twelve

844 31 3
                                    

Es wirkte, als hätten ihm meine Worte die Sprache verschlagen. Fast schon wie ein Häufchen Elend saß er auf seinem Stuhl und schaute mich, ohne jegliche Gefühlsregung, an. ''Wie kommst du auf solch einen Schwachsinn, Rebecca?'' Emotionslos starrten seine Augen in meine, was mich schwer schlucken ließ. Er glaubte mir nicht? Warum?

''I-ich'' Ich räusperte mich. ''Ich habe es gesehen, habe selbst noch mit ihr geredet. Sie hat einen kleinen Sohn, Dad, vielleicht drei oder vier.'', meinte ich ruhig. An meinem Vater jedoch schien das alles, anders als erwartet, fast schon abzuprallen. Er stand ziemlich ruhig von seinem Stuhl auf und türmte sich vor mir auf. ''Sie ist mit einem Mann zusammen, der vielleicht Ende zwanzig ist... Sie sehen ehrlich gesagt auch ziemlich glücklich aus. Dad, ich will nicht, dass du weiterhin nichts dav-'' Ich wurde von Schmerz an meiner linken Wange unterbrochen. Aus Reflex legte ich meine Hand auf die pochende Haut, die fast schon unangenehm brannte und schaute in das wutentbrannte Gesicht meines Vaters, seine Hände hingen zu Fäusten geballt an seiner Seite. Hatte er mich geschlagen? Panik brach in mir auf, als er einige Schritte auf mich zu kam. Unbeholfen stolperte ich zurück, wollte Abstand gewinnen, allerdings waren seine Schritte größer und so musste ich mit entsetzen feststellen, dass er mich an meinem Handgelenk festhielt.

Bevor ich überhaupt realisieren konnte, was er mit mir vorhatte, landete ein weiterer Schlag in meinem Gesicht. Unglaublicher Schmerz ging von meinem Kiefer aus, ich schmeckte Blut, als ich auch schon den nächsten Schlag spürte. Meine Beine sackten unter meinem Gewicht zusammen, während ein Wimmern meine Kehle verließ. Eine warme Flüssigkeit lief meine Schläfe entlang, bevor sich auf den Fliesen kleine, rote Tropfen versammelten. ''Ist dir überhaupt klar, was für einen Scheiß du da von dir gibst?!'', brüllte die Stimme des Mannes, den ich eigentlich dachte zu kennen. Tränen flossen mir meine Wangen entlang, während ich zitternd auf weitere Schmerzen wartete. ''Wie konnte aus dir nur sowas werden?'' Ich traute mich nicht aufzuschauen, zitterte am gesamten Körper, während die schwarzen Schuhe meines Vaters vor mir ruhten. Angestrengt versuchte ich gegen die aufkommende Schwärze zu kämpfen, als mich zwei Hände an meinen Haaren hochzogen. ''Schau mich an, wenn ich mit dir rede!'' Die Schreie meines Vaters ließen meine Schluchzer nur lauter werden. Warum tat er sowas? Warum schlug er seine eigene Tochter? Ich wollte ihm doch nur helfen...

Ich beobachtete, ohne mich zu wehren, wie mein Vater erneut seine Faust hob. Verängstigt schloss ich meine Augen, wollte mich schon fast ducken und auf den unerträglichen Schlag warten, als der Griff um meine Haare lockerer wurde. Schluchzend brach ich zusammen, vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Meine Schmerzen schienen von Sekunde zu Sekunde schlimmer zu werden, wobei ich sagen muss, dass dieser nicht von den sichtlichen Verletzungen kam. Viel mehr brannte es in mir drin. Das Gefühl, dass sich meine Familie gegen mich wendete verursachte in mir schwere, seelische Schmerzen, die mich von innen aufzufressen drohten.

Ein leiser aber dennoch intensiver Schrei verließ meine Kehle, als ich zwei Arme um mich spürte. Hatte mein Vater noch nicht genug? Hatte er mich nicht genug gedemütigt? Fast schon müde versuchte ich mich loszureißen. ''Oh Gott, Becca.'', keuchte eine Person auf, mit der ich am aller wenigsten gerechnet hatte. Mein Griff um die Handgelenke wurde leichter, als ich endlich auch wahrnehmen konnte, wer vor mir stand. Er durfte nicht hier sein. Mein Vater würde ihn genau so schlagen, wie mich. Panisch schaute ich mich im Raum um, versuchte den Widerling auszumachen, fand allerdings keine weitere Person. In dem Raum schienen nur Erik und ich zu sein. ''Shhhh, ich bin bei dir.'', flüsterte Erik, als eine Reihe von Schluchzer meine Kehle verließ.

''E-er-'' Ich schloss meine Augen, wollte nicht, dass weitere Tränen meine Wangen hinunter liefen, was allerdings nicht wirklich funktionierte. ''Er hat mich g-geschlagen.'', stotterte ich und konnte für einen Moment selbst nicht glauben, welche Worte meinen Mund verließen. Niemals hätte ich erwartet, dass der Mann, der mich aufzog, zu sowas fähig war. Ich versuchte Eriks Gesichtszüge zu erkennen, allerdings war meine Sicht zu verschwommen. Einzig und allein seine Berührungen konnte ich wahrnehmen. Vorsichtig strich er über meine Schläfe, meine Wange entlang, bis hin zu meinen Lippen.

Ein Seufzen war zu hören. ''Wie kann man so herzlos sein und solch einen wundervollen Menschen wie dich so zurichten?'', flüsterte er, woraufhin ich meinen Blick abwendete. Unbewusst versuchte ich meine Lippe zwischen meine Zähne zu nehmen, zuckte kurz darauf allerdings zusammen. Der metallische Geschmack von Blut lag erneut auf meiner Zunge. ''Du musst ins Krankenhaus, Becca.''

***

Ich kämpfte mit der Müdigkeit, als ich an Eriks Schulter lehnte und dem Arzt dabei zu sah, wie er irgendwas aufschrieb. ''Mrs Durm, ich weiß, dass Sie mir davon am Liebsten nichts erzählen wollen, aber diese Verletzungen kommen nicht von einfach so.'', meinte er, woraufhin meine volle Aufmerksamkeit wieder dem Mann in weiß galt. Er schaute von mir zu Erik, der mir immer wieder beruhigend über meinen Rücken strich. ''Sie wurden geschlagen und ich bin gezwungen eine Anzeige zu schalten. Zur Not auch gegen Unbekannt.''

''Nein, das ist nicht nötig...'', flüsterte ich und setzte mich wieder aufrecht hin. ''Das war nur eine kleine Streiterei mit einer Bekannten, wir werden ab jetzt sowieso keinen Kontakt mehr haben.'' Ich nahm ein unzufriedenes Seufzen von Erik wahr, der daraufhin seinen Kopf schüttelte.

''Also gut.'' Der Arzt stand von seinem Stuhl auf, woraufhin Erik und ich uns ebenfalls erhoben. ''Wenn Sie sich doch noch entscheiden, eine Anzeige zu machen, wenden Sie sich doch bitte an die Polizei - ich kann es Ihnen wirklich nur raten.'', meinte er und hielt mir seine Hand entgegen, die ich kurz darauf auch zum Abschied schüttelte. ''Und wegen der Fäden... Kommen Sie doch bitte in einer Woche wieder, dann schau ich, ob die Wunde schon zu ist und wir sie ziehen können. Auf Wiedersehn, Mr und Mrs Durm und gute Besserung!'' Ohne ein weiteres Wort verließ er den Raum, woraufhin auch Erik und ich in den Flur traten.

Ich konnte nicht richtig wahrnehmen, was danach passierte. Meine Gedanken kreisten nur um das, was als nächstes Geschehen sollte. Sollte ich wirklich wieder in die Wohnung zurück? In die Wohnung, in der mein Vater vielleicht schon auf mich wartete?

30/09/2015

MarriedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt