Kapitel 14

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Ich kam wieder zu mir, als wir gerade ein Feld mit Schilfgras durchquerten. Etwas benommen blieb ich noch wie ein nasser Sack auf dem weichen Fellrücken liegen. Ich beobachtete die Umgebung um mich herum und weitete überrascht die Augen.
Wir waren schon an dem großen See, der in dem Wald lag. Wie lange hatte ich denn geschlafen?

Vorsichtig richtete ich mich auf, was von einem überraschten Schnaufer kommentiert wurde. Der Tiger blieb stehen und drehte seinen Kopf zu mir. Doch ich konnte ihn nur mit offenem Mund anstarren. Die Sonne war mittlerweile untergegangen und die Dämmerung hatte schon längst eingesetzt.

"Gott, wie lange habe ich bitte geschlafen?", fragte ich ihn entsetzt.

Ein belustigtes Schnaufen war seine Antwort und seine Augen glitzerten amüsiert. Ohne auf meine Frage zu reagieren, drehte er sich wieder nach vorne und setzte seinen Weg fort. Stumm saß ich auf ihm und ließ mich weiter tragen. Er hatte mich den ganzen Tag getragen...

Irgendwie wollte das nicht wirklich in meinen Kopf rein. Bisher war ich niemanden begegnet, der so etwas auch nur im Entferntesten für mich getan hätte.
Ich räusperte mich leise.

"Wollen wir hier am See nicht rasten? Dort vorne ist ein Felsenüberhang unter dem man prima schlafen kann.", fragte ich den Tiger.
Überrascht sah der Tiger mich an.

"Ich meine, du musst doch auch müde sein, nachdem du mich den ganzen Tag getragen hast und Hunger und Durst hast du doch bestimmt auch...", druckste ich herum.
"Und vielleicht bin ich morgen dann auch wieder so fit, dass ich wieder alleine laufen kann..."

Kurz zögerte der Tiger, nickte aber dann und lief in Richtung des Überhangs, den wir über das Wasser schon sehen konnten. Kaum waren wir da blieb er stehen und kauerte sich leicht nieder, damit ich bequem von ihm runter steigen konnte.

"Dankeschön...", murmelte ich doch etwas beschämt.

Daraufhin zwinkerte mir der Tiger nur wieder amüsiert zu und ging zu dem Wasser um im gierigen Schlucken zu trinken. Ich bekam ein schlechtes Gewissen, er hatte so zurück stecken müssen nur wegen mir.

"Tut mir leid...", murmelte ich leise.

Der Tiger sah überrascht auf, verdrehte dann aber schnell die Augen und schüttelte den Kopf. Als er fertig mit Trinken war, kam er wieder zurück zu mir und blieb vor mir stehen. Er sah so aus, als ob er etwas loswerden wollte, aber stattdessen rollte er nach kurzem Zögern entnervt mit den Augen und sprang dann ohne eine Vorwarnung ins Unterholz und war verschwunden.

Irritiert sah ich ihm hinterher. Ich hatte keine Ahnung, ob ich etwas falsch gemacht hatte, oder was das sonst gerade sein sollte. Nur insgeheim hoffte ich, dass er schnell wieder zurück kommen würde. Mit ihm fühlte ich mich doch deutlich weniger alleine.

Ich legte meine Tasche auf die Stelle mit Heidekraut, wo ich schon häufig geschlafen hatte. Dann machte ich mich auf die Suche nach Feuerholz. Nur kurz schlafen und weiter war so angeschlagen, wie ich es noch war, keine Option. Deswegen konnte ich auch ein kleines Feuerchen anzünden um mich, beziehungsweise uns zu wärmen.

Schnell hatte ich alles zusammen was ich brauchte. Etwas erschöpft ließ ich mich unter dem Felsen auf den Boden sinken. Ich war zwar deutlich fitter als noch am Mittag, aber gesund war ich definitiv noch nicht. Aber nach einer kurzen Verschnaufpause machte ich mich ans Feuer machen und nach ein paar Minuten brannte schon ein kleines Feuerchen, das mir Licht und Wärme spendete.

Wobei das Feuer als Lichtquelle nicht unbedingt erforderlich gewesen wäre. Die Nacht war sternenklar und wir hatten zudem noch eine wunderschöne Vollmondnacht, wo der Mond sich gerade schon langsam über die Baumkronen schob.

Still beobachtete ich den Mond und die Sterne und die schwarzen Schatten der Bäume, die sich sanft im Wind bewegten. Immer wieder legte ich Holz nach, damit das Feuer ausreichend genährt wurde.

Besorgt sah ich in den Wald rein. Es war schon einige Zeit vergangen, seit der Tiger verschwunden war und so langsam machte ich mir doch Gedanken, wo er nach diesem seltsamen Abgang abgeblieben war...

Ich hoffte er würde wieder kommen. Jetzt wo er weg war, musste ich doch zugeben, dass ich ihn echt vermisste. Auch wenn wir uns kaum kannten, war er mir in der kurzen Zeit doch irgendwie ans Herz gewachsen und alleine wollte ich jetzt auch nicht mehr weiterziehen.

Gedankenverloren sah ich auf den See in dem das Mondlicht glitzerte. Ich sah zu wie die Wasseroberfläche sich von dem Wind kräuselte und sich das Glitzern vervielfältigte. Fast sah es so aus, als ob das Glitzern aus dem Wasser selber kommen würde...

Ich sah wieder zum Wald und lauschte ob der Tiger... Ich stockte und mein Blick wandte sich wieder dem Wasser zu. Moment einmal...

Ich stürzte zum Wasser und starrte in die schwarzen Fluten. Doch so schwarz waren sie gar nicht mehr. In dem Wasser sah ich etwas leuchten.

Ich zögerte kurz, doch dann riss ich mir schier die Klamotten vom Leib und stieg vorsichtig ins Wasser. Vorsichtig watete ich zu der Stelle, wo ich das Glitzern wahrgenommen hatte. Und tatsächlich ich hatte mich nicht getäuscht.

Mein Augen wurden groß und mein Mund klappte ungläubig auf. Mit zittrigen Händen griff ich unter Wasser und knipste ein Stück der leuchtenden Alge ab und zog sie aus dem Wasser.

Mir kamen die Tränen, als ich diese über Wasser genauer betrachten konnte und sie genauso weiß leuchtete wie unter Wasser. Ich presste meine eine Hand vor den Mund um ein Schluchzen unterdrücken. Ich konnte es nicht fassen...

Ich wusste nicht, wieso mir das vergönnt war, aber ich war mir sicher. Ich hatte es geschafft...

Ich hielt tatsächlich Feenhaar in der Hand!

Es sah genauso aus, wie auf der Zeichnung der Feen. Es war Vollmond, es leuchtete, es wuchs unter Wasser... Ich konnte es nicht glauben...

Hastig griff ich unter Wasser und pflückte vorsichtig noch mehr davon. So viel wie ich mit meinen zwei Händen tragen konnte. Und es war immer noch einiges in dem See.

Vorsichtig, dass ich nichts verloren, watete ich zurück zum Ufer. Vorsichtig schüttelte ich meinen Schatz trocken und legte ihn nahe des Feuers ab. Dann nahm ich meine ausgezogene Hose und zog aus dem mittlerweile ausgerissenen Beinabschluss einige Fäden heraus.

Ich setzte mich mit dem Rücken zum Feuer, zum einen, dass ich trocknen konnte, zum anderen dass ich das Kraut vor zu viel Hitze abschirmen konnte. Ich machte mich vorsichtig daran die Stengel zu Bündeln zu binden, dass ich sie morgen besser transportieren konnte.

Ich war mitten in der Arbeit, als ich hinter mir ein undefinierbares Schnaufen hörte. Erschrocken fuhr ich herum, entspannte mich aber gleich wieder, als ich den Tiger erkannte. Er war doch wieder zurück gekommen.

Begeistert und lachend sah ich ihn an.

"Du glaubst nicht, was ich gefunden habe!", strahlte ich ihn an und ich platzte schier vor Glück.
Ich hob das erste Bündel hoch und zeigte es ihm stolz.

"Wir haben Feenhaar!", schrie ich fast vor Freude.

Doch irgendwie konnte ich ihn mit meiner Freude nicht anstecken. Ohne die Miene zu verziehen, sah er nur kurz zu meinem Bündel. Dann fasste er wieder mich ins Auge. Sein Blick war dunkel und mein Lächeln verblasste. Irgendetwas passte hier nicht.

Er legte etwas im Schatten, wo er gerade stand ab und zögerte. Dann kam er langsam auf mich zu. Ich bekam es mit der Angst zu tun. Er wirkte auf einmal so... anders...
So unberechenbar...

Doch was dann passierte, hätte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht ausmalen können...



~😇😈

The Way To Your DestinyWhere stories live. Discover now