one

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Meine Augen streiften über das Schild, das wegen der vielen, bunten Lichter in kleineren Städten sicherlich auffallen würde. In Las Vegas jedoch war es nur eines von vielen. Ein weiteres Werbeplakat, das Besucher anlocken soll. Ein Plakat, welches das Bild von Vegas nur noch mehr verdeutlichte. Für mich war das alles normal. Ich lebe seit dem ich denken kann in dieser Stadt in dem Hotel meiner Großeltern. Für einige mag dies wie ein Traumleben klingen, andere würden jedoch alles dafür tun, um hier nicht wohnen zu müssen. Ich gehörte wohl zu der zweiten Sorte. Auch wenn ich es nie von mir gab, hasste ich diese Stadt. Ich hasste die Prominenz, ich hasste den Medientrubel und ich hasste es, dass diese Stadt als so wundervoll und problemlos dargestellt wurde. Ich hasste mein Leben.

''Mama was machen die da?'', quiekte ich und deutete auf den großen Fernseher vor mir. Zwei Jungen sprangen auf einem großen, leeren Platz umringt von Grünzeug herum, rannten sich hinterher und lachten. Ein großer Hund huschte an ihnen vorbei und kam wenig später mit einem Stock in dem Mund zurück. Mit erhobenem Kopf stolzierte er in etwas, was mir völlig unbekannt war. Ähnlich wie ein Haus, konnte aber auch ein Auto sein. Eine fahrende Wohnung? Gebannt starrte ich auf die Frau, die kurz darauf eingeblendet war. Sie trug eine abgenutzte Jeans, ein kariertes Hemd und schwarze Stiefel. Ihre glanzlosen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. Wie gefesselt beobachtete ich den Fernseher und den darin laufenden Film, bis plötzlich das Bild schwarz wurde.

''Schwachsinn. Ihr Leben vergeuden.'' Die blonden Haare meiner Mutter, die in leichten Wellen über ihre Schultern fielen, gewannen meine Aufmerksamkeit, während sie in einer schwarzen Tasche kramte. Ich schnaubte kaum hörbar, als ich nach der Fernbedienung suchte. Das, was in dem Film ablief, sah für mich nicht schwachsinnig aus. Ich hatte noch nie in meinem Leben eine solche Familie gesehen. In was hausten sie überhaupt? Das alles sah sehr beengt aus. Anders, als unsere Wohnung.

''Aber die spielen Fangen, Mami, warum dürfen die das? Du meintest doch, dass man dadurch blöd wird. Achten die Mama oder der Papa von denen nicht darauf?'' Ich warf meinem Spiegelbild im dunklen Fernseher einen verwirrten Blick zu, bevor das Lachen meiner Mutter den Raum erfüllte. Gespannt wartete ich auf eine Antwort, die allerdings nicht kam. ''Oder macht es an dem Ort, wo die sind, nicht blöd? Ich will dahin! Können wir da mal irgendwann hin? Och bitte Mami..''

Meine Mutter richtete sich auf und kam auf mich zu. Sie strich mir kurz über meine schulterlangen Haare. ''Jetzt redest du Schwachsinn, mein Kind. Das ist was für arme, unkultivierte Leute, weißt du?'' Meine Mundwinkel verzogen sich nach unten. ''Also, schnapp dir deine Sachen, du gehst jetzt zu Lindsay. Mama und Papa haben noch einiges zu tun. Vielleicht hast du ja Glück und die Kleine, wie heißt sie noch gleich? Du weißt schon.. Die Blonde, 4-jährige, mit der du so viel Spaß hattest.. Jedenfalls: Vielleicht ist sie auch da.''

Müde streifte ich mir meine Bluse von meinen Schultern und schlüpfte in das pinke Nachthemd. Ich mochte es gar nicht, hatte immer wieder versucht es loszuwerden. Aber so gutmütig, wie meine Mutter war, hatte sie mir immer wieder das Selbe nachgekauft. Egal, wie sehr ich versuchte, den Stoff nicht hochwertig erscheinen zu lassen, sie verteidigte den Designer vehement und unterstützte ihn in allen Sachen. Nannte die immer wieder auftauchenden Risse, die ich eine Zeit lang selbst hinein geschnitten hatte, Unfälle der Näherinnen und gab immer wieder die knapp 80 Euro aus. Und ich, als liebe, kleine Tochter abgestempelt, musste all dies ohne Widerworte über mich ergehen lassen. Dabei wollte ich einfach mal einen kuscheligen Schlafanzug mit kleinen Kätzchen. Oder einfach ein zu großes, normales, schwarzes T-Shirt.
Allerdings konnte und durfte ich mir solch einen, für meine Begriffe, Luxus nicht leisten. Ich musste nach der Pfeife meiner Eltern tanzen. In jeglicher Hinsicht.

***

''Sie müssen aufstehen, Rebecca!'' Ich hörte, wie der große Vorhang in meinem Zimmer aufgezogen wurde und sich wenig später eine junge Dame neben mein Bett stellte. Müde schlug ich meine Augen auf, vergrub mein Gesicht allerdings sofort wieder in den Kissen meines Bettes. ''Ihre Großeltern warten auf Sie. Sie wollen gerne anfangen zu frühstücken.'' Ich schnaubte und richtete mich langsam wieder auf. Ich spürte die Müdigkeit in jeder Ecke meines Körpers, als ich ausmachen konnte, dass es erst kurz vor acht war.

''Danke, Sofie. Sagen Sie ihnen doch bitte, dass ich zuerst noch duschen werde. Aber die beiden dürfen gerne schon einmal anfangen, ich beeile mich.'' Vorsichtig schlug ich meine Bettdecke zur Seite und schwang mich aus dem Bett, bevor ich für nur wenige Minuten unter dem laufenden Wasser verschwand. Danach verschwand ich in einer schwarzen, kurzen Hose und einem weißen Top aus meinem Zimmer, um mich nur wenig später an den gedeckten Tisch zu meinen Großeltern setzen zu können. ''Guten Morgen!'', lächelte ich und nahm einen großen Schluck aus meiner Tasse, in die warmer Kakao gefüllt war.

''Morgen Kleine, schön, dass du dich schon fertig gemacht hast. Wir haben eine kleine Überraschung für dich. Obwohl... wir sagen's mal so: Deine Eltern habe eine kleine Überraschung für dich.'' Meine Augen wurden größer, als ich zu meinem Opa schaute, der mich aufmunternd anlächelte. Eine Überraschung? Als ich fragen wollte, um was es sich handelte, ließ er mich gar nicht erst zu Wort kommen. ''Nanana, zuerst isst du was, sonst brichst du uns noch in der Mitte durch. Außerdem wird das deiner Überraschung auch nicht wirklich gefallen, meine Liebe.''

22/07/2015

MarriedWhere stories live. Discover now