fourteen

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Erik nickte, bevor Mats nach meinem Koffer griff. ''Wir nehmen dein Gepäck mit, okay? Erik's Zimmer ist im fünften Stock, Nummer 476. Wenn wir noch nicht am Auto sein sollten, sind wir dort.'', erklärte Mats, woraufhin ich ein 'Alles klar' murmelte und fast schon zu den Treppen losstürmte. Das hier handelte sich nur noch um Minuten. Mein Vater würde jetzt schon vor dem Laptop sitzen und darauf warten, bis er mein Konto sperren konnte. Jetzt, in dieser Situation auf den langsamen Fahrstuhl zu warten, kostete nur unnötig Zeit, die ich in diesem Moment nicht hatte.

Ich hüpfte die letzten Treppenstufen hinunter, bis ich fast schon durch die Lobby stürmte, an den vielen Angestellten vorbei, die mich kannten. Es war mir schon fast unangenehm, dass sie mich so sehen mussten. Meine aufgeplatzte Lippe war unübersehbar, während ich mir mein blaues Auge beim Arzt noch etwas überschminken konnte. Geistesgegenwärtig zog ich mir die Heels von meinen Füßen, als ich in der Dämmerung Las Vegas' stand. Erleichtert atmete ich auf, als ich am nächsten Bankautomaten keinen Menschen sehen konnte. Ich spürte den aufgehitzten Asphalt unter meinen nackten Füßen, als ich meine Karte einschob. Betend schloss ich die Augen. ''Oh bitte lass es noch  klappen, bitte.'', flüsterte ich, als ich vorsichtig meine Augen wieder öffnete. Mein Herz machte einen Hüpfer. Schnell tippte ich meinen Pin ein und tippt auf den Knopf, auf dem ziemlich klein 'gesamtes Geld' stand. Erleichtert, dass die Leute solch einen Knopf extra für die Bankautomaten in Las Vegas eingebaut hatten, steckte ich mir die vielen Banknoten in meinen Geldbeutel, den ich daraufhin wieder ziemlich weit unten in meiner Tasche verfrachtete. Mein Schuhe, die ich neben mich gestellt hatte, wanderten wieder an meine Füße, als ich mich wieder auf den Weg zum Auto machte. Ich war deutlich erleichtert, dass ich zunächst nicht auf der Straße leben musste, obwohl mir auch bewusst war, dass die knapp dreißigtausend auch nicht ewig erhalten blieben würden. Von Tag zu Tag würden die Scheine weniger werden. Ich brauchte einen Job.

''Hey du!'' Ich zuckte zusammen, als eine laute Stimme an mein Ohr drang. Sicher, dass diese Person nicht mich meinte, schritt ich meinen Weg weiter. Um mich herum waren so viele Menschen, es war schon fast unmöglich, dass jemand ausgerechnet mich meinte. Zumal mir diese Stimme nicht bekannt vorkam.
Ich wollte gerade die Straße überqueren, als mich eine Hand an meinem Unterarm packte und mich in meinem Tun stoppte. Eigentlich spielte ich mit dem Gedanken wie eine Verrückte um mich zu schlagen, hatte an diesem Tag schon genug schmerzhaftes erlebt, doch als ich mich zu der Person drehte, wurde mir bewusst, dass das nicht nötig zu sein schien. ''Du bist doch die Tochter von Mary: Rebecca, richtig?'' Ich entriss ihm meinen Arm und entfernte mich zwei Schritte von ihm, wollte diesem Mann nicht wirklich nahe sein. Seine Augen glitten über mein komplettes Gesicht und blieben letztendlich an meinen Lippen hängen, woraufhin er mich fragend ansah. ''Vorhin sahst du noch nicht so aus... Was ist passiert?''

''Was wollen Sie von mir?'' Meine Mimik war gelangweilt, als ich auf den Anzugträger vor mich starrte. Was suchte er hier? ''Gehen Sie doch einfach wieder zu ihrer kleinen, glücklichen Familie und kümmern Sie sich um Mom - sie wird Ihre Hilfe sicherlich gebrauchen.''

Ein Seufzen verließ seinen Mund. ''Es war nicht die schönste Art, wie wir aufeinander gestoßen sind, ab-''

''Nicht die schönste Art?'' Ich schüttelte meinen Kopf, während sich fast schon ein ungläubiges Lächeln auf meinen Lippen bildete. ''Wie haben Sie sich das Ganze denn vorgestellt? Dass ich Sie mit offenen Armen in der Familie willkommen heiße?'' Die grünen Augen meines Gegenübers schauten genau in meine Blauen. Ich wusste, dass er meine Verzweiflung, meinen Schmerz und meine Trauer erkennen konnte. ''Auch wenn es mir wirklich sehr für den Kleinen leid tut, wird das nie der Fall sein, aber Sie brauchen nicht meinen Segen, um sich weiterhin mit meiner Mutter zu treffen. Sie sind beide alt genug.'' Meine Augen wanderten über die Gesichtszüge des jungen Mannes. Ich konnte mich zwar täuschen, allerdings sah er höchstens aus wie 28. Entweder er hatte sich gut gehalten oder er war wirklich noch so jung. Wieso gab sich solch ein Mann mit einer 46-Jährigen ab? Er könnte so viele junge Mädchen haben... ''Ich hoffe wirklich, dass Ihr Sohn eine bessere Kindheit erlebt, wie ich. Lassen Sie ihn nie allein, meine Mutter würde ihn an irgendeine Nanny abschieben. Er würde die komplette Bindung zu Ihnen verlieren, vertrauen Sie mir.'' Ich wusste selbst nicht, wieso ich so plötzlich normal mit ihm redete, vielleicht trübte mich die Tatsache, dass meine Mutter ein weiteres Kind in die Welt gesetzt hatte. Vielleicht wollte ich nicht, dass meinem Halb-Bruder das selbe Schicksal drohte. ''Viel Glück mit Ihrer kleinen, glücklichen Familie - Sie werden es brauchen.'', lächelte ich, spürte allerdings schon, wie mir die Tränen in den Augen standen. Ich drehte auf meinem Absatz um und ging über die Straße. Einige Leute, die mich ziemlich genau musterten, kamen mir entgegen, weswegen ich mir kurz über meine Augen strich und somit versuchte, die Tränen zu verbergen. Wie das alles wohl aussah... Ein verletztes Mädchen rannte allein, ziemlich verzweifelt und den Tränen nahe, Nachts durch die Großstadt. Man könnte fast schon denken, ich sei Opfer eines Missbrauchs geworden. Aber würde irgendjemand anhalten und sich wegen meines Zustands erkundigen? Wohl kaum... Man war in dieser Stadt immer auf sich allein gestellt. Kein Schwein interessierte sich für einen, wenn man kein Prominenter war.

Ich atmete erleichtert auf, als ich Erik und Mats schon von weitem am Auto stehen sah. Dass sie schon fertig waren, Erik's Sachen zu packen, erleichterte mich ziemlich. Ich musste nicht mehr in dieses Hotel und all den bekannten Leuten über den Weg laufen, konnte ohne ein weiteres Mal das Gebäude betreten zu müssen einfach verschwinden. Ein leichtes Lächeln lag auf Erik's Lippen, als er mich sah. ''Da bist du ja endlich, wir haben uns schon Sorgen um dich gemacht!''

14/10/2015

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