13. Kapitel

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Die letzte Zeit in der Klinik hatte ich damit verbracht immer tiefer in mich einzudringen, hatte Seiten gefunden, die an mir gar nicht kannte. So hatte ich mich heute, an meinem letzten Tag, kurz bevor mein Vater mich abholte, sogar ein kurzes Dankeschön an die behandelnde Schwester richten können. Ich war komisch, fühlte mich auch komisch, so frei, irgendwie klar. Niemals hätte ich gedacht jemals aus dieser Anstalt heraustreten zu dürfen, stand ich jetzt aber schon davor, sah an dem grauen, tristen Gebäude nach oben und seufzte tief. Natürlich hatten mich diese Leute, da drinnen aus dem Dreck gezogen, mir beigestanden, während ich in einem dauerhaften Dämmerzustand, in mir selbst gefangen, dort lag, nichts tat, doch würde ich es sicherlich nicht vermissten. Tief in mir machte sich leise Freude breit, als der Audi meines Vaters vorgefahren kam, ich einsteigen konnte und endlich, ganz weit weg von dieser Einrichtung kam, mein Leben wieder leben können würde. Ich freute mich tatsächlich das erste Mal seit meiner Mutters Tod auf Zuhause, bzw. auf mein Leben.
Doch trübte der Gedanke an Adrian meine Stimme ein wenig, hätte er solch einen Moment des Glücks perfekt machen können, wäre er amwesend, war er aber nicht, wusste ich doch nicht einmal weshalb. Was hatte ich getan? Ok, diese Frage erübrigt sich. Ich war drogenabhängig, hatte ihm keinen Anhaltspunkt gegeben, dass ich ihn mochte, geschweige denn, mit ihm befreundet sein wollte. Klar, dass er da abhaut, würde ich auch tun.
Seufzend lehnte ich meinen Kopf zurück, schloss die Augen, blendete alle Gedanken aus, fühlte mich befreit, glücklich, leicht, als würde ich schweben können. "Vive, ih muss dir noch etwas sagen.", begann mein Vater irgendwann ein Gespräch, dass er gerne führen konnte, nur durfte er nicht damit rechnen, dass ich mitmachen würde, hatte gar keine Lust auf Konversation. Ich schwieg. "Mit Katjana ist es vorbei. Sie war nie die Richtige, das habe ich jetzt verstanden.", fuhr er fort. "Sag bloß du hast mal gemerkt, dass sie an deiner Seite genauso sinnvoll war, wie ein Sandkasten in der Sahara.", gespielt schockiert sah ich ihn an, die Augen weit aufgerissen, eine Hand vor den geöffneten Mund gelegt. "So meinte ich das jetzt nicht.", meinte er, musste aber über meine Bemerkung schmunzeln. "Ich auch nicht.", antwortete ich ausdruckslos, woraufhin ein verwirrtes "Was?" Von meinem Vater kam und ich einfach lachen musste. Wann ich das wieder gelernt hatte, wusste ich nicht, doch tat es unheimlich gut.
Der Rest der Fahrt verlief in einstimmigem Schweigen, Phillip sprach nicht, ich sprach nicht, niemand sprach, bis kurz vor unserem Haus. "Es tut mir Leid, dass ich nie da war, alles tut mir Leid, alles jemals Getane.", sprudelte es plötzlich aus ihm heraus. Ich starrte ihn leicht perplex an, sein Blick war stur geradeaus auf die Straße gerichtet. "Achja? Schau doch mal im Lexikon unter Arsch nach. Dort bist du abgebildet.", blaffte ich nachdem ich mich wieder gefangen hatte. Glücklicherweise waren wir bereits angehalten, sodass ich sofort aus dem Auto sprang und ins Haus lief, hatte keine Lust mehr auf seinen Scheiß, wollte ihn nicht mehr sehen. Er rief mir noch etwas hinterher, doch hörte ich schon gar nicht mehr zu, knallte die Zimmertür laut und schloss ab. Wie hatte ich es doch vermisst. Seufzend fiel ich rückwärts auf mein Bett, streckte die Arme aus und schloss für einen kurzen Moment die Augen, ehe ich abrupt aufsprang, mein Handy vom Schreibtisch nahm und zurück auf das Bett sprang. Dort schaltete ich es ein, checkte die Nachrichten, wurde von Mal zu Mal enttäuschter, Ardian hatte nicht eine einzige Nachricht hinterlassen. Traurig senkte ich meinen Kopf wieder in die Kissen und fuhr mir über mein Gesicht, in meinen Augen sammelten sich bereits die Tränen. Ich würde nicht weinen, fest biss ich die Zähne zusammen.
Ich stand auf, konnte nicht mehr liegen, hatte ich genug davon für den Rest meines Lebens, stellte mich vor den Spiegel, sah meinen Körper an. Ich war noch dünner geworden, blass, sah immernoch kränklich aus, wusste, dass ich zunehmen muss, schaffte es aber einfach nicht regelmäßig zu essen.
"Vive?", Phillip klopfte, ich öffnete nicht, sagte nichts, starrte weiterhin auf mein Spiegelbild, merkte, wie schrecklich meine Haare aussahen und entschied spontan sie neu zu färben.
Mit viel Schwung riss ich meine Tür auf, nur um mit meinem Vater zusammen zu prallen. "Sorry, ich werde jetzt mit dir über nichts reden.", behauptete ich, noch bevor er irgendwie etwas sagen konnte, war ich zur Haustür hinaus verschwunden, hatte dabei ein wenig Geld mitgenommen und machte mich auf den Weg zum nächsten Drogeriemarkt.
Dort angekommen suchte ich mir Blondierungen, zwei, dicke Haare und so ein Mist, dazu noch irgendwie etwas Unnatürliches zum Färben und ging bezahlen, lief zurück nach Hause und floh ins Badezimmer. Tür abgesperrt und los ging es.
Meine schwarzen Haare zeigten bereits wieder ungefähr 10 cm des blonden Haaransatzes, doch war das egal, weil sie sowieso zuerst wieder blond werden würden.
Zwischendurch saß ich immer wieder vor dem PC in meinem Zimmer, surfte durch das Internet, bestellte Dinge, die ich meinte gebrauchen zu können, klickte Videos an, tat alles, um die Zeit schnell herum zu bekommen, sodass ich nach fünf Stunden endlich soweit war. Rot, grün. Ich hatte mich nicht entscheiden können, weshalb sie nunmal jetzt oben knallrot waren und nach unten hin, in den Spitzen grün gefärbt. Ja, ich wollte Veränderungen und da hatte man das Desaster.
Als ich, mit geföhnten, frisch gefärbten Haaren in die Küche kam, sah mein Vater so aus, als würde er gleich vom Stuhl kippen. Ich warf ihm nur einen kurzen, genervten Blick zu, nahm mir etwas Mineralwasser und verschwand wieder.
Raus, an den Rhein, nach wochenlangem Hausarrest einfach an die frische Luft. Es war kalt, windig, irgendwie unangenehm, doch musste ich nach draußen, fühlte ich mich in Gebäuden doch mittlerweile so stark eingeengt. Wiedermal hatte ich mir die Kapuze meiner Sweatshirt-Jacke tief ins Gesicht gezogen, diesmal nicht, um meine roten Augen zu verbergen, sondern eher, weil es nass war und naja, mit roten, frisch gefärbten Haaren ist das nicht so besonders von Vorteil.
Entspannt lief ich den Weg entlang, hörte endlich wieder das Plätschern des Wassers, das Knirschen des Kies' unter meinen Schuhen, die Geräusche der wenigen, noch vorhandenen Natur in einer so großen Stadt, wie Köln.
Innerlich hoffte ich darauf Ardian hier irgendwo zu sehen, mit ihm reden zu können. Ich vermisste diesen Jungen schrecklich, obwohl ich ihn niemals richtig gekannt hatte.
Unbewusst glitt mein Blick über alle Menschen, die mir auf meinem Weg entgegen kamen, in der Hoffnung ihn zu treffen, an seinen Wohnort erinnerte ich mich nicht mehr, zu viele Drogen.
"Viviana?", hörte ich eine Stimme hinter mir unsicher meinen Namen aussprechen, woraufhin ich mich sofort umdrehte und in das Gesicht eines Mädchens blickte. Ich sog scharf die Luft ein, kannte ich sie doch ziemlich gut. "Amanda.", meinte ich trocken, zog die Kapuze ein wenig nach hinten, sodass mein blasses Gesicht ein wenig ins Licht kam und sah sie leicht verwirrt an. "Dich hab ja schon ewig nicht mehr gesehen.", sie strahlte mich förmlich an, meine ehemalige beste Freundin. "Ja, schon, ich war halt nicht da.", meinte ich nur ausdruckslos, wollte gar nicht erst mit ihr reden. "Wann kommst du mal wieder in die Schule?" "Gar nicht. Ich muss wiederholen und werde wechseln." Sie stellte noch weitere Fragen, meine Antworten fielen immer kürzer aus, irgendwann verabschiedete sie sich, lief davon, ließ mich allein, woraufhin ich sofort etwas entspannter wurde. Doch wusste ich jetzt, dass es an der Zeit war nach Hause zu gehen, um nicht in Gefahr zu laufen, noch mehr alte Bekannte zu treffen.

Drugs ● Ardy (Reupload) Where stories live. Discover now