twenty one

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Fast sprachlos starrte ich ihn an, doch mit jedem Atemzug schien meine Trauer zu verschwinden und verwandelte sich in unglaubliche Wut. ''Du willst mich doch verarschen!'', schrie ich. Weil ich nicht weiterhin so nah bei ihm sein wollte, kletterte ich aus dem Bett und verschränkte meine Arme vor meiner Brust. ''Fick dich einfach, Erik. Wieso wirfst du mir so 'ne Scheiße an den Kopf?'' Mir war klar, dass ich hier niemanden mehr hatte, aber das so unter die Nase gerieben zu bekommen von einem Menschen, dem man die ganze Zeit eigentlich vertraut hatte, tat weh. Es versetzte mir einen Schlag in meine Magengrube.

Ich schnaubte, als Erik ebenfalls aus dem Bett kletterte. Zuerst schien es, als würde er aus dem Schlafzimmer gehen wollen, aber kurz vor der Tür wurde mir klar, dass er auf mich zusteuerte. Bevor ich überhaupt reagieren konnte stand er nur noch wenige Zentimeter von mir entfernt. Mir war die Nähe in diesem Moment alles andere als recht, weswegen ich einige Schritte nach hinten ging, allerdings ließ sich Erik davon nur wenig beeindrucken und ging sofort wieder auf mich zu. ''Ich hab mich jetzt drei Wochen lang um dich gekümmert, sowas wie 'ne Bindung zu dir aufgebaut. Denkst du wirklich es geht spurlos an mir vorbei, wenn du mir hiermit zeigst, dass du kein Bock mehr auf mich hast?''

''Oh, halt die Klappe, Erik. Du weißt genau, dass mein Entschluss nichts mit dir zu tun hat!'', fauchte ich. Er schien im ersten Moment nicht zu begreifen, was ich zu sagen versuchte. ''Ich würde liebend gerne hier weg, wirklich.'' Mein Körper war immer noch angespannt, während Erik sich langsam beruhigte. ''Aber ich kann nicht!''

''Warum nicht?''

''Ich bin hier aufgewachsen. Stell du dir mal vor jemand kommt auf dich zu und macht dir dieses Angebot! Egal, wie viel mir hier passiert ist: Es ist und bleibt meine Heimat, verstehst du das denn nicht?'' Meine Stimme wurde zum Ende des Satzes hin immer leiser, woraufhin ich beobachteten konnte, wie Erik's Gesichtszüge immer weicher wurden. ''Das ich vorhin nein gesagt habe, hat nichts mit dir zu tun. Im Gegenteil: Gerade wegen dir würde ich mitgehen.'' In meinen Augen bildeten sich Tränen, als ich an all das dachte, was früher passiert ist. Meine Kindheit war schön. Auch wenn ich meine Eltern kaum gesehen hatte. Meine Nanny hatte mir das komplette Leben versüßt. Mir fielen wieder die Internate ein und die Sommerferien, die ich wieder bei meinen Eltern verbracht hatte und an die vielen Ausflüge zusammen mit meinen Großeltern. Eigentlich konnte ich mich glücklich schätzen. In anderen Familien mussten sie für solch ein Leben kämpfen und mir? Mir wurde es in die Wiege gelegt.
Erst, als ich an die letzten zwei Jahre dachte, wurde mir übel. Mein Leben hatte sich komplett verändert. Allerdings ins Negative. Ich stand nur noch jeden Morgen auf, mit der Gewissheit, dass ich meine Eltern mehrere Tage nicht sehen würde. Meine Großeltern waren mehr auf sich konzentriert - was natürlich auch logisch war: Sie waren beide älter geworden und wollten jede Sekunde, die sie noch für sich hatten, ausnutzen - und dann geschah das, womit ich in meinen schlimmsten Alpträumen nicht gerechnet hatte: Meine Mutter hatte eine zweite Familie, mein Vater schlug mich und zwang mich somit schon fast, von zu Hause abzuhauen. Und jetzt saß ich Kilometer weit entfernt von meiner Familie in einem völlig unbekannten Hotel zusammen mit einem jungen Mann, den ich gerade erst seit drei Wochen kannte , war mit diesem Mann verheiratet und hatte ihm meine Jungfräulichkeit geschenkt.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als sich zwei starke Arme um mich schlangen. Der Geruch eines bekannten Parfüms stieg mir in die Nase, während ich einen gleichmäßigen Herzschlag wahrnehmen konnte. ''Es tut mir leid.'', flüsterte Erik. Sein Atem prallte gegen meine Stirn, was Gänsehaut auf meiner Haut bilden ließ. Erst jetzt bemerkte ich die salzige Flüssigkeit, die sich bis zu meinen Lippen bewegt hatte. Ich weinte. ''Das letzte, was ich wollte, ist dich zu verletzen, Becca.'' Mein Herz schien einige Schläge auszusetzen, als ich die Traurigkeit, die sich in seiner Stimme widerspiegelte, wahrnahm.

''I-ihr fliegt schon in drei Tagen, richtig?''

Erik entfernte sich etwas, um auf die Uhr zu schauen, die im Schlafzimmer angebracht war. ''In zwei Tagen und drei Stunden...'' Seine Augen wanderten zu seiner Hand und ohne zu überlegen wusste ich genau, auf was sein Blick gerichtet war. ''Wir kümmern uns morgen um die Scheidung, einverstanden?''

''Nein.'' Ich konnte beobachten, wie sich in Erik's Gesicht ein Fragezeichen bildete und musste mich beherrschen, nicht laut loszulachen. Er war so niedlich. Ohne ein Wort zusagen kletterte ich wieder in das Bett und legte die nun deutlich ausgekühlte Decke über mich. ''Wir kümmern uns darum, wenn wir wieder in Deutschland sind - finde die Idee irgendwie besser, sorry.''

''In Deutschland?'' Erik's Stimme überschlug sich fast, was mich zum Grinsen brachte.

Um die Spannung zuhalten, antwortete ich eine Zeit lang nicht, bis ich merkte, das Erik langsam aber sicher sauer wurde. ''Wenn es dir nichts ausmacht, dann würde ich mir ein Flugticket kaufen und würde dir weiterhin auf die Nerven gehen. Ich meine was hält mich hier?'' Ich grinste, als Erik zunächst verwirrt zu sein schien, danach aber relativ schnell begriff. Seine Augen wurden größer, während er fast wie versteinert einfach nur da saß. Ich konnte mir nicht helfen und musste lachen. ''Ich dachte wirklich du würdest dich freuen, Durm.''

''Das tu ich.'', flüsterte er und zog mich zu sich. Bevor ich überhaupt reagieren konnte befand ich mich auf seinem Schoß, während seine Hände auf meiner Hüfte lagen. Etwas verwirrt schaute ich ihm in seine Augen, woraufhin er derjenige war, der zu Grinsen begann. ''Weißt du eigentlich, dass ich kein Doppelbett habe? Wenn du bei mir wohnen willst, musst du dich an eine solche Schlafposition gewöhnen.''

Ich lächelte und fuhr ihm einmal durch seine Haare, was er mit einem Grummeln kommentierte. ''Idiot.''

02/12/2015

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