zusammen. Nur ganz leicht, aber sie spürte es.

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Wird man aus Nick schlau? Will er was von Annika...?

Tyskerfie <3

(Hach, 30K Reads verdient ein schnelles Update! Danke *-*)

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