5. Kapitel

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Ardian stand mir direkt gegenüber und lächelte sanft. Ja, ich hatte ihn wieder ansehen müssen, so wunderschön fand ich ihn. Angeleuchtet von einer Straßenlaterne sah er aus wie ein Engel, seine Dreads, die mir gestern gar nicht wirklich aufgefallen waren, standen irgendwie in verschiedene Richtungen ab, was ihn ein wenig verwegen wirken ließ. Ich mochte diese Art, wie er mich ansah, wie er da stand. Ok, stopp Gehirn, bis hier hin und nicht weiter. "Was machst du denn hier?", fragte ich, nach der mehr als seltsamen Schweigepause. "Ich war spazieren, musste Zuhause mal raus, dann hab ich dich gesehen.", antwortete er mir sofort, hatte mittlerweile den Blick auf etwas anderes gerichtet, sah mich aber wieder an, als er auf eine Antwort wartete. "Aha.", gab ich deshalb von mir und fühlte, wie ich leicht rot wurde. Seit wann gab es denn dieses Phänomen in meinem Leben? Ich und rot werden? Na gut, musste alles mal sein. Seufzend strich ich mir ein paar Strähnen meiner Haare aus dem Gesicht. "Und was machst du hier?", fragte Ardy, um das Schweigen zu brechen. "Ich saß hier einfach herum." Oh Gott, konnte das Ganze hier noch peinlicher werden? "Du bist gestern so schnell verschwunden, was war denn los?" Oh ja, es ging noch peinlicher, indem Ardian einfach genau die Frage stellt, die ich am wenigsten beantworten wollte. "Nichts, ich musste nur schnell heim.", meinte ich, als wäre wirklich nichts gewesen. Ich wusste nichtmal, warum ich ständig sage, dass nichts ist, bzw., dass es mir gut geht, wenn es doch gar nicht so war. Ich suchte warscheinlich jemanden, der von selbst merkt, dass es mir nicht gut geht. Kann ich nichts machen. "Sah aber nicht nach nichts aus.", meinte der Junge kritisch und sah mir tief in die Augen. Dank der Dunkelheit würde er nicht erkennen können, wie rot sie jetzt sind. Die Tablette ist noch nicht so lang her, weshalb man die rötlichen Adern garantiert noch sehen kann, da sie unmöglich so schnell verblassen können. Ich wandte mich ab, wollte nicht, dass er mich näher kennenlernen konnte, er würde nur enttäuscht werden. Ardian packte meinen Arm, wollte mich festhalten, ich fuhr zu ihm herum und fauchte: "Fass mich nicht an." In genau diesem Moment wurde das Zittern stärker, es verlegte sich zum ersten Mal auf den ganzen Körper, meine Zähne schlugen klappernd aufeinander. Wie lange hatte ich bitte herum gesessen, wenn ich jetzt schon die nächste Dosis benötigte? 'Ist doch egal, nimm sie einfach. Und zwar gefälligst so, dass er nichts mitbekommt.' Die Stimme in meinem Kopf nervte mich gewaltig, da Ardian bereits gemerkt hatte, wie stark ich zitterte. "Ist dir kalt?", fragte er mit sanfter Stimme, ganz der fürsorgliche Gentlemen. "Nein, nein, geht schon." "Klar, ich sehe doch, wie du zitterst.", widersprach er mir. Ich schüttelte den Kopf, was ein wenig beschwerlich war, wenn man so zitterte. Langsam, aber sicher wurde mir übel, ich wollte dem Jungen nicht auf die Füße kotzen, weshalb ich zum nächsten Gebüsch schwankte und mich dort übergab. "Bist du schwanger oder so?", fragte er schockiert, als er das sah, doch ich schüttelte nur wortlos den Kopf. "Was ist dann los?" Wieder schüttelte ich meinen Kopf, nahm ein Taschentuch, wischte mir damit über den Mund, holte so unauffällig, wie möglich eine der Pillen und schluckte sie beim nächsten Wischen hinunter. Die Übelkeit und auch das Zittern ließen natürlich nicht sofort nach, doch würde es definitiv besser werden. Ich drehte mich wieder zu Ardian und sah ihn unsicher an. Was bitte würde er jetzt von mir denken? "Irgendwas muss sein. Normalerweise ist einem nicht kalt und dann speit man in den nächsten Busch. Das ist nicht normal, Vive." Ich sah ihn traurig an, wünschte mir es ihm erzählen zu können, mich ihm anzuvertrauen. 'Wenn du es ihm erzählst, kannst du gleich sterben gehen.' Ach komm schon, als würde ich jetzt Suizidgedanken hegen. "Hatte ich schon öfters.", meinte ich abweisend. 'Komm ja nicht auf die Idee, ihm auch nur ein Sterbenswörtchen zu erzählen!' Er sah mich mit seinen viel zu schönen, grauen Augen an. "Du solltest vielleicht mal zum Arzt gehen.", riet er mir. Gemeinsam setzten wir uns in Bewegung, liefen, ohne es wirklich wahrzunehmen, in dieselbe Richtung. "Nein, nein. Passt schon.", winkte ich ab und warf einen Blick zu ihm, bevor ich mir die Kapuze meiner schwarzen Sweatshirt-Jacke über den Kopf zog. "Jetzt siehst du aus, als würdest gleich jemanden überfallen oder sowas.", Ardian grinste, was mich auch zum Lächeln brachte. Er ist noch so unbefangen, irgendwie dauer-glücklich, das färbte ein wenig auf mich ab. "Ich entführe dich.", behauptete ich ironisch und ließ meinen Blick über den Rhein gleiten. "Es ist schön hier draußen.", stellte der Junge neben mir fest und blieb stehen, ich tat es ihm gleich, sah ihn aber nicht an. "Bekomme ich jetzt deine Handynummer?", fragte er völlig aus dem Kontext gerissen, ich wandte mich zu ihm, sah ihm in die Augen. "Ok.", flüsterte ich nur, meine Stimme hatte kurz versagt, sein Blick mich verschluckt. Mit leicht zitternden Händen, diesmal nicht wegen des Drogenentzugs, sondern eher der Aufregung zuzuschreiben, zog ich mein Handy aus der Hosentasche und ließ ihn seine Nummer eintippen. Daraufhin schrieb ich, unter seinem wachsamen Blick, eine Nachricht an ihn und sperrte es dann wieder. "Wer ist das auf deinem Hintergrund?", fragte er neugierig, als er meine Nachricht als gesehen markiert hatte und sein Handy wieder wegsteckte. "Meine Mutter.", antwortete ich abweisend, ließ keinen Zweifel daran, dass ich über dieses Thema nicht weiter reden wollte. Ardian verstand den Wink mit dem Zaunpfahl sofort und schwieg. 'Du solltest vielleicht vorbeugend wieder eine Tablette nehmen, oder willst du wirklich riskieren, dass er etwas merkt?' Nein, wollte ich nicht. Ich möchte, dass Ardian mich gar nicht weiter kennenlernt. "Du, ich muss jetzt aber langsam mal nach Hause.", meinte ich etwas künstlich lächelnd und wollte gerade davon laufen, als mich seine Hand am Arm packte und zu sich zurück zog. "Sehen wir uns wieder?", fragte er leise, fesselte meinen Blick mit seinen Augen. Ich nickte, seine Nähe machte mich vollkommen verrückt, weshalb ich, sofort als er mich losgelassen hatte, in die Dunkelheit hinein verschwand.
Erst als ich fast Zuhause war, konnte ich tief durch atmen. Wieso brachte mich dieser Junge nur so stark aus dem Konzept?
Ich fühlte mich nach dem langen Weg vollkommen zerschlagen, war es gar nicht mehr gewöhnt, so lang oder weit zu laufen. Das Rauchen und die Drogen taten ihr übriges und machten mich teilweise sehr schlapp. Noch bevor ich anfangen konnte zu Zittern, schluckte ich eine Pille und schloss dann die Haustür auf.
Es brannte Licht in der Küche, obwohl es bereits 2 Uhr nachts war. Man hörte das Lachen des Flittchens, ein Stöhnen, ein Poltern. Ich verschwand in mein Zimmer, steckte Kopfhörer in meine Ohren und drehte die Musik laut auf, wollte ich doch gar nicht hören, wie mein Erzeuger seine Mätresse nagelt. Das Licht in meinem kleinen Reich ließ ich ausgeschaltet, hatte keine Lust darauf, dass mein Vater oder seine Kuh auf die Idee kamen, nach mir zu sehen. Unwarscheinlich, aber lieber auf Nummer sicher gehen.
Die Musik entspannte mich ein wenig, doch fühlten sich meine Muskeln dennoch etwas verspannt an. 'Nimm einfach noch eine. Macht alles besser.' Diese Stimme, die, wie ich mittlerweile wusste, nur in meinem Kopf existierte, regte mich mittlerweile schrecklich auf. Ich fühlte mich total gestört, weil ich irgendwelche imaginären Stimmen in meinem vernebelten Hirn vernahm. Seufzend drehte ich mich in Richtung meiner Wand, lag einfach mit geschlossenen Augen da und konzentrierte mich auf die Melodie des Songs.

Drugs ● Ardy (Reupload) Where stories live. Discover now