thirty seven

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Nicht lange nach meiner Mutter, verabschiedeten sich auch meine Großeltern von uns. Sie umarmten selbst Erik zum Abschied, bedankten sich eintausend Mal bei ihm, dass er sie eingeladen hatte, bis sie letztendlich mit einem geliehenen Wagen davon fuhren. Auch Erik und ich wollten einfach nur nach Hause, weswegen wir uns nur fünf Minuten später im Auto befanden. Erik hatte sich um die Bezahlung gekümmert, aber ich konnte heraushören, dass meine Familie und er sich den gewaltigen Batzen teilten. Ich war mehr als erleichtert, dass der Abend, trotz der Anfangs nicht ganz so schönen Überraschung, gut verlaufen war. "Danke Erik...", murmelte ich und schaute zu dem jungen Mann neben mir. Er konnte seinen Blick nicht von dem Verkehr wenden, allerdings erkannte ich ein kleines Lächeln. "Anfangs war ich aber schon etwas wütend auf dich." Er musste Lachen und schüttelte kurz seinen Kopf.

"Hab ich gemerkt. Ich hatte Glück, dass das Restaurant so gut besucht war, richtig?"

"Richtig."

Nach nur wenigen Minuten Fahrt befanden wir uns wieder in dem bekannten Haus. Ich steuerte zielsicher auf das Schlafzimmer zu, während Erik im unteren Teil des Hauses noch irgendwas vorhatte. Schnell streifte ich mir mein Kleid von meinen Schultern und stellte die Schuhe ordentlich zu den restlichen Paaren. Ich machte mir gar nicht mehr die Mühe, das zu große T-Shirt von Erik anzuziehen, sondern schlüpfte direkt unter die Bettdecke und tauchte in die wundervolle Traumwelt ab.

***

Etwas nervös ging ich durch die Straßen. Dunkle Wolken verschleierten den blauen Himmel und der kalte Wind blies mir um die Ohren. Immer mal wieder streiften Menschen meinen Weg, die allerdings mehr mit sich selbst beschäftigt waren - an ihren Handys hingen. Manche zogen an ihren Zigaretten und machten sich keine Gedanken um die Mütter, die mit Kinderwägen durch die Menge streiften. Typische Stadtbürger eben, egoistisch und unbelehrbar.

Schneller als gedacht stand ich vor dem Café. Ich sah meine blonden Haare in der Glastür und meine vor Nervosität und kälte rot gefärbten Wangen. Die schwarze Mütze war mir fast in mein Gesicht gerutscht, weswegen ich sie viel zu schnell von meinem Kopf riss. Kurz darauf stemmte ich mein gesamtes Gewicht gegen die Tür, woraufhin ich in die Wärme des Raumes stolperte. Mein Blick wanderte über die älteren Damen, die an einem Tisch saßen und mich neugierig musterten, bis hin zu der braunhaarigen Frau hinter dem Tresen. Diese allerdings hatte mich noch nicht bemerkt. Mit langsamen Schritten begab ich mich zu ihr, woraufhin die braunen Augen auf meine blauen trafen. Ein professionelles Lächeln bildete sich auf ihren Lippen. ''Was kann ich für Sie tun?''

Mein Hals war wie zugeschnürt, weswegen ich mich kurz räuspern musste. Zweifel kamen in mir auf. Zweifel an meinen Deutschkenntnissen. Zweifel daran, ob das überhaupt das Richtige für mich war. ''I-ich uhm...'' Ich schüttelte meinen Kopf, als sich mein Gehirn gegen weitere Wörter sträubte. ''Ich würde mich gerne als Aushilfe bei Ihnen bewerben.'' Ein Ausdruck von Überraschung lag auf ihrem Gesicht, während ihr Mund leicht aufklappte. Sie musterte mich genau, was mir fast schon unangenehm war, bevor ihre Gesichtszüge wieder weicher wurden.

''Dann komm mal mit, ich stell dich unserem Chef vor.'' Sie deutete mir, dass ich um den Tresen herum gehen sollte, bevor sie hinter einem weinroten Vorhang verschwand. Ohne irgendwas von mir zugeben folgte ich ihr, durch den langen Flur, an einer Treppe vorbei, bis hin zu einem Büro. Ein junger Mann mit braunen, gut gepflegten Haaren schielte hinter seinem Computer vorbei. Verwirrt wanderte sein Blick von meiner unbekannten Begleitung zu mir. ''Fabian, das ist-''

''Rebecca.''

''-Rebecca. Sie ist wegen des Aushilfsjob hier.'' Ich konnte beobachten, wie sich der sogenannte Fabian in seinem Stuhl zurück lehnte, während ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen lag. Ohne ein weiteres Wort zu sagen verließ die Braunhaarige den Raum, ließ mich alleine mit dem Chef zurück, der mir kurz darauf einen Platz anbot. Dankend ließ ich mich auf den Stuhl fallen.

''Also Rebecca. Wieso willst du denn bei uns arbeiten?'' Interessiert blickte er mir in die Augen, immer noch mit dem freundlichen Lächeln im Gesicht. ''Du siehst mir noch sehr jung aus. Wir brauchen eine Aushilfe, die morgens hier die Stellung hält. Wenn du zur Schule gehst, können wir dich hier leider nicht einstellen...''

''Oh nein, ich gehe nicht mehr zur Schule.'' Ich schüttelte meinen Kopf, war mir nicht sicher, ob ich seine Aussage als Kompliment oder Beleidigung auffassen sollte. ''Wieso ich hier arbeiten möchte?'' Mehrere Gedanken huschten mir durch den Kopf. Wahrheit oder Lüge? Wenn ich die Wahrheit sagen würde, könnte er mich aus Mitleid einstellen. Aus Angst, dass ich hier nicht überleben würde. Und wenn ich log? Na ja, ich war noch nie wirklich gut im Lügen, würde mich früher oder später so verplappern, dass alles aufflog und ich gefeuert werden würde. ''Ich brauche diesen Job. Das ist so ziemlich das einzige, was ich hin bekommen würde. Verstehen Sie mich nicht falsch: Kellnern ist wirklich nicht einfach! Aber ich habe, seit dem ich klein bin, mit Leuten zu tun. Irgendwie kann ich mir nichts anderes mehr vorstellen... Es liegt in meiner Familie, aufgeschlossen zu sein.''

''Du brauchst mich nicht siezen!'', lachte der junge Mann. ''Deine Familie stammt nicht aus Deutschland, richtig?''

''Ich bin in Amerika geboren.'', antwortete ich, durchaus überrascht, dass er auf jegliche Höflichkeitsform verzichtete. ''Aber mittlerweile komme ich in Deutschland wirklich gut zurecht.'', lächelte ich.

''Das könnte interessant werden. Eine amerikanische Bedienung hatten wir hier noch nie.'' Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, bevor er mich wieder genau musterte. ''Und wieso hast du, seit dem du kleiner bist, mit Leuten zu tun? Haben deine Eltern auch ein Café? Nur eben in Amerika?''

''Ja, also, sowas ähnliches.'', murmelte ich. Wenn ich sagen würde, dass sie ein Hotel besaßen, würde man mich doch sofort in eine Schublade stecken. Ich wollte so behandelt werden, wie jeder andere und nicht mit Samtpfoten angepackt werden. Außerdem wusste ich nicht, wie meine Kollegen darauf reagieren würden. Im schlimmsten Fall würden sie mich wahrscheinlich vollkommen ausschließen, weil sie von mir denken würden, ich würde mich für was besseres halten.

''Du hast den Job!'' Meine Augen wurden größer. ''Du beginnst morgen um neun, okay?''

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