9. Kapitel

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》Ardian

Er hatte verwirrt in seinem Zimmer gestanden und auf das leere Bett gestarrt. Wo war sie hin? Warum war sie weggelaufen? Ihr Handy war zwar nicht ausgeschaltet, aber sie ging nicht ran. Ardian wusste nicht, was er tun sollte, schrieb ihr zweimal eine SMS, versuchte sie zu erreichen. Er wusste ja nichtmal, wo sie wohnte, geschweige denn ihren Nachnamen.
Seufzend ließ er sich auf sein Bett fallen. "Ist die Kleine weg?", fragte Taddl, als er den Kopf ins Zimmer steckte. Schweigend nickte der Blonde und sah seinen besten Freund an. "Du hast davon auch nichts mitbekommen oder?" Taddl schüttelte den Kopf, fragte dann, ob Ardian mit Essengehen wollte, verschwand aber, auf dessen Kopfschütteln hin, wieder.

"Joooo Ardy!", hörte er die Stimme seines Kumpels Sebastian aus dem Flur, welcher auch kurz darauf in sein Zimmer stürzte, "Komm wir wollen was Essen gehen." Mühsam stemmte der junge Mann sich hoch, folgte dem aufgedrehtem Wesen und traf auf Taddl, der im Flur stand. "Ich dachte du wolltest nicht mit?", fragte dieser verwirrt. "Jetzt halt doch. Hab' Hunger.", behauptete Ardian, sah Taddl aber nicht an, da er gerade seine Schuhe anzog. "Ja guuut.", kam es von Sebastian, der bereits in der Tür stand und auf die beiden Jungs wartete. "Kommt Felix auch mit?", fragte der Blonde, als er mit seinen Schuhen fertig war. "Ne, der muss nachher zum Flughafen und Patrick nimmt jetzt auf, sind also nur wir drei." Ardian seufzte, warf noch einen Blick auf sein Smartphone und folgte den beiden Jungs dann nach draußen.

Er war während des Essens ziemlich still, wollte nicht wirklich viel reden, machte sich zu viele Gedanken um das Mädchen. Taddl und Sebastian konnten ihn nicht wirklich aufheitern, machten aber die ganze Zeit Witze über seine Stimmung. "Ach Ardizzle, jetzt hör auf dir Gedanken zu machen.", meinte Seb gespielt mitfühlend. "Sie meldet sich nicht und geht nicht ans Telefon." Taddl hatte Rewi scheinbar fest ans Schienbein getreten, da dieser den Mund geöffnet hatte, als würde er etwas sagen wollen, ihn daraufhin aber wieder schloss. "Leute, ich geh noch 'ne Runde."
Ardian stand auf und verließ das Restaurant, wandte sich in die Richtung des Rheins. Wieder versuchte er Viviana zu erreichen, wieder hob sie nicht ab. Frustriert fuhr er sich durch die kurzen Dreads, hatte den Drang das Smartphone in den nächsten Busch zu werfen.
Im nächsten Moment fing es an zu klingeln, er sah ihren Namen, Rang kurz mit sich und nahm den Anruf an. "Hallo?", fragte er, doch hatte sie bereits wieder aufgelegt. Lange starrte der junge Mann sein Handydisplay an, wusste überhaupt nicht, wie er darauf reagieren soll.

Zehn Minuten später rief er sie wieder an, diesmal ertönte das Rufzeichen dreimal und sie ging ran. "Hallo?", hörte er sie unsicher, ziemlich leise am anderen Ende der Leitung, er atmete tief aus. "Vive!", er konnte sich vorstellen, wie das Mädchen zusammengezuckt war, "Wieso bist du einfach abgehauen?" "Ich...", sie verstummte, er runzelte die Stirn, wartete geduldig auf eine plausible Erklärung, "Ich musste nach Hause." "Deshalb haust du einfach mal schnell ab, ohne Bescheid zu sagen.", fragte er leicht wütend. "Es tut mir Leid, Ardian." Bei seinem Namen sah er finster drein, setzte sich wieder in Bewegung, lief am Rhein entlang. "Du läufst ständig davon und ich weiß nie, woran ich bei dir bin." Er fuhr sich durch die Haare, wartete auf eine Antwort, doch blieb diese aus. Viviana sagte kein Wort mehr, legte nach fünf Minuten einfach auf, Ardian lauschte noch ein ganzes Stück dem Tuten, verstand gar nichts. Was war mit ihr los? Warum?

》Viviana

Ich wollte mit ihm reden, doch hatte ich, so dumm, wie ich bin, keine Ausrede gefunden, warum ich hatte nach Hause, gemusst und nicht Bescheid gesagt hatte. 'Hör einfach auf über ihn nachzudenken. Erspart dir einen Haufen Leid.' Ich versank beinahe in Selbstmitleid, hasste mich dafür so abgrundtief. 'Hör auf in Selbstmitleid zu baden, sondern mach dich lieber nützlich.' Ich wollte nicht aufstehen, starrte mein Handy weiterhin, drückte kurzerhand auf Ardians Kontakt, legte allerdings sofort wieder auf. War es wirklich so schlimm jemanden anzurufen, den man schon als Kumpel bezeichnete? Es ist ja nicht so, als wäre ich verliebt. Also bitte, ich würde mich niemals verlieben, ich wollte immerhin nicht wie meine Mutter enden.
Frustriert schmiss ich mein Handy auf das Bett, erhob mich und begann das Badezimmer zu putzen. Ich musste jetzt irgendetwas sinnvolles tun, um nicht ganz und gar in meinen Gedanken zu versinken, wollte einfach nicht mehr an Ardian denken.
Vollkommen konzentriert räumte ich die Schränke aus, säuberte sie und packte alle Sachen wieder hinein, als plötzlich die Haustür ins Schloss fiel. Man hörte ein Kichern, kurz darauf weitere seltsame Geräusche. Können die es nicht auch mal treiben, ohne dass ich alles mitbekomme? Seufzend wandte ich mich wieder meiner Arbeit zu, versuchte jegliche Geräusche der vertikalen Erquickung meines Sorgeberechtigten und dessen Prostituierten auszublenden, schaffte es allerdings nicht ganz. Gerade als sie anfingen laut zu stöhnen, trat ich auf den Flur. "Leute, ernsthaft. Könnt ihr nicht woanders eurem Fortpflanzungstrieb nachkommen? Muss das immer in meiner Nähe sein? Ich will nicht mitmachen, egal wie laut ihr stöhnt und schreit!", rief ich durch das Haus, woraufhin die beiden sofort verstummten. Mit einem Gewinner-Grinsen auf dem Gesicht verschwand ich in mein Zimmer, schloss die Tür ab und zündete eine weitere Zigarette an.

Entspannt lag ich auf meinem Bett, hatte Kopfhörer in den Ohren und nickte, passend zur Musik, mit dem Kopf. Trotz meiner Verdorbenheit hatte ich einen breit gefächerten Musikgeschmack, warscheinlich auch das einzige Thema, über das es sich lohnte noch mit mir zu reden. Ansonsten war ich eher zurückhaltend, was Gespräche anging, hatte Ardian auch bemerken müssen. 'Du denkst schon wieder an diesen Jungen.' Ich wollte in diesem Moment unbedingt eine Katze, würde ich allerdings nie bekommen, da ich eine verdammte Tierhaarallergie habe. Ich wollte schon immer ein eigenes Tier, doch war, neben meiner Allergie, auch die Zeit nie da gewesen, es hätte dauernd alleine sein müssen, noch dazu wäre niemand da gewesen, der sich hätte darum kümmern können. Ich hatte das schon als kleines Kind immer schade gefunden, wollte ich doch auch einen besten Freund, wie alle meine Mitschüler damals hatten.
Plötzlich wurde mir der Ohrstöpsel heraus gezogen, ich zuckte zusammen, sah auf, direkt in das Gesicht vom Flittchen meines Vaters. "Was?!", blaffte ich genervt, beinahe hasserfüllt und warf ihr den finstersten Blick zu, den ich aufbringen konnte. "Hier stinkt es nach Rauch.", stellte sie lächelnd fest, "Du solltest lüften, Viviana." Ich starrte sie nur an, sprachlos über die Dreistigkeit dieser Person, die einfach versuchte mir Tipps, beinahe schon Anweisungen zu geben. "Wenn es dir unangenehm ist, kannst du ja wieder nach unten verschwinden und Brett spielen." Verwirrung spiegelte sich in ihrem Gesichtsausdruck. "Was meinst du damit?" Ich hatte keine Lust dieser überaus unterbelichteten Person zu erklären, was ich damit gemeint hatte, nahm ihr meinen Ohrstöpsel aus der Hand und steckte ihn zurück, dorthin, wo er vorher war. Ich blendete diese Intelligenzbestie aus, um zu vermeiden, dass etwas von ihrer Dummheit auf mich abfährt, kann es ja alles geben.
Nach fünf Minuten, in denen sie mehrmals versucht hatte meine Aufmerksamkeit zu erlangen, ließ sie endlich von mir ab, verließ mein Zimmer und suchte sich scheinbar ein nächstes Opfer, dass sie nerven konnte. Würde sowieso nichts finden, gibt ja niemand weiteres in diesem riesigen, leeren Haus. Man könnte sich tatsächlich irgendwie alleine fühlen, sobald man dieses Gebäude betritt. Hinzu kommt, dass alles so steril weiß gehalten ist. Meine Mutter wollte hier gar nicht ihren Style hineinbringen, da sie meinte, sie wäre niemals wirklich lange hier.
Der einzige Raum, der ein wenig individuelle Gestaltung genossen hatte, war mein eigenes Zimmer.
Die Farbe sollte einmal Pastellgrün darstellen, doch im Laufe der Zeit hatte ich meine Wände mit jeglichen Kritzeleien und Zeichnungen versehen, die mir in den Sinn gekommen waren.
Ich starrte auf ein Bildnis meiner Mutter, welches ich damals gezeichnet hatte. Nicht besonders detailreich, musste man zugeben, aber trotzdem erkannte man, wie glücklich sie zu dieser Zeit aussah. Mir kamen die Tränen bei dem Gedanken an sie, dabei wollte ich gar nicht weinen, eigentlich hatte ich vorgehabt etwas zu zeichnen, doch brachte das zu viele Gefühle hervor, ließ mich nicht zur Ruhe kommen. "Verdammt!", schrie ich wütend und schlug mit geballten Fäusten auf meine Wand ein. 'Du bist so schwach, so dumm.' Ich sank auf den Boden, schluchzte laut auf, vergrub mein Gesicht in den Händen. Ich hasste mein Leben, meine Schwäche, das Schicksal. Wollte ich doch einfach nur normal sein. 'Hör auf darüber nachzudenken und nimm eine Tablette.' Ich sog scharf die Luft ein, als jemand meine Zimmerpreise öffnete und sie mir fest in den Rücken rammte, woraufhin der Schmerz durch meinen gesamten Rücken zog. "Hackt's?", blaffte ich die Person an, die in mein Zimmer wollte. "Vive?", ich hörte die Stimme meines Vaters, sprang auf und floh an die andere Seite des Raumes, wollte ihm keineswegs zu nahe kommen. "Hau ab.", murrte ich finster, wischte mir die Tränen vom Gesicht, blieb allerdings auf Abstand. Die Tür schloss sich wieder, ohne das er noch ein Wort sagte.

Drugs ● Ardy (Reupload) Where stories live. Discover now