Kapitel 12

121 18 2
                                    

Langsam kam ich wieder zu mir. Ich wusste nicht wo ich war, aber selten war ich so angenehm und warm aufgewacht. Ich genoss dieses ungewohnte Gefühl von Behaglichkeit und seufzte leicht auf. Im Hintergrund hörte ich Feuer knistern und das was ich nicht von der Wärme des Feuers abbekam, wärmte mich weich von dort, wo ich lag. War ich im Himmel?

Vorsichtig blinzelte ich. Ich lag mit dem Gesicht in Richtung Feuer, an etwas wunderbar warmes und kuscheliges angelehnt. Ich sah wie der Feuerschein an den Höhlenwänden flackerte und erkannte meine Kleidung die am Feuer lag, komplett trocken.

Mit einem Schlag kam die Erinnerung an den Sturm zurück und ich schreckte auf. Geschockt starrte ich meine Liege Gelegenheit an, die sich als der Tiger entpuppte. Ich... Hatte auf dem Tiger geschlafen?

Ein müdes Brummen kam aus seiner Kehle und mit einem Mal spürte ich den Schwanz des Tigers, der mich zurück auf den weichen Bauch, zwischen seine Vorder- und Hinterläufe drückte. Geschockt lag ich wieder auf dem Tiger, nicht wissend was ich denken oder fühlen sollte.

Ich versuchte meine Gedanken zu ordnen, was passiert war, nachdem wir in die Höhle gestolpert waren. Aber da war nur Schwärze.

Ich wusste noch, wie ich meine nassen Klamotten von meinem Leib gerissen hatte, aber sonst war da nichts weiter. Ich war eingeschlafen, aber was war sonst dann passiert? Wo kam das Feuer her, das so schön und warm brannte? Der Tiger konnte ja wohl kaum Feuer gemacht haben... War ich so in Trance gewesen, dass ich selber das getan hatte?  Wie stark war ich bitte weg gewesen? Und vor allem, wie lange hatte ich geschlafen?

Leise richtete ich mich auf und krabbelte in Richtung Höhlenausgang. Dass mir schlagartig kalt wurde, ignorierte ich erst einmal. Erschrocken weiteten sich meine Augen, als ich erkannte, dass es früher Morgen war und die Sonne bereits aufgegangen. Wir mussten weiter...

Ich zog mich wieder zurück in die Höhle und versuchte das Zittern zu unterdrücken, das angefangen hatte, sobald ich die kühle Außenluft wahrnahm. Ich nahm meine verschlisse Hose und zog sie an. Dann mein ebenfalls verschlissenes Hemd. Als letztes meine Schuhe und mein Überwurf mit Kapuze, der mich sonst vor leichtem Regen oder Wind schützte. Wohlig seufzte ich auf, als die warmen Sachen meine Haut berührten und mich wärmten.

Ich hörte ein Brummeln hinter mir und drehte mich um. Der Tiger war nun auch wach und sah mich an.

"Guten Morgen.", krächzte ich. Erschrocken griff ich mir an den Hals. Offensichtlich war das Unwetter nicht spurlos an mir vorbei gegangen.

Das schwarze Tier vor mir runzelte die Stirn. Besorgnis glitzterte in seinem Blick, mit dem er mich musterte.

"Wir müssen weiter...", versuchte ich ihm klar zu machen. Meine Stimme klang allerdings echt schrecklich. Als wäre sie durch ein Fleischwolf gedreht worden.

Der Tiger starrte mich lange an und tat gar nichts. Irgendwann seufzte er doch, wandte seinen Blick ab und schubste mit einer Pfote mir den Proviantbeutel zu.

"Oh, danke." Ich wollte ihn mir gerade umlegen, als der Tiger mich leicht anfauchte. Irritiert hielt ich inne.

Mit strengem Blick hatte er mich ins Auge gefasst und nickte in Richtung des Beutels. Ich zögerte, nicht ganz wissend was ich machen sollte. Ungeduldig schüttelte der Tiger den Kopf und nickte erneut auf den Beutel. Langsam öffnete ich den Beutel, was mit einem Nicken kommentiert wurde.

"Brauchst du Fleisch?", fragte ich ihn als Bestätigung.

Das Nicken hörte sehr schnell auf und der genervte Ausdruck kam wieder zurück und er verdrehte seine Augen. Energisch schüttelte er den Kopf und nickte in meine Richtung.

"I... Ich soll davon was essen?", stotterte ich verwirrt. Zufrieden nickte der Tiger, dass ich wohl verstanden hatte, was er wollte.

"Aber... Was ist mit dir?"

Er seufzte, schüttelte nur seinen Kopf und stand auf. Ohne weiter Zeichen mir zu geben tapste er an mir vorbei und ließ sich vor dem Eingang der Höhle, mit dem Rücken zu mir, wieder auf den Boden plumpsen. Dass er damit den Ausgang blockierte, war ihm scheinbar egal.

"Hey, wir müssen doch weiter..", beschwerte ich mich.

Er drehte sich zu mir kurz und... zwinkerte mir zu?
Während er sich wieder zurück drehte, war ich doch sehr stark verwirrt. Spätestens das ließ das Tier mehr 'menschlich' als tierisch erscheinen. Gut, der Tiger hatte schon deutlich mehr Charakter als alle Tiere zusammen, die ich bisher kennengelernt hatte, aber das jetzt?

Ich sah zu dem Proviantbeutel herunter. Ich hatte wohl verstanden, dass wir erst weiter ziehen würden, wenn ich etwas gegessen hätte.

Seufzend sah ich in den Beutel hinein und zog ein kleines Stück Trockenfleisch hervor und begann darauf herum zu kauen. Es tat gut etwas aromatisches herunter zu bekommen, allerdings kämpfte ich doch damit, das zerkleinerte Essen zu schlucken und bei mir zu behalten.

Nach dem zweiten Bissen nahm ich das Stück Fleisch wieder herunter. Es hatte keinen Sinn es weiter zu probieren. Mein Magen rebellierte und mir war schlecht.

Ich spürte wieder den besorgten Blick des Tigers auf mir ruhen. Er hatte sich mittlerweile umgedreht und sah mich an.

"Geht irgendwie nicht...", murmelte ich leise. Ich hätte, wo ich jetzt einmal angefangen hatte, gerne mehr gegessen, aber wenn ich mich davon erbrechen sollte, hatte das halt auch keinen Sinn.

Ich hörte den Tiger erneut seufzen. Er stand wieder auf, kam zu mir und stupste mich aufmunternd an.

Ich wusste selber nicht was ich tat, aber als er mit seinem Kopf bei mir verharrte, nahm ich meine freie Hand und legte sie auf seinen Kopf, kurz hinter seine Ohren. Fast automatisch begann ich mit Kraul- Bewegungen und kraulte ihn an der Stelle hinter dem Ohr.

Zuerst weiteten sich überrascht seine Augen, doch er wehrte sich nicht dagegen. Und nach ein paar Sekunden schloss er die Augen und begann es zu genießen. Ich traute mich aus Respekt nicht meine Hand weiterwandern zu lassen, doch das übernahm er für mich.

Er drehte seinen Kopf so, wie er wollte, dass meine Hand auf die andere Seite seines Kopfes wanderte und zurück. Zufrieden seufzte er, als er seinen Kopf so drehte, dass ich ihn an seinen Ohransätzen kraulte. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf mein Gesicht.

"Danke, dass du mich heute Nacht gewärmt hast.", flüsterte ich heiser, aus Angst den Moment kaputt zu machen.

Langsam löste er sich von mir und blinzelte mir zu. Tief sah er mir in die Augen mit seinen wundervollen braunen Katzenaugen. Es lag so viel Wärme in diesem Blick, dass es mich fröstelte.

Ich wusste nicht, ob mich jemals jemand so angeschaut hatte, wie dieses Tier vor mir. Viel zu schnell für meinen Geschmack wandte sich der Tiger von mir ab und lief Richtung Ausgang, um dann abwartend davor stehen zu bleiben. Er war bereit weiter zu gehen.

Ich hatte immer noch eine Gänsehaut, als ich das Fleisch wieder einpackte und das Feuer löschte. Allerdings war es zum ersten Mal in meinem Leben keine unangenehme...

The Way To Your DestinyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt