L

253 20 6
                                    

Als er vor mir erschienen, erzitterte die Umgebung. Als hätte selbst das Holz Respekt vor Upper Moon Eins.

Eine Hand am Katanagriff, sein Kimono bauschte sich hinter ihm auf und ließ seine teuflische Klinge hervorblitzen. Er war noch ungefähr zwanzig Meter entfernt von mir und trotzdem wollten meine Beine am liebsten kehrt machen.

Ich erinnerte mich nur zu gut an unsere letzte Auseinandersetzung. Ich verkrampfte meine Hände und ballte sie zu Fäusten, dann trat ich mit einem hinterhältigen Lächeln einen Schritt vorwärts, sorgte dafür, dass meine spitzen Zähne nicht zu übersehen waren.

Natürlich hatte ich mit ihm gerechnet, allerdings nicht so früh. Er würde sich mir nicht in den Weg stellen.
Für jeden Schritt, den ich machte, machte er ebenfalls einen. Wir hielten erst an, als nur noch eine Armlänge zwischen uns passte.

Seine sechs Augen taxierten mich wie ein köstliches Dessert. Ein saftiges Stück Fleisch, das er von seinem Meister bekommen würde, wenn der mit mir fertig war. Ich konnte einfach nur grinsen, starrte ihm direkt ins Gesicht, - meistens auf die Nase, da diese Sache mit den sechs Augen ziemlich kompliziert war - stemmte eine Hand in die Hüfte und ließ einen abschätzigen Blick über ihn wandern.

"Das Hündchen so weit weg vom Herrchen.", sinnierte ich. „Ich wusste, dass du nicht tot bist.", kam es ganz unbeteiligt von ihm. Aber seinen Hass konnte er nicht verbergen.

Er waberte um ihn herum wie meine Schatten, die sich von meinen Knöcheln langsam an meinen Beinen emporschlängelten. Süß und hungrig und gierig nach seiner Macht, die durch seine pulsierende Aura nur allzu spürbar war.

"Hast du mich vermisst, Kokushibo?"
Ich bewegte meinen Körper, ging durch meine Haare. Er verpasste kein Detail. "Ein seltener Anblick.", heuchelte er. Ich legte den Kopf schräg.

"Man sieht dich nur selten ohne deinen Meister. Hat er dir etwa Freiraum gewährt? Was musstest du wohl dafür tun?" Oh, wenn er nur wüsste.

Ich lachte freudlos auf und ging um ihn herum. Ohne sich zu mir umzudrehen, sprach er weiter. "Ich kann deine Aura nicht spüren. Wie ist das möglich?" "Das tut jetzt nichts mehr zur Sache, mein Hübscher."

Ich blieb stehen. Auch wenn er mich nicht spüren konnte, fühlte ich sehr wohl seinen aufkeimenden Blutdurst. Das unbändige Verlangen, alles zu vernichten.

Seine ganze Existenz strömte diese Energie aus. Und genau das machte ihn zum legendären Upper Moon Eins. "Du siehst anders aus. Du riechst anders. Deine Anwesenheit ist weder menschlich, noch dämonisch. Du glaubst doch nicht wirklich, ich würde dich lebendig zu ihm lassen, Nezaky.", raunte er bedrohlich.

Bei der Art, wie er meinen Namen sagte, stellten sich sämtliche Härchen bei mir auf. Ich hatte es nicht anders erwartet. "Ich wäre enttäuscht gewesen, hättest du mich einfach gehen gelassen.", säuselte ich verspielt.

Er sollte ruhig denken, ich unterschätzte ihn.
Als wir uns beide umdrehten, trafen sich unsere Blicke wie entladene Blitze. Der Boden unter unseren Füßen knackte und ächzte.

Kokushibos Augen bewegten sich kein Stück mehr. Er hatte mich längst allumfänglich mit ihnen fixiert. Als er sein Gewicht verlagerte und sein Katana zog, bewegte ich mich synchron mit ihm und formte hinter meinem Rücken bereits meine Schattensense.

Auf einmal durchzog ein neuer Geruch unser Revier. Es kribbelte in der Nase und augenblicklich lief mir das Wasser im Mund zusammen. Ich sah über Kokus Schulter hinweg und auch er drehte sich um - abgelenkt von diesem Geruch. Wie bei einer Droge.

Blut verteilte sich in großen Pfützen auf unserer breiten Brücke. Fünf Kinder, alle vielleicht gerade einmal elf oder zwölf Jahre alt, lehnten bewusstlos aneinander. An ihren Armen lief das Blut nur so runter. Sie alle trugen weiße und beige Kimonos.

Ich erschrak innerlich zu Tode, als Douma hinter mir erschien und mein Handgelenk griff, um die Schattensense aufzulösen. Vom Duft des rares Blutes paralysiert, schaute ich über meine Schulter zu ihm auf und schluckte.

Unter seinen Augen zeichneten sich aggressiv erregte, dunkle Adern ab. Seine Augen waren blutunterlaufen und an seinen Mundwinkel rann rote Flüssigkeit runter.

Das waren die Nachwirkungen von meinem Gift-Blut-Cocktail gewesen, den ich in den Wein getan hatte. Es war erst wenige Stunden her. Er hätte viel länger ausgeknockt sein sollen. Er sollte doch nicht hier sein.

Ich konnte nicht beide gleichzeitig bekämpfen!!

"Das wird ihn nicht ewig aufhalten! Was willst du?", zischte ich. "Das wird ihn gar nicht aufhalten. Genauso wenig wie dein dummes Gift!", herrschte er und zog mich heftig am Handgelenk zu ihm herum.

"Wenn du mich noch ein einziges Mal vergiften solltest, mach ich dich kalt!" Ich zog die Augenbrauen hoch. "Du solltest gar nicht hier sein." "Du solltest es mir danken, Liebes."

Immer noch wütend sah er zu Kokushibo herüber und wieder zu mir. In meine Regenbogenaugen und die Schattenadern unter meiner Haut. Den zu spitzen Zähnen und der unnatürlichen Aura. "Bist das wirklich du?", hauchte er und ich konnte schwören, dass sein Blick sanfter wurde.

Ich nickte, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Weil ich nicht wusste, ob er mir jemals wieder trauen würde. Sein mächtiger Brustkorb hob und senkte sich stark. Dann sah er mir tief in die Augen.

"Du wirst es ihm noch erklären müssen. Du weißt ja, er ist schwer von Begriff."
Akaza erschien genauso plötzlich neben uns wie Douma vorhin hinter mir.

Was sollte das hier werden? Ich verstand es nicht und war trotzdem unglaublich froh, die beiden zu sehen. "Selbst zu dritt wird es uns nicht lange genug gelingen, ihn aufzuhalten.", drängte ich. Doch als Douma begann zu grinsen und Akazas Blick sich nach vorne richtete, blickte auch ich wieder in Kokushibos Richtung, der uns den Rücken zugedreht hatte und vor einer Armee aus Dämonen stand.

"Was zum-", begann ich. "Ich wusste, es würde sich irgendwann auszahlen, so viele Dämonen zu erschaffen, die nur wegen meiner Großzügigkeit noch existierten.", beendete Douma.

Akaza lachte überheblich. Das war ja alles schön und gut. "Es hält ihn trotzdem nicht auf!"
"Es soll ihn nicht aufhalten, Nezaky.", sprach Akaza ernst, warf mir einen letzten Blick zu und begann den Angriff auf Kokushibo, "Es soll ihn nur abhalten, dir zu folgen."

Die Brücke unter unseren Füßen fing an zu beben. Schrille Schreie und Dämonenkünste trafen aufeinander und brachten das Infinity Castle zum Zittern. Douma packte mich an den Schultern. "Ich habe mich entschieden, kleiner Vogel.", flüsterte er und presste seine Stirn an meine.

Eine Welle der Erleichterung überfiel mich und ich streckte ihm auch meinen Kopf entgegen. "Versprich mir, ihn nicht zu töten, und ich werde dir folgen. Für immer."

Erst jetzt fiel mir wieder auf, warum ich ihn betäubt und angelogen hatte. Er dachte immer noch, ich würde Muzan nur aufhalten. Nicht töten.

Also log ich wieder. Auch, wenn es mir das Herz brach. Und ich nickte. "Ich verspreche es."
Douma legte eine Hand in meinen Nacken und zwang mich, ihm in die Augen zu sehen. Sie funkelten wie die pure Unendlichkeit meiner Träume.
"Sei meine Königin."

Blended Blood || Demon Slayer DoumaWhere stories live. Discover now