26. Kapitel

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Der Morgen begann sehr früh, um sechs Uhr klingelte mein Wecker, eigentlich für die Schule, aber die war jetzt Nebensache. Ich hatte ein Ziel, Frauenarztbesuch.
Müde wälzte ich mich aus meinem Bett, rieb mir die Augen und schleppte meinen 'schweren' Körper ins Badezimmer. Dort putzte ich Zähne, verrichtete alle anderen Aufgaben, die zur Morgen-Routine zählen und suchte mir dann in der Küche essbare Dinge, unter anderem fand ich Erdnussbutter, tief im Schrank sogar noch Toast. Ich hasste eigentlich jeglichen süßen Brotaufstrich, musste aber nach dem ersten Bissen zugeben, dass es gar nicht so schlecht schmeckte.
Als es acht Uhr war, verließ ich das Haus, meine Gedanken kreisten ausnahmsweise nicht um meine Schwangerschaft, ich versank auch nicht gerade in Selbstmitleid, ganz im Gegenteil, ich fühlte mich richtig befreit. Mit großen Schritten ging ich auf dem Bürgersteig in Richtung der Praxis meines Arztes, bei dem ich schon ewig nicht mehr war, aber egal, ich wollte nur dieses Wesen loswerden.
Es mag vielleicht komisch klingen, aber bei dem Gedanken an eine Abtreibung überkam mich ein reines Glücksgefühl. Mir fiel ein, dass ich ja noch Thaddeus Bescheid geben müssen, weshalb ich mein Handy aus der Hosentasche zog und seine Nummer eintippte. Wieso ich sie auswendig kannte? Ich kann mir wirklich gut Zahlen merken, demnach kenne ich so gut wie jede Handynummer auswendig, die ich des öfteren gehört, bzw. gesehen hatte. Der junge Mann, Vater meines Kindes, verantwortungsloser Bastard hob nicht ab, was die, tief in mir ruhende Wut nur weiter anfachte. Kurzerhand schrieb ich Adrian eine Nachricht, deren Inhalt lautete: Sag mal bitte Thaddeus genau das, was ich dir jetzt hier schreibe. Danke. Sag ihm das: Hi Thaddeus, Viviana hier, weißt schon, die, deren Anruf du soeben ignoriert hast, also, ich bin auf dem Weg zum Arzt, werde es wegmachen lassen, ist für uns beide besser. Tschüss. Danke Ardian. Natürlich klingt das jetzt für den besten Freund des verantwortungslosen Bastards verdammt verwirrend, er wird nichts verstehen, aer ich hoffte, dass er es trotzdem weiter leitet. Kurz darauf erhielt ich die Bestätigung, dass es bei Thaddeus angekommen war, ein Anruf von ihm, zwei Anrufe von ihm, keiner wurde von mir angenommen, ich beschloss mein Handy auf Flugzeugmodus umzustellen und setzte meinen Weg dann beschwingt fort. Mich würde nichts und niemand mehr aufhalten können, mein Entschluss war felsenfest.

Da die Praxis erst um neun Uhr aufmachen würde, setzte ich mich in einen kleinen Coffee-Shop in der Nähe, bestellte mir einen grünen Tee und eobachtete die Menschen, die so früh am Morgen durch Köln wanderten. Hauptsächlich Studenten oder ältere Leute, da die Teenager-Generation ja zu diesem Zeitpunkt in der Schule sitzen muss.
Plötzlich fiel mein Blick auf eine, mir allzu gut bekannte Person, die mich allein mit ihrem Anblick auf die Palme brachte. Phillip, meinen Erzeuger, diese Intelligenzbestie, er bewegte sich direkt auf diesen winzigen Shop zu und, wie sollte es auch anders kommen, trat ein, bemerkte mich. Ich spielte mit dem Gedanken schreiend wegzulaufen, doch würde es mir sowieso nichts bringen, also blieb ich ruhig sitzen, ließ mir ihm gegenüber nichts anmerken. "Viviana? Bist du nicht in der Schule?", fragte er verwirrt, ohne ein Wort der Begrüßung zu verlieren. "Also, wenn du das hier als Klassenraum siehst, die Bedienung als Lehrerin und die Speisekarte als aktuelle Deutsch-Lektüre, kannst du mit ganz viel Fantasie erkennen, dass ich mich keineswegs von meinem Unterricht entfernt habe.", konterte ich gekonnt und grinste überlegen, als sein Hirn anfing zu arbeiten. Ich hatte erwartet, dass gleich aus seinen Ohren dunkler Rauch austritt, doch daraus wurde leider nichts, irgendwie schade. "Ich werde dich jetzt sofort in die Schule bringen.", meinte er, hatte scheinbar aufgeben über meine Antwort nachzudenken und wollte mich jetzt am Arm aus dem Laden zerren. "Spinnst du? Ich habe einen Termin.", fauchte ich ihn genervt an, riss meinen Arm los, wollte gerade gehen, als er mich wieder packte. "Kannst du mich vielleicht mal loslassen?", fragte ich, genervt die Augen verdrehend. "Nein. Wo hast du einen Termin?" "Da wo du niemals einen haben wirst. Tschüss. Sehen uns, wenn du irgendwann mal wieder nach Hause kommst.", meinte ich abweisend und verschwand nun aber wirklich. Wie sagt man so schön? Aus den Augen aus dem Sinn, würde nur leider nicht funktionieren. Früher oder später müsste ich es ihm sagen, aber das hatte noch Zeit.
So schnell ich konnte verschwand ich im Haus gegenüber, glücklicherweise hatte der Arzt bereits geöffnet, ansonsten wäre warscheinlich mein gesamter Plan über den Haufen geworfen wurden.
Ich trat durch die Glastür zur Rezeption, wo mich eine nette, ältere Dame begrüßte. "Wie lautet ihr Name?", fragte sie höflich. "Viviana Schmuhl." Nickend tippte sie den Namen in ihren Computer. "Warum sind sie denn hier?" "Ich möchte abtreiben.", meinte ich lächelnd, woraufhin sie mir einen entsetzten Blick zu warf. Ich wurde ins Wartezimmer geschickt, zwei Frauen waren vor dran, eine von ihnen saß noch mit mir zusammen hier herum. Ich hatte meine Nase in eine Zeitung gesteckt, als mein Name erklang, ich fuhr hoch, stand auf und folgte der Hilfsschwester in das Behandlungszimmer.
Doktor Mahl lächelte mir freundlich entgegen und bedeutete mir mich auf dem Stuhl ihm gegenüber niederzulassen. "Also Viviana, du bist schwanger?", fragte er dann unverblümt, woraufhin ich wortlos nickte, die Hände hatte ich im Schoß ineinander verschlungen, um das Zittern dieser zu verbergen. "Du möchtest es tatsächlich wegmachen lassen?" Ich nickte, er runzelte die Stirn ein wenig. "Wie alt bist du?" "17, ich bin mir aber den Auswirkungen bewusst und bin mir auch sicher, dass ich dieses Kind nicht möchte.", erklärte ich ihm aus meiner festen Überzeugung heraus. "Aber bist du dir auch dessen bewusst, dass in dir etwas lebt, das du töten möchtest?", hakte er skeptisch nach. "Ja, ich weiß das, aber ich könnte mit der Verantwortung nicht leben und würde keinerlei Unterstützung von außen bekommen, weshalb ich das Kind wirklich loswerden möchte." "Es ist Ihre erste Schwangerschaft, wie ich sehen kann, natürlich ist das ziemlich früh, aber man könnte beim Jugendamt einen Betreuer für Sie anfordern, wenn Sie meinen es nicht alleine zu schaffen.", versuchte er an meinem Entschluss etwas zu ändern. "Nein, ich möchte dieses Kind einfach nicht. Ich will mich nicht darum kümmern müssen, will diese Belastung nicht haben, ich wollte gar nicht schwanger sein." "Das wollen die wenigsten, aber trotzdem ist es immer wunderschön, wenn es dann da ist.", meinte er, schon wieder wollte er mich vom Gegenteil überzeugen. "Keine Chance, ich will es nicht.", meinte ich gelassen, lehnte mich locker nach hinten und sah mir meine Fingernägel genauer an. Ich hatte keine Ahnung, wo dieser plötzliche Mut hergekommen war, doch fühlte ich tief in mir eine seltsam befriedigende Ruhe. "Wo ist denn der Vater des Kindes? Haben Sie mit ihm darüber gesprochen?" Bei dem Gedanken an Thaddeus schüttelte ich nur leiht den Kopf. "Sie haben noch nicht mit ihm gesprochen?", hakte Doktor Mahl etwas nach. "Doch, doch, aber er möchte genauso wie ich keinerlei Verantwortung für das Baby übernehmen. Von ihm ist keine Unterstützung zu erwarten." Der Arzt begann auf seinem Notizzettel zu schreiben, ich ignorierte die Worte, die dort erschienen allerdings vollkommen, sollte er mich doch für einen Psychopath halten. Na und? Mir doch egal. "Was ist mit Ihren Eltern?" "Meinem Erzeuger ist das egal, meine Mutter hat dazu nichts zu sagen. Ich will doch einfach nur dieses Baby los werden.", versuchte ich es auf die ungeduldige Art. "Wieso sollte ihre Mutter nichts mehr zu diesem Thema zu sagen haben? Sie sind erst 17 Jahre alt, nicht volljährig.", fragte er ein wenig verwundert nach. "Sie schied leider wegen eines Unfalls von uns. Reicht das als Grund?", gab ich etwas genervt zurück. "Ja, das ist durchaus ausreichend.", meinte er jetzt, plötzlich ganz kleinlaut, "Dann wollen wir mal nach einem Termin sehen." "Führen sie diesen Eingriff durch?", fragte ich höflich, da ich nunmal auf diesem Themengebiet ein absoluter Neuling war. "Nein, ich überweise Sie dann in ein Krankenhaus hier in der Nähe." Ich nickte vorsichtshalber, um ihm zu verstehen zu geben, dass ich verstanden hatte. "Ah, hier haben wir ja einen freien Platz. Morgen, zwölf Uhr. Ich schreibe es Ihnen auf, Sie können sich Ihren Bescheid vorn an der Rezeption holen. Ich wünsche Ihnen viel Glück weiterhin und versuchen Sie das nächste Mal nicht schwanger zu werden.", meinte er, mir zuzwinkernd und entließ mich dann in die Freiheit. "Auf Wiedersehen.", verabschiedete ich mich höflich resigniert, gab ihm die Hand und verließ dann, robotermäßig, wie ferngesteuert das Sprechzimmer. Es fühlte sich so unecht an, morgen würde das alles vorbei sein.
Meinen Zettel holte ich noch bei der netten Dame am Empfang ab und trat dann aus dem Gebäude heraus. Mir traten die Tränen in die Augen, keine Tränen der Trauer, sondern des Glücks, Freudentränen. Ich hatte es geschafft, ich war frei, bzw. morgen um diese Zeit würde ich schon beinahe wieder frei sein.
Ein kurzer Blick auf mein Handy zeigte mir unendlich viele Nachrichten von verschiedenen Personen an, hinzu kam ein Haufen verpasster Anrufe, aber ich sah mir nichts genauer an, zu groß war die Freude über meine bevorstehende Befreiung.
Überglücklich machte ich mich auf den Heimweg, den Überweisungsschein fest in der Hand.

Drugs ● Ardy (Reupload) Where stories live. Discover now