Nächtliche Nässe

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"Schon okay, Cullum. Ich habe dir schließlich meinen Arm angeboten, schon vergessen?" Nicks leise Stimme ließ Annika entspannen. Natürlich hatte er ihre Reaktion wieder einmal mitbekommen. Sie erwiderte nichts und hielt ihren Blick auf die Flamme der Fackel gerichtet.

"Ich habe vorher jedes Wort ehrlich gemeint", vernahm sie dann Nicks Stimme. "Ich hoffe, du weißt das." Sie drehte den Kopf um ihn im Schein des kleinen Feuers zu betrachten. Seine Gesichtszüge waren komplett entspannt, die Wangenknochen traten durch das flackernde Licht deutlicher hervor als sonst und seine Haare wirkten wenn möglich noch schwärzer als die Nacht. Nicht zum ersten Mal dachte sie daran, wie gut aussehend er doch war.

"Danke", flüsterte sie dann.

"Damit folgt aber auch eine ganze Menge Verantwortung", sagte er ernst und drehte den Kopf um auch sie anzusehen. Lachend verdrehte sie die Augen.

"War ja klar, dass du gleich wieder versuchen willst, mich unter Druck zu setzen", kicherte sie.

"Das hast du durchschaut?" Der Schalk sprach in seiner Stimme.

"Du bist vielleicht doch durchschaubarer, als du denkst", neckte sie ihn. Nick war für sie in keinster Weise durchschaubar, sie konnte nichts in seinem Wesen, seinem Benehmen lesen. Er war ein Buch mit sieben Siegeln für sie.

"Ich denke, dass wir beide wissen, dass das nicht der Fall ist." Nick lächelte sie schief an und Annika blickte ihm nur in die Augen.

"Hey, ihr Trödler!", war von weiter vorne plötzlich die Stimme von Camille zu hören, woraufhin beide den Kopf abrupt nach vorne wandten. "Je schneller wir wieder zurück sind, desto schneller gibt's Kaffee und Nachtisch!", zwitscherte sie und drehte sich wieder zu Mike, der den Arm um sie legte. Sie waren wirklich ein wenig nach hinten gesackt, weshalb sie automatisch und ohne Absprache ihre Schritte beschleunigten.

"Du hast eine tolle Schwester", sagte Annika leise, als sie zu der Truppe vor ihnen aufschlossen.

"Ja, ich denke sie ist in Ordnung."

"Ich würde sagen mehr als in Ordnung." Annika hatte sich immer schon Geschwister gewünscht. Vor allem eine Schwester. Obwohl sie bei ihren Großeltern aufgewachsen war, die sich um sie gekümmert hatten, und ein gutes Verhältnis zu Peter, Rupert, Daphne und Matthew hatte, konnte sie sich manchmal schon ein wenig einsam fühlen ohne ihre Eltern. Es war einfach nicht natürlich, dass nicht sie sich um sie kümmerten. Hätte sie einen Bruder oder eine Schwester gehabt, hätte sie wenigstens einen richtig nahen Verwandten gehabt, mit dem sie ihre Sorgen, ihre Trauer, ihre Freude hätte teilen können.

"Hast du Geschwister?", fragte Nick sie, woraufhin sie nur den Kopf schüttelte.

"Leider nicht, nein." Sie starrte wieder in die Flamme der Fackel. Sie liebte Feuer, es faszinierte sie. Und es war unglaublich wie viel Wärme so eine kleine Flamme ausstrahlte.

"Hast du dich mittlerweile in der Schule gut eingelebt?" Annika spürte, wie Nick sie von der Seite beobachtete. Sie drehte den Kopf und musterte ihn. Wieso war er plötzlich so interessiert? So nett? Weil er sich langweilte und ihm keine Wahl, zumindest keine bessere Wahl blieb, als sich mit ihr abzugeben? Er erwiderte ihren Blick ruhig und abwartend. Seine Augen glänzten schwarz, schwarz wie die Nacht.

Sie spürte, wie sich plötzlich etwas tief in ihrem Innern veränderte. Als ob sich etwas in ihr löste, ein Kribbeln durch ihren Körper fahren ließ, ein Druck von ihrer Brust entfernt wurde. Nicks Blick brannte bis in ihre Seele und auf einmal konnte sie kaum atmen. Es fühlte sich an, als wäre die Luft von Feuchtigkeit schwer, als würde es jeden Moment zum Regnen anfangen und sie ertränken.

Zögernd nickte sie und wandte den Blick von ihm ab. "Ja, überraschenderweise habe ich mich schnell und gut eingelebt. Ich fühle mich wohl", sagte sie wahrheitsgemäß. Jetzt gerade aber, bei Nick untergehakt, fühlte sie sich in seiner Anwesenheit nicht wohl. Eine Rastlosigkeit nahm in ihrem Körper Platz und ihr wurde warm. Viel zu warm.

Spiel der LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt