ZWEIFELND.

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Das Summen meines Handys weckt mich. Die Sonne blendet mich, ich blinzle. Ich setze mich auf und suche mein Handy. Ich finde es unter meinem Pullover.

guten morgen, honey –R.

Honey. Honey! Gestern im Wald war es dunkel und kalt, doch seine warmen Hände waren überall. „Honey", hat er an meinen Lippen geflüstert. Honey. Ich mag den Klang des Wortes, wenn er es sagt. Ich mag, wenn er so sanft mit mir spricht. Die Schmetterlinge in meinem Bauch sind aufgewacht. Die Erinnerung hat sie aufgeschreckt und sie flattern aufgeregt mit den Flügeln. Was für ein Abend. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ich mich so schnell verlieben würde. Doch ich kann nicht anders. Von ihm geht eine unbeschreibliche Anziehungskraft aus. Er ist wie eine starke Strömung, wie ein reißender Fluss und ich möchte mich treiben lassen. Ich möchte mich mitreißen lassen und darauf vertrauen, dass ich nicht untergehe.

Ich schüttle den Kopf und klemme mir frische Klamotten unter den Arm. Ich gehe zu den Duschen und stelle mich unter den warmen Wasserstrahl, doch am liebsten würde ich seinen Duft für immer behalten. Ich dufte nach ihm. Nach Haselnuss und Zitrone. Ich fühle mich, als würde das Wasser seine Berührungen und die Erinnerung daran abwaschen. Ich will sie behalten. Nur dann glaube ich, dass es real ist. Nur dann kann ich mir sicher sein, dass wir zusammen sind. Doch mein Pfirsichduschgel überdeckt seinen Haselnussduft viel zu schnell. Ich stelle das Wasser ab und wickle mich in ein Handtuch.

Wenn ich Glück habe, ist das Frühstück schon vorbei. Dann kann ich behaupten, ich hätte verschlafen und keinen Hunger. Ich bin stolz auf meine Disziplin und merke die Fortschritte an meinem Körper. Ich schlüpfe in meine Jeans. Sie sitzt schon viel lockerer als noch vor einer Woche. Es ist ein schönes Gefühl, dass der Stoff nicht mehr an meiner Haut klebt. Bald werden mich alle um meine Figur beneiden. Und Raphael wird es toll finden. Ich stehe am Waschbecken und sortiere meine Kosmetik in meine Tasche, als es an der Türe klopft.

„Ja?", frage ich vorsichtig.

„Darf ich reinkommen?", ich erkenne seine dunkle Stimme sofort. Meine Schmetterlingshorde flattert jetzt stärker mit den Flügeln. Ich gehe zur Türe, atme tief durch und öffne sie. Er lehnt an dem wackeligen Geländer. Die Schmetterlinge fliegen los, sie fliegen eine extra Runde. Er steigt die letzte Stufe zu mir nach oben und zieht mich an sich.

„Guten Morgen", sagt er nahe an meinen Lippen. Er schließt die Türe hinter uns und lehnt sich dagegen. Ich bin süchtig nach seinem Duft, nach seiner Berührung, nach seinem Körper. Nach ihm.

Als wir den Bauwagen verlassen ist der Haselnussduft wieder da. Er hat sich wie ein zarter Schleier über meine Haut gelegt. Schweigend gehen wir über die Wiese. Er hat seinen Arm um meine Schultern gelegt. Ich entdecke Valerie am Anhänger ihres Autos. Raphael zieht mich noch näher an seine Brust. Valeries Augen werden groß, als sie uns entdeckt. Eine Sekunde steht sie still. Wie eine Statue. Dann springt sie in die Luft und klatscht in die Hände.

„AAAAwww!", quiekt sie und deutet erst zu Raphael, dann zu mir und wieder zu ihm. Ich muss lachen. „Echt?", fragt er und verdreht die Augen. „Ist das deine Reaktion?"

„Was denn?", fragt sie ironisch und zwinkert mir zu, weshalb ich nur noch lauter lachen muss.

„Ihr Weiber seid ja nicht ganz dicht", sagt er und lacht mit uns. Ich gebe ihm einen Klaps auf seinen Oberarm. Dennis kommt auf uns zu.

„Ja, sie dreht völlig durch wegen euch", sagt Dennis und rollt mit den Augen. Ich will nicht, dass wir das Gesprächsthema sind. Ich klammere mich an Raphaels Arm und lehne mich an ihn.

„Wir müssen Einkaufen gehen", sagt Dennis.

„Wir machen das!", schreit Valerie und reicht mir ihre Hand. Sie zieht mich von Raphael weg.

hold me tight.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt