Kapitel 19

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"So, jetzt will ich aber alles wissen!", verlangte der Kobold vor mir.

Es war Nacht geworden und wir rasteten am unteren Ende des drei gezackten Felsens, der den Eingang zu dem Tal markierte. Er hatte mich die ganze Zeit ohne weiteres getragen. Und hatte mich erst hier am Fuß des Berges, an einer Quelle die unter freiem Himmel lag abgesetzt.

Nur um dann die Wirkung der letzten Vollmondnacht auf sich wirken zu lassen und sich zu verwandeln. Er hatte ein Stück seiner Kleidung abgerissen, die er magischer Weise trug, wenn er sich zu einem Kobold verwandelte, hatte diese im Wasser getränkt und begonnen vorsichtig mein Gesicht von dem getrockneten Blut zu reinigen.
Ich verzog ein wenig das Gesicht, als er meine aufgeplatzte Lippe abtupfte.

"Tut mir leid.", murmelte er sofort und fuhr noch vorsichtiger fort.

Eigentlich wollte ich nichts sagen, aber er würde so lange weiter fragen, bis er eine Antwort hatte.

"Ich werde von allen Elfen gehasst.", murmelte ich leise.
Er hielt kurz inne.

"Das habe ich wohl mittlerweile auch schon festgestellt.", gab er trocken zurück.
"Aber warum?"

Ich sah auf meine Finger und begann sie zu kneten.

"Was ist los?"

Sanft nahm er mein Kinn und hob es etwas hoch, dass er mir in die Augen schauen konnte. Ich errötete leicht und sah zur Seite.

"Ich habe keine Magie in mir...", hauchte ich fast tonlos und erneut stiegen mir die Tränen in die Augen.

Jetzt war es raus... Vermutlich würde er mich jetzt auch hassen.

"Wie keine Magie?", fragte er etwas dumm nach.

"Ich kann keine Magie wirken.", schluchzte ich.

"Ich kann die Natur nicht beeinflussen, kann nicht fliegen, wie andere Elfen vereinzelt, hab keine übermäßigen Körperkräfte...", zählte ich nur ein paar wenige Fähigkeiten auf.

"Ich kann gar nichts! Ich kann nichts zum Zusammenleben mit der Natur beitragen. Ich bin einfach ein nutzloser Elf!", schimpfte ich und weinte wieder.

Der Kobold vor mir blieb kurz still.

"Nur deswegen wirst du so behandelt?", fragte der Kobold dann leise.

Ich sah ihn verheult an.

"Nur?"

Der Kobold stieß einen tiefen Seufzer aus.
"Alter, seid ihr Elfen Idioten..."

"W... Was?", ich verschluckte mich halber an meinen Tränen.

Mein Begleiter schüttelte den Kopf und zog mich dann zu sich. Und dann... umarmte er mich?

Beruhigend strich er mir über den Rücken. Er hielt mich ein paar Minuten so in den Armen, ehe er sich von mir löste, mich allerdings nicht losließ.

"Jimin..." Er sah mich fest an.

"Du bist nicht nichts wert!", sagte er langsam und betonte jedes einzelne Wort.

"Ich wiederhole mich auch gerne noch einmal. Du bist das beeindruckendste und mutigste Wesen, was ich bisher kennenlernen durfte. Und daran ändert sich auch nichts, nur weil du keine Magie wirken kannst. Tut mir leid, aber bisher hatte ich die Elfen nicht für so beschränkt gehalten.", schüttelte er den Kopf.

"Wir Kobolde haben zwar keinen wirklichen Zugriff auf die Magie wie die Elfen, allerdings haben wir ja auch unsere Fähigkeiten, auf die wir stolz sind. Allerdings rasten wir nicht so Banane aus, wenn einer von uns Mal nicht der Norm entspricht." Fassungslos schüttelte er den Kopf.

"Dann wirst du schon immer so behandelt?", fragte er leise und ich meinte unterdrückt lodernde Wut in dieser Frage rauszuhören.

"Nicht immer...", murmelte ich schüchtern.
"Erst seit ich zehn Jahre alt war und mein Vater von seinem Botengang nicht wiedergekehrt war."

"Dein Vater ist tot?", fragte er geschockt. "Und deine Mutter?"

Ich zuckte die Schultern.

"Kannte ich nie. Deswegen schimpfen sie mich auch als Bastard... Mein Vater war in allen bewohnten Gebieten als Bote unterwegs... Und irgendwann hatte er mich mitgebracht und als sein Sohn vorgestellt. Wer meine Mutter war, weiß niemand außer mein Vater und der kann es nicht mehr sagen...", erklärte ich meine komplizierte Familiensituation.

"Hat sich wirklich niemand um dich dann gekümmert?", fragte er mich entsetzt.

"Naja... Zuerst hatte mich der Heiler aufgenommen, aber da ich mit den Jahren immer noch keine Magie besaß, wurde es immer schlimmer...", meine Stimme zitterte und ich brach ab.

"Sie haben dich wirklich gefoltert?", seine Stimme klang eisig, als er sich alles was er bisher gesehen hatte zusammen reimte.

Ich biss mir auf die Lippen um nicht wieder loszuheulen und meine Hand zuckte ohne es verhindern zu können in Richtung meines Rückens.

Der Kobold zischte.

"Wenn ich weiß, wer das war, hätte der kein angenehmes Leben mehr...", knurrte er wütend.

Erschrocken zuckte mein Blick nach oben. In seinem sonst so hübschen Gesicht stand die blanke Wut geschrieben.

Er sah meinen erschrockenen Blick, stockte kurz und schloss die Augen und schnaufte ein paar Mal, um sich wieder selbst zu beruhigen. Er atmete ein letztes Mal lange aus und schlug dann wieder die Augen auf. Er nahm meine Hände in seine und drückte sie leicht.

"Ich verspreche dir, dass ich dich nicht alleine hier zurück lasse. Du kommst mit mir ins Land der Kobolde! Wir haben zwar vielleicht in deinen Augen auch alle einen Schaden, aber ich verspreche dir, dass es dir längst nicht so mies gehen wird, wie hier. Und vor allem du hast mich! Wenn dir da einer blöd kommt, boxe ich ihn mindestens einfach weg!", beschloss er einfach.

Ich konnte es nicht verhindern, dass sich ein Lächeln auf mein verheultes Gesicht schlich.

"Auch als Tiger?", fragte ich nach.

Er verdrehte etwas amüsiert die Augen.

"Ich hoffe ja, dass wenn wir die olle Feenkuh besiegt haben, dass ich dann den Fluch überstanden habe. Aber wenn du so fragst, als Tiger, würde ich sagen, ist meine Rechte sogar vermutlich noch besser, als jetzt in dieser Gestalt.", zwinkerte er mir zu.

Ich konnte nicht anders und begann zu kichern. Die Vorstellung war schon zu gut.

Sein Blick wurde weich, als er mich so betrachtete.

"So gefällst du mir schon besser.", lächelte er mich sanft an. Er löste unsere Hände und stand auf.

"Ich habe versprochen, dass ich dafür sorgen werde, dass du glücklich wirst. Und dieses Versprechen werde ich auch halten!"

Ich erstarrte, als er mir kurz durch die Haare wuschelte und einen sanften Kuss auf meinen Scheitel drückte. Ich starrte ihn nur mit großen Augen an, doch er zwinkerte mir nur noch einmal zu.

"Ich werde kurz im Wald nach Kräutern suchen, die deine Schmerzen lindern werden. Ich bin gleich wieder da." Er hielt kurz inne und grinste mich an.

"Und ich bin verdammt stolz, dass du dem alten Sack das am Ende so um die Ohren gehauen hast!"

Dann ging er in den Schatten, verwandelte sich und sprang ins Unterholz davon.
Und ließ mich komplett perplex und mit einem rasenden Herzen zurück.

The Way To Your DestinyWhere stories live. Discover now