Kapitel 10

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Es war später Nachmittag, als wir endlich dem Fluss-Plateau näher kamen. In der Ferne konnte ich das Wasser schon gluckern hören. Unwillkürlich schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen und vertrieb die düsteren Gedanken, die seit dem Dorf in meinem Kopf unherspukten.

"Warst du schon einmal hier?", fragte ich den Tiger. Der sah mich von der Seite überrascht an, schüttelte aber dann seinen Kopf.

"Dann hast du bisher echt was verpasst.", grinste ich ihn an.

"Das was du gleich zu sehen bekommen wirst, ist einfach gigantisch.", schwärmte ich.

"Der große Fluss, der hier durch das Elfenland führt, ist hier in diesem Bereich sehr flach und nimmt so auch eine sehr große Fläche ein. Zwar hast du zwischendrin immer wieder relativ große Inseln, deren Abstand im Vergleich machbar wäre zum schwimmend überqueren, aber das ist auf Dauer doch sehr anstrengend. Deswegen haben sich einige Elfen mit der selben Magiefähigkeit daran gemacht lebende Brücken zu errichten.", erklärte ich.

"Manche haben die Gabe Pflanzen, beziehungsweise deren Wachstum beeinflussen zu können. Und so sind sie hingegangen und haben Ranken und Wurzeln länger und länger und dicker werden lassen und diese dann über das Wasser gespannt und miteinander verwoben, dass es so dann Brücken gab, die die Überquerung deutlich einfacher machten."
Interessiert zuckten seine Ohren, als ich ihm das so erzählte.

"Dir wird es bestimmt auch gefallen.", lächelte ich ihn an. "Wir sind auch gleich an der ersten Brücke."

Und keine fünf Minuten später, kam sie in Sicht. Ich sah zu meiner Rechten und sah wie der Tiger seine Augen weiteten.

Ich lachte leise. "Schon genial nicht?"

Tief grüne Ranken reihten sich an schmutzig braune Wurzeln, unten so dicht verwoben, dass man kaum das Wasser darunter sah. Und so breit, dass ein Gespannwagen entspannt darüber gebracht werden konnte. An den Seiten Links und rechts, wuchsen Mal Blätter, Mal waren die Ranken von Hängemoos übersäht und ließen die Brücke wie aus dem Urwald entsprungen wirken.
Ohne zu zögern betrat ich die Brücke und lief los.

Es war ein gutes Stück bis zur nächsten Insel, das wir jetzt knapp zwei Meter über der Wasserfläche zurück legen würden. Der Wald brach keine zehn Meter nach Beginn der Brücke auf und offenbarte die Weite des Fluss-Plateaus mit seinen ganzen mal mehr, mal weniger bewaldeten Inseln. Die Sonne strahlte von oben herab und ließ das Wasser glitzern. Ich sah zurück zum Tiger, der noch wie angewurzelt am Beginn der Brücke stand.

"Du kannst ruhig kommen, die Brücke hält dich auch aus. Es sind schon deutlich schwerere Sachen hier herüber gebracht worden.", rief ich ihm aufmunternd zu und lächelte ihn an.

Zögernd tastete er mit einer Pfote die Wurzeln ab und für einen kurzen Moment wirkte er wieder wie ein kleines süßes schwarzes Kätzchen. Doch dann befand er wohl, dass es doch ein Versuch wert sei und trat auf die Brücke und leider war der Anblick dann schon wieder vorbei. Zuerst schlich er etwas vorsichtig in meine Richtung, doch als er bemerkte, dass die Brücke nicht einmal ansatzweise wackelte, entspannte er sich auch sehr schnell und sein Gang wurde auch entspannter.

Und so setzten wir unseren Weg auf der Brücke gemeinsam weiter fort. In der Mitte der Brücke sah ich zum Himmel hoch um die Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht zu genießen, die mir durch den Wald den Großteil vom Tag verwehrt geblieben waren.

Doch als ich so zum Himmel sah, konnte ich dicke schwarze Wolken am Himmel erkennen, die aus dem Osten schnell in unsere Richtung zogen. Etwas mulmig sah ich zur Sonne, die noch von einigen Stunden Tageslicht zeugte bevor sie untergehen würde. Ich hoffte inbrünstig, dass sich der Regen noch etwas Zeit lassen würde und nicht zu schlimm werden würde.

"Wir sollten uns etwas beeilen.", murmelte ich zum Tiger und beschleunigte meinen Schritt etwas. Er folgte meinem Blick gen Himmel und tat es mir dann gleich.

Der Weg über die erste kleine Inseln war ganz gut befestigt. Ich liebte dieses Gebiet einfach. Gerne hätte ich mir ein Plätzchen auf einem der moosigen Steine gesucht und eine Pause gemacht, während ich auf den sandigen Strand, der durch die Kiefern erkennbar war geschaut hätte. Doch leider war dafür keine Zeit.

So pflückte ich nur ein paar Preiselbeeren, die am Wegesrand wuchsen und steckte sie mir in den Mund. Genüsslich zerdrückte ich die süß säuerlichen Beeren an meinem Gaumen und ließ sie platzen. Ich liebte es einfach Wildbeeren zu essen.
Der Tiger sah mich etwas skeptisch an.

"Ist was?", fragte ich ihn.

Der schüttelte nur den Kopf und lief weiter. Ich folgte ihm weiterhin und überlegte, was ihn denn so stören könnte.

"Ist es weil ich sie direkt vom Strauch esse?", überlegte ich laut.
Doch der Tiger schüttelte nur den Kopf und verdrehte die Augen.

"Ist es weil..." Ich wurde selber von meinem Bauch unterbrochen, der mit einem Mal laut knurrte.

Der Tiger warf mir einen Blick zu und man hätte meinen können, dass er eine Augenbraue anhob.

'Fällt dir jetzt was auf?', war das was ich aus diesem Blick lesen konnte.

"Oh...", gab ich leise von mir. Ich registrierte erst jetzt, dass ich seit wir aufgebrochen waren, nichts mehr gegessen hatte.

Verlegen kratzte ich mich am Kopf. "Ich glaube ich habe heute noch nichts gegessen..."

Der Tiger verdrehte die Augen und schnaubte. 'Ach was du nicht sagst.'

"Ich bin es halt nicht gewohnt Proviant dabei zu haben...", versuchte ich zu erklären.
"Und du hast die Nahrung deutlich nötiger als ich..." Wieder sah der Tiger mich stumm an.

Ich zuckte mit den Schultern. "Bisher hab ich so immer meine tagelangen Reisen überstanden..."

Es hörte sich so an als würde der Tiger seufzen und wandte wieder seinen Kopf ab. Ich sah noch wie er ihn leicht schüttelte, aber jetzt still blieb.

Ich verstand dieses Tier einfach nicht. Zuerst behandelt er mich so, als wäre ich der größte Klotz am Bein und jetzt "diskutierte" er mit mir darüber, wie viel ich aß...
Und beides in nem Abstand von nicht einmal 24 Stunden. Ich verstand es einfach nicht.

Wir liefen still schweigend weiter nebeneinander her und nach nur wenigen Minuten kam die zweite Brücke in Sicht.
Als wir aus dem kleinen Wald herauskamen, musste ich feststellen, dass es mittlerweile zugezogen war und statt der Sonne nur noch die Wolken zu sehen waren. Zudem war der Wind aufgefrischt. Und kaum dass wir die zweite Brücke betreten hatte, spürte ich einen Regentropfen.

Ich sah zum Himmel und betete, dass der Regen nicht zu schlimm werden würde.

The Way To Your DestinyWhere stories live. Discover now