6. Kapitel

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Am nächsten Morgen wurde ich von Sonnenstrahlen, die mich im Gesicht kitzelten, geweckt. Haha, schön wäre es gewesen, natürlich war es nicht so angenehm, mein Vater kam laut durch unser Haus getrampelt. Ignorantes Arschloch. Grummelnd drehte ich mich auf die andere Seite, wollte meine Augen nicht öffnen, musste mir aber letztendlich eingestehen, dass ich keine andere Wahl hatte. Müde krabbelte ich aus meinem Bett, sah kurz auf meinem Handy nach der Zeit, 8.45 Uhr. Ich rieb mir die Augen und das Gesicht, musste gähnen, es war einfach viel zu früh.
Erst als die Haustür ins Schloss gefallen war, trat ich aus meinen Zimmer, wollte damit vermeiden irgendwem in die Arme zu laufen. Im Badezimmer lag ein benutztes Kondom auf dem Boden, um das ich mich geschickt herum bewegte, anfassen würde ich das sicherlich niemals.
Frühstücken fiel aus, erstens weil wir nichts zum Essen im Haus hatten und zweitens war es mir einfach zu früh. In den letzten Monaten war ich dünn geworden, dünner, als ich je gedacht hatte werden zu können. Seufzend betrachtete ich mich, meinen Körper im Spiegel, der in unserem Eingangsbereich hing. Ich sah mich komplett, eingefallene Wangenknochen, wenn ich das T-Shirt hob sah man die Rippen deutlich, meine Schultern wirkten knochig, meine Beine zerbrechlich. Das schlimmste allerdings war mein Gesicht, abgemagert, die Augen glanzlos, blass, eckig und kantig. Ich fand mich nicht schön, wollte aber auch nichts ändern. Das waren die Drogen, sie zerstörten mich Stück für Stück, doch wollte ich sie tief in meinem Inneren nie wieder hergeben, zu viel Angst lebte in mir. Angst vor der Trauer, dem Schmerz des Verlustes. Zu hoch war das Risiko in Tränen und Traurigkeit zu ertrinken.
Seufzend bückte ich mich, zog Schuhe an und öffnete die Haustür. So oft war ich noch nie an der frischen Luft gewesen, doch schien mein Herz die gesamte Zeit zu hoffen, dass ich Ardian treffe. Ich wollte ihn nicht mögen, weshalb ich ihm niemals schreiben würde. Mein Handy war stumm geschaltet, lag in meinem Zimmer und gammelte so vor sich hin. Warum ich es gestern mit mir herum getragen hatte? Ich wusste es selbst nicht.
Auf der Straße sahen mich ältere Menschen immer traurig an, als hätten sie Mitleid, als würden sie verstehen, wie ich mich fühlte, was mein Leben so zerstört hatte. Ich wusste, dass sie es nicht verstanden hatten. Niemand konnte das. 'Was kümmert es dich, ob alte Missets dich akzeptieren oder nicht? Du brauchst keine Freunde! Erstrecht niemanden in diesem Alter.' Ich lief weiter, wollte nicht darüber nachdenken, was andere von mir halten. 'Du bist doch dumm. Drogen sind die besseren Freunde, sie sind immer für dich da. Du brauchst keine Menschen um dich herum.' Ardian. Halt! Wie komme ich auf diesen Namen? 'Hör auf mit diesem Typen! Er wird niemals mit dir befreundet sein können.' Aber ich wünschte, ich könnte ihn als meinen Kumpel bezeichnen. Ich würde ihm gerne alles erzählen, aber er würde es nicht verstehen. Nichts davon. 'Genau. Er würde dich in die nächste Entzugsklinik stecken und nie wieder mit dir reden.'
Ich ließ mich auf eine Bank fallen, zog die Kapuze tief in mein Gesicht und genoss einfach die frische Luft, den kühlen Wind, den Geruch nach Natur, den man innerhalb einer Großstadt nicht oft wahrnehmen konnte. Meine Gedanken kreisten um Ardian, ließen ihn nicht mehr los, malten sich jedes noch so kleines Detail seinen Porträts aus. Er wirkte beinahe lebendig vor meinem inneren Auge, selbst als ich kurz blinzelte, verschwand sein Bild nicht. Ich schüttelte den Kopf, meine Umgebung kam zurück und mit ihr, fiel mein Blick auf Ardian. Tatsächlich. Er stand dort, wie leibt und lebt. 'Lauf!' Ich bewegte mich nicht, starrte ihn nur perplex an. "Du hast mir nicht zurück geschrieben.", meinte er leicht vorwurfsvoll. Seine Stimme klang, als würde ich in einen Tunnel hinein laufen und er draußen stehen bleiben. Ich konnte mich immernoch nicht rühren, ihm nicht antworten, überhaupt bekam ich so gut, wie nichts mit. Mein Blick beschränkte sich einzig und allein auf den Jungen vor mir.
Erst als er mich in die Rippen piekte, erwachte ich aus meiner Starre. "Was?", ich sah ihn perplex an, war verwirrt, hatte ihn gar nicht verstanden. Ok, ich war mit Gedanken woanders gewesen. "Du hast nicht reagiert, nur vor dich hin gestarrt.", meinte er und ließ sich neben mich fallen. "Sorry, war nicht ganz da.", meinte ich entschuldigend und lächelte schüchtern. Ich konnte lächeln. "Dein Lächeln ist schön.", meinte Ardian leise, wirkte jetzt ganz und gar nicht mehr unsicher. Manchmal glaubte ich, dass ich mir das mit seiner Unsicherheit nur einbilde, aber gut, ich habe sowieso nicht die besten Gefühlssensoren. 'Du vergisst da gerade etwas.' Was? Was mache ich denn schon wieder falsch? 'Du kannst nichts richtig machen, dazu bist du zu kaputt. Du vergisst aber, dass du Ardian mit deiner bloßen Anwesenheit zerstörst. Er wird dir mit jedem Treffen näher kommen, was genau das ist, was es zu vermeiden gilt.' Der Junge lächelt mich, scheint mich zu mögen. Wieso kann ich nicht einfach normal sein und demnach mit befreundet? 'Weil du dumm bist. Du wirst sowieso nicht mehr lange so klar bei Verstand sein. Immerhin gewinne ich langsam die Oberhand, meine Liebe.' Man, geh weg. Oh Gott, jetzt rede ich bereits mit der Stimme in meinem Kopf. Ich bin doch bescheuert. 'Wie gesagt, deine Dummheit ist grenzenlos. Die Drogen tun ihr übriges, weshalb du jetzt am besten wieder eine Tablette nehmen solltest.' Verdammt. Ardians Mund bewegte sich, dich war ich so tief in meinen Gedanken gefangen, dass ich ihm nicht zuhörte. "Ähhh...sorry, aber was hast du gesagt?", fragte ich deswegen peinlich berührt und fuhr mir unsicher durch die Haare. Es war so peinlich. "Was ist denn los mit dir heute? Du bist total neben der Spur." Ich seufzte und nickte, was hätte ich auch sonst sagen können? 'Du hättest dich einfach von der nächsten Brücke stürzen sollen.' Ich habe immernoch keine Suizidgedanken. Klar, ich scheine drogenabhängig zu sein, klingt fast so, als wäre es mir egal, aber noch bin ich nicht krank. Mir geht es sogar sehr gut. 'Das sind nur die Tabletten. Hör' auf darüber nachzudenken! Nimm sie einfach!' Ich starrte Ardian an, erhob mich und erklärte ihm: "Du, ich muss langsam mal los, ich habe Hunger." Er lächelte, stand ebenfalls auf. 'Du hättest es ihm nicht sagen dürfen! Junge, bist du dumm!' "Ich komme mit, dann können wir uns noch ein wenig unterhalten.", mit diesem Worten folgte er mir, was so viel bedeutete, wie: Ich musste jetzt etwas essen gehen. 'Siehst du?! Das ist wahre Dummheit!' Diese innere Stimme fuckt mich richtig hart ab, ständig sagt sie mir irgendeinen Mist, den ich leider beachte. Ich versuchte sie zwar jedesmal auszublenden, aber war das gar nicht so einfach. In jeder Situation ging sie mir auf die Nerven, wollte einfach nicht Ruhe halten, ignorierte meine wirklichen Bedürfnisse und redete mir Dinge ein, die ich gar nicht wollte. Ich hasste mich, da diese Stimme mir das sagte. "Erde an Vive!", ertönte Ardians Stimme neben mir. "Sorry, ich war schon wieder in Gedanken. Ich bin dumm." 'Das hast du ihm jetzt nicht wirklich gesagt!' "Du bist doch nicht dumm!", widersprach der Junge mir sofort und lächelte mich freundlich an. "Du kennst mich doch gar nicht.", konterte ich, da keine andere Möglichkeit bestand aus dieser Sache heraus zu kommen. "Deshalb bin ich hier. Ich will dich kennenlernen, weil ich dich interessant finde." Ich starrte ihn an. 'Du solltest den Kontakt zu ihm abbrechen, er wird es herausfinden.' Ich mag ihn aber und möchte gerne mit ihm befreundet sein. 'Vergiss es! Sobald er etwas herausgefunden hat, stirbst du sowieso. Lass dich da nicht darauf ein.' Verschwinde dich einfach! Ich will nicht si zwiegespalten denken. 'Ich bin nunmal deine starke Seite, also halte die Klappe und versuch den Typen los zu werden, ehe er näheres zu dir erfahren kann!' Ich seufzte theatralisch auf, was mir einen verwirrten Blick von Ardian einbrachte, und betrat dann das nächstbeste Restaurant, um dort etwas zu essen.

Drugs ● Ardy (Reupload) Where stories live. Discover now