7. Kapitel

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Ich hatte mir einen kleinen Salat bestellt, während Ardian durchgängig redete. Er erzählte mir unheimlich viel von sich, so erfuhr ich z.B., dass sein bester Freund den coolen Namen Thaddeus trägt, er mit ihm in einer Wohnung wohnt und ziemlich lustig sein soll. Ich glaube er erwartete, dass ich dann etwas von mir erzählte, doch würde ich ihm diesen Gefallen nicht tun. Sobald er auf irgendetwas von mir zu sprechen kam, schwieg ich das Thema tot, sagte gar nichts. 'Ist auch richtig so, du dummes Mädchen.' "Was arbeiten deine Eltern?", fragte er gerade und lächelte mich an. "Mein Vater ist Unternehmer, der seinen Sitz in Zürich hatte.", antwortete ich, nahm dann einen Mund voll Salat, um nicht weiter reden zu müssen. "Und deine Mutter?" Ich schwieg, sagte kein Wort, alles fühlte sich plötzlich unwirklich an, die ganze Welt schien die Luft anzuhalten. Ardian schien gar nicht wahrzunehmen, wie unangenehm mir dieses Thema war, da er mich nur ununterbrochen anstarrte und währenddessen seine Pizza in sich hinein schaufelte. "Ich muss mal zur Toilette.", brachte ich als Ausrede, stand auf und floh von unserem Tisch. Meine Beine trugen mich tatsächlich noch bis zur nächsten offenen Kabine, ich konnte geradeso noch absperren, als ich auch schon zusammen brach. Keine einzige Träne kam, doch fühlte ich mich hundeelend. Jetzt wusste ich wieder, warum ich mich so von Menschen distanziert hatte, wollte solch einer Situation, wie eben, einfach aus dem Weg gehen, niemandem jemals erklären müssen, dass meine Mutter tot ist. Mit zitternden Fingern fischte ich die einzige Tablette heraus, die ich mitgenommen hatte. Ich wollte unbedingt von diesem Zeug los kommen. Für mich. Für meine Mutter. 'Du dummes Stück, ohne die Tabletten bist du doch nichts mehr. Kannst kaum drei Stunden ohne sie aushalten.' Ich seufzte tief auf, legte meinen Kopf erschöpft auf den geschlossenen Toilettendeckel, schloss meine Augen, wollte alles und jeden ausblenden, nichts mehr sehen und fühlen müssen.
Als ich nach zehn Minuten aus der Kabine trat, fielen mir als erstes meine rot unterlaufenen Augen auf. Man sah es wirklich auf den ersten Blick, doch ließ sich daran nichts ändern, da ich keine Augentropfen mit mir herum trug. 'Sag ihm einfach, dass du eine Allergie hast und sie deshalb so gerötet sind.' Kurz rieb ich mir über mein Gesicht, spritzte ein wenig Wasser auf meine Wangen, um etwas Farbe zu bekommen, da meine Haut einfach aschfahl war, womit ich eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Leiche hatte. Als ich mich bereit dazu fühlte, trat ich Ardian wieder entgegen. Ok, es war eher do, dass ich mit, vor Aufregung und Angst, zitternden Knien in die Richtung unseres Tisches lief und die gesamte Zeit darauf hoffte, dass er mittlerweile gegangen war. Aber natürlich saß er noch an genau demselben Fleck, wie vor einer Viertelstunde.

Nachdem wir gezahlt hatten, er hatte darauf bestanden meine Rechnung mit zu übernehmen, wanderten wir gemeinsam durch die Straßen. Es fühlte sich toll an, jemanden an seiner Seite zu haben, der einen nicht wie ein rohes Ei behandelt, wirklich angenehm.
Plötzlich hörte ich hinter mir eine Stimme. Ach du Scheiße! Geschockt drehte ich mich um und sah Thalia, die ehemalig, beste Freundin der Mutter meiner Mutter, also meiner Oma, auf mich zu kommen. Panisch sah ich mich nach einer Fluchtmöglichkeit um, Ardian, leicht verwirrt, stand einfach nur neben mir und tat gar nichts. Die etwas fülligere Frau, mit ihren blondierten, gelockten Haaren war wiedermal viel zu stark geschminkt und stellte sich direkt vor mich, ehe sie mich in eine herzliche Umarmung zog. "Herzchen, dich habe ich ja schon ewig nicht mehr gesehen.", meinte sie enthusiastisch und wollte mich kaum mehr loslassen. Ich, die seit dem Tod ihrer Mutter nicht mehr so viel Körperkontakt zugelassen hatte, versuchte mich irgendwie aus ihrem Klammergriff zu befreien, bevor sie mich erwürgen konnte. "Das letzte Mal war auf der Beerdigung deiner Mutter, Herzchen, seitdem bist du sogar noch dünner geworden, als du zuvor warst.", sie packte mein Gesicht mit einer Hand und drehte es leicht hin und her, " Du siehst auch blass aus, gar nicht gesund. Bist du krank?" Ihre Stimme ging mir von Anfang an auf die Nerven, aber je länger sie vor mir stand und redete, desto schlimmer wurde das Zuhören. "Nein, ich bin nicht krank. Mir geht es gut.", versuchte ich sie loszuwerden, doch wollte das Schicksal mich heute nicht von ihr befreien. Hilfesuchend sah ich zu Ardian, doch der stand etwas abseits, mit dem Blick am Boden und malte Kreise mit der Fußspitze auf den Asphalt. "Herzchen, du musst wirklich mehr essen.", riet mir die Schreckschraube jetzt und ließ mich endlich komplett los, "Und diese Klamotten! Was würde nur deine liebe Mama sagen?" Ihr Blick fiel auf Ardian, ihre Augen weiteten sich, während sie zwischen mir und dem jungen Mann hin und her sah. "Mein Lieber, wer sind Sie?", fragte sie aufgeregt, ihr Blick weiterhin hin und her huschend. "Ardian Bora. Kumpel von Viviana. Freut mich Sie kennenzulernen.", er reichte ihr die Hand, wieder ganz höflich und mit den besten Manieren. Sie starrte mich danach durchgängig an, als hätte ich etwas falsch gemacht, beachtete Ardian aber nicht weiter. "Wie lange kennst du ihn? Er scheint mir nicht unbedingt der Umgang zu sein, den du pflegen solltest.", stellte die Alte fest und sah mich dabei eindringlich an. "Wir kennen uns noch nicht lange, aber ich glaube auch kaum, dass du entscheiden kannst, mit wem ich meine Zeit verbringe.", giftete ich zurück, wollte mich gerade wegdrehen, als sie meinen Arm packte. Können die vielleicht mal aufhören, mich ständig alle festzuhalten? Frustriert seufzte ich auf. "Herzchen, ich mache mir nur Sorgen um dich. Du hast dich schrecklich verändert seit Adriana nicht mehr da ist.", säuselte sie jetzt wieder freundlich. "Ach ne.", erwiderte ich sarkastischer, als beabsichtigt und zog die Augenbrauen hoch. "Warum triffst du dich nicht einfach mal wieder mit Fabian?" Ich starrte sie entsetzt an, da ich nicht glauben konnte, bzw. wollte, dass sie jetzt mit meinem ehemaligen besten Freund anfing. Ardian stand weiterhin unbeteiligt, mit einigem Abstand neben mir. "Du weißt ganz genau, dass wir nichts mehr miteinander zu tun haben. Ich würde jetzt gerne gehen.", in meiner Stimme klang unterschwellige Wut mit. Thalia sah mich arrogant an, drehte sich auf dem Absatz um und stolzierte davon. Ich sah ihr nach, realisierte, dass sie gegangen war erst, nachdem Ardian mich sanft an sich gezogen hatte. Ich legte meinen Kopf auf seine Brust, genoss seine Wärme, seinen Geruch. 'Nein!' Erschrocken löste ich mich aus seinen Armen, starrte ihn schockiert an, hasste mich in diesem Moment mehr als je zuvor. "Ardian, du...wir...das geht so nicht.", stotterte ich, hoffte er würde mir widersprechen. "Vive, ich habe jetzt nach dem Gespräch so ungefähr eine Ahnung, was bei dir los ist, aber würde ich es gerne verstehen. In dem einen Moment bist du nett, freundlich und im nächsten verschließt du dich, scheinst dich vor der ganzen Welt zurückzuziehen, als hättest du Angst vor etwas." Ich schüttelte nur den Kopf, ehe wir uns gleichzeitig in Bewegung setzten. "Es ist kompliziert. Ich bin kompliziert.", meinte ich vorsichtig. 'Wenn du es ihm erzählst, dann wird er dich links liegen lassen. Er eird dich hassen.' Ich wollte von ihm gemocht werden, wollte ihn als guten Freund behalten, doch behielt meine innere Stimme leider Recht. Sobald er etwas über meine Probleme erfahren würde, wäre er weg, wie auch donst alle bisher. 'Eben. Du brauchst diesen Jungen gar nicht. Die Tabletten sind deine Freunde.' Ardian sah mich mitfühlend an. Ih hasste ihn dafür, da ich kein Mitleid haben wollte, niemand versteht mich, auch er nicht! "Ich möchte es wenigstens versuchen dich zu verstehen. Bitte Vive.", eindringlich sah er mich an, wollte schon nach mir greifen, ich wich zurück. "Auch du kannst nicht das schaffen, was andere seit Wochen versuchen.", entgegnete ich ihm mit weinerlicher Stimme, Tränen sammelten sich in meinen Augen. "Bitte weine nicht.", raunte er mir sanft zu, doch genau in diesem Moment flossen die Tränen, wie Wasserfälle. All die angestaute Trauer überflutete mich plötzlich, ich sackte zu Boden, vergrub mein Gesicht in den Händen. Ich spürte Ardians Hand auf meiner Schulter, hörte ihn sagen: "Ich wohne nicht weit weg." Ich bewegte mich, bis auf das Zucken meiner Shultern, nicht mehr, auch nicht, als der junge Mann mich hoch hob und mit mir in seinen Armen davon lief. Er ist stärker, als er aussieht, ich fühle mich geborgen. 'Du bist so schwach, so dumm. Wie bitte willst du überleben, wenn du sogar zu doof bist deine Tabletten öfters einzunehmen? Ohne diese bist du doch sowieso ein Nichts. Niemand nimmt dich wahr.' Doch Ardian, er mag mich. 'Niemals. Er wird dich genauso fallen lassen, wie jeder. Selbst deine Mutter würde dich hassen, wenn sie dich so sehen würde.' Nein, nein, nein. Ich schluchzte weiter, selbst als mich jemand sanft auf etwas weichem ablegte. Fühlte sich an, wie ein Bett, doch war ich mir nicht sicher. Meine Augen hielt ich geschlossen, versuchte jegliche Gedanken zu verdrängen. 'Du bist eine kleine Misset, meine Liebe. Nichts weiter. Er wird dich niemals akzeptieren, geschweige denn mögen.'

Drugs ● Ardy (Reupload) Where stories live. Discover now