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Ich war eingeschlafen. Wie konnte ich nur einschlafen sein? Ich schreckte hoch und tastete erstmal meine Gliedmaßen ab, ob noch alle da waren. Das waren sie. Meine Atmung beruhigte sich etwas.

Wie spät es wohl war? Die Kerzen im Zimmer waren teilweise schon heruntergebrannt. Vorsichtig setzte ich mich wieder im Bett auf und stellte meine Füße auf den kühlen Boden. Die Seile waren weg. Jemand, oder Etwas, musste sie gelöst haben, als ich geschlafen hatte.

Ich war allein im Raum. Hier musste es doch irgendwo einen Lichtschalter geben. Ich lief den Raum ab und fand ihn tatsächlich. Ein erleichtertes Seufzen kam über meine Lippen. Ich hätte nie erwartet, mich mal so über einen Lichtschalter zu freuen. Warmes Licht strömte auf mich ein und nahm mir kurz die Sicht. Danach drehte ich mich wieder dem Raum zu und betrachtete ihn nochmal eingehend.

Es gab hier tatsächlich keine Fenster. Das wäre wahrscheinlich auch unpraktisch für einen Dämon. Ansonsten wirkte das Zimmer normal. Wie eine Art Gästezimmer. Wie makaber. Ich sah mir die Bilder an der Wand an. Von Hand gezeichnete Lotusblüten und türkisfarbene Gewässer. Wunderschön. Ich glaubte nicht, dass Douma sie gezeichnet hatte. Douma.

Mein Blick fiel auf die Verzierungen, die sich an allen Wänden abbildeten. Als ich mit den Fingern darüberstrich, schreckte ich zurück. Das waren keine Verzierungen. "Kampfspuren.", hauchte ich und fuhr über die übermalten Rillen.
Kampfspuren.. von Fächern..
Ich schluckte und fasste an meinen Hals, um nicht an dem Kloß darin zu ersticken.

Warum musste soetwas passieren? Warum mir, warum meinem Freund? Was hatte ich dieser Welt getan? Oder diesem blöden Mann im Himmel, dem ich gerade meinen Mittelfinger nur so ins Gesicht hämmerte. Im übertragenen Sinne natürlich.
"So eine Scheiße."
"Kann ich Ihnen helfen?"
Ich schreckte so plötzlich zusammen, dass ich beinahe das Gleichgewicht verlor.

Ein kleiner Mann, der einen schlichten ockerfarbenen Kimono trug, stand im Türrahmen mit einem Tablett voller herrlich riechender Köstlichkeiten. Er war.. ein Mensch. Meine Pupillen weiteten sich. Ich schritt sofort auf den Mann zu und schaute ihn ungläubig an. "Helfen Sie mir!", flehte ich ihn an, zog ihn herein und schloss die Tür hinter ihm.

"Wo sind wir? Was ist das für ein Ort? Wer sind Sie? Warum sind Sie hier?", löcherte ich ihn, "Ist er.. da? Dort draußen?"
Der Mann schenkte mir ein leichtes Lächeln. "Ihr seid sehr aufgebracht. Der Meister hat uns von Euch erzählt." Er stellte das Tablett ab, schlug seine Hände ineinander und verbeugte sich. "Ihr seid die Auserwählte." Er verbeugte sich noch dreimal hintereinander und wagte es kaum, mir richtig ins Gesicht zu sehen.

"Wenn es irgendwas gibt, das wir für Euch tun können, dann gebt uns bitte Bescheid. Wir tuen alles für Euch, Herrin."
Ich war sprachlos. "Herrin? Auserwählte?! Nein! Wartet!" Der Mann war nicht aufzuhalten und so schnell wie er gekommen war, war er auch wieder fort. Die Tür schloss sich wie von Geisterhand selbst. Sie war nicht verschlossen. Der Dämon, dieser Douma, er hatte die Tür nach seinem Auftritt auch nicht abgeschlossen gehabt.

War es eine Falle? Oder nur ein Witz, weil er wusste, dass ich nicht fliehen konnte?
Douma war ein großer, schöner Mann - Dämon - und seine Stimme war die Art von Stimme, die jeder Frau den Verstand raubte. Und genau das nutzte er sicher zu seinem Vorteil. Bis auf die leicht psychopathische Ader in seinem Wesen wirkte er fast normal. Wie viele Menschen waren ihm wohl schon zum Opfer gefallen?

Ykata, mein Bruder, er hatte mir einmal erzählt, dass Dämonen die Menschen nicht nur brauchten, um Nahrung zu sich zu nehmen, sondern auch um stärker zu werden. Und er sagte, dass junge Frauen dafür am besten geeignet waren als alte Damen oder Männer. Warum, hatte er mir nicht gesagt. Aber das war der Grund gewesen, warum er immer besorgt um mich gewesen war. Ich lachte. Ykata drehte sich gerade wahrscheinlich im Grab um, bei dem Gedanken, wo ich mich hier befand.

Ich wagte mich zur Tür. Meine Hand legte sich zögernd um den Türknauf. In meinem Hinterkopf dröhnte es. Falle. Falle. Falle.
Dennoch verstand ich es nicht. Was wollte er? Und vor allem, wovor hatte er mich "gerettet"? Das hatte er deutlich betont. Dass er mich gerettet hatte. Ich schluckte. Sah er meinen langsamen Tod als Rettung? Er war krank..

Ich drehte den Türknauf. Für einen kurzen Augenblick hörte mein Herz auf zu schlagen. Ich zog die Tür einen Spalt auf. Vor mir befand sich ein weiter, breiter Flur. Ich fragte mich, ob die dunklen Holzdielen, die den Weg zierten, mich verraten würden? Orangene Lampions schmückten den Flur und ließen ihn golden erscheinen. Wie bei einem Sonnenuntergang. Die Wände waren aus dickem Stoff gewebt, der kaum Licht von Draußen durchscheinen ließ. Keine Fenster. Keine verdammten Fenster.

Ich hörte Schritte. In tödlicher Präzision schloss ich die Tür lautlos. Ich spürte mein Herz in meiner Brust hämmern.
"Ich komme hier nicht lebend wieder raus.", hauchte ich meinem Bruder zu. Scheiß drauf.

Blended Blood || Demon Slayer DoumaWhere stories live. Discover now