XXVI

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Erleichtert, abgelenkt und satt kehrte ich zurück. Mit schweren Schritten und einem zerstörten Kleid platzte ich durch die Tür meines Zimmers, bereit die Welt zu erobern. Ich hatte so viel Energie, dass ich gar nicht wusste, wohin damit.

Ich holte so tief Luft, als wäre jeder Atemzug mein letzter. "Herrin-" Es verschlug der armen Frau die Sprache. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, könnte man glauben, ihr Herz hatte aufgehört zu schlagen.

"Komm schon, Runame, so schlimm ist es nicht.", scherzte ich und schloss die Tür hinter mir. Zum ersten Mal sah ich wahrhaftige Angst in ihren Augen. Ihre Hände zitterten bei meinem Anblick.
Ja, ich konnte nur furchtbar aussehen, so gut wie ich mich fühlte.

Ich sah an mir herab. Blut durchtränkte das gesamte Kleid. Es fiel nur durch die Feuchtigkeit auf, ansonsten hatten mein Kleid und das Blut der Männer, die ich getroffen hatte, die gleiche Farbe.

Ich grinste über beide Wangen hinweg und ließ ein genussvolles Stöhnen aus. Runame taumelte. Sie wusste genau, dass es nicht mein Blut war, das an mir klebte. Ich drückte den Rücken durch und ging an ihr vorbei ins Badezimmer.

Es war mir so egal. So egal, was sie dachte, was sie sah oder was sie bereits geahnt hatte. Ich hörte ihre Schritte. Sie lief geradewegs zur Tür. Ohne mich umzusehen, sprach ich in einem lieblichen Ton zu ihr. "Ich brauche deine Hilfe, Runame. Komm, hilf mir."

War es böse? Vielleicht. Aber machte es Spaß? Auf jeden Fall.
Sie zögerte. Drei Sekunden hielt sie die Luft an. Meine Sinne waren gerade so scharf wie frisch gewetzte Messer. Dann kam sie zu mir. Jeglicher Ausdruck war aus ihrem Gesicht verschwunden.

Sie trat so nah sie eben konnte an mich heran und öffnete mir den Reißverschluss meines Kleides. "Danke sehr.", schmunzelte ich über meiner Schulter hinweg. Runame mied meinen Blick. "Koch einen Tee für uns beide. Ich habe Durst."

Als ich mit meinem Bad fertig war und in wesentlich bequemere Sachen geschlüpft war, ging ich zurück ins Schlafzimmer. Auf meinem kleinen Beistelltisch stand eine Tasse Tee und die dazugehörige Kanne.

Die zierliche, kleine Frau stand daneben, den Kopf gesenkt. Ihre Schultern allerdings gerade.
Ich holte eine zweite Tasse, füllte sie und reichte sie ihr wortlos hin. Erst jetzt hob sie den Blick. Die braunen Augen leer.

"Danke, Herrin." "Nezaky.", berichtigte ich sie und ließ mich auf mein Bett sinken. "Braucht Ihr noch etwas?", nuschelte sie. Sie wollte weg. Schnell weg.
"Ich möchte, dass du bleibst und mit mir Tee trinkst." "Ihr wolltet noch nie mit mir Tee trinken, Nezaky." "Jetzt wünsche ich es aber."

Ich schenkte ihr das süßeste Lächeln, das ich hatte. Zur Antwort bekam ich ein leichtes und Grund auf falsches Lachen. Genug der Show. Ich hatte sie genug gequält.
Und für einen kurzen Moment erkannte ich, dass sie sich genauso fühlen musste, wie ich damals.

Ich atmete tief ein und stellte die Tasse weg. In Wahrheit hasste ich Tee. "Du weißt doch ganz genau, was ich bin, oder?", sprach ich dunkler, damit sie mich auch ernster nahm. Es funktionierte. Ihre rehbraunen Augen schnellte zu mir. Im Bruchteil einer Sekunde wurden sie glasig.

Hastig schüttelte sie den Kopf. "Nein. Nein, Herrin." "Doch, ganz sicher sogar. Du weißt es, seitdem ich hierher kam. Und du weißt, was Douma ist." Ich brach den Augenkontakt zu ihr nicht. All ihre Worte standen ihr auf die Stirn geschrieben, noch bevor sie sie aussprechen konnte.

"Nein. Nein, Herrin, ich weiß nichts. Gar nichts.", ihre Stimme nur ein Flüstern im Wind. Erste Tränen liefen über ihre Wangen. Sie wusste bereits, dass sie sich selbst verriet.

"Ich werde dir nichts tun, Runame. Im Gegenteil. Ich finde es wirklich sehr erfrischend, dass zumindest irgendjemand in dieser Sekte wirklich weiß, was vor sich geht.", sagte ich so sanft ich konnte und meinte es auch so.

Sie wurde hellhörig und ihre Brauen schossen nach oben. Der endgültige Beweis. Ich grinste. "Weißt du, du bist schlauer, als es zuerst den Anschein gemacht hat. Du hast Glück, dass du gerade auf mich getroffen bist. Wüsste Douma zum Beispiel die Dinge, die ich über dich weiß.. Tja, dann wärst du nicht mehr hier." Ihr ganzer Körper zuckte zusammen, als ich ausgeredet hatte. Wohl zurecht.

"Nezaky.. Ich.." Sie machte einen Schritt auf mich zu. Ich hob die Hand, um sie zu beruhigen. "Ist schon gut. Ich kann dich gut verstehen. Was ich allerdings nicht verstehe, ist, warum du dennoch hier arbeitest."

Sie wusste ganz genau, dass ich ein Dämon war. Dass Douma ein Dämon war. Dass wir Menschen fraßen. Wieso also?
Eine Weile sagte sie nichts. Dann sah sie mit so traurigen Augen direkt in meine, dass ich dachte, sie könnte alle meine Farben darin sehen.

"Ich habe niemanden mehr. Ich kam her und er fand Gefallen an mir. Er sagte einmal, er fände mich lustig. Seitdem arbeite ich für ihn. Er benutzt mich, damit sich seine Opfer sicherer fühlen." "Aber er denkt, du wüsstest es nicht." "Ich spiele eine Rolle für ihn. So wie.. Ihr."

Erschrocken über ihre eigenen Worte, presste sie die Lippen aufeinander. Ich lachte. Sie war wirklich lustig. Menschen.. Herrlich mit anzusehen, wie sie die Kontrolle verloren, wenn sie um ihr Leben bangten.

"Schon gut. Du hast recht. Auch ich spiele ein Spiel. Nur weiß das keiner." Ich zwinkerte ihr zu.
Sie verstand natürlich nicht, was ich meinte.
"Hör mir zu, Mädchen. Ich sage es dir nur ein einziges Mal."

Ohne darüber nachzudenken, nickte sie hastig. "Mein Name ist Nezaky. Ich bin ein Dämon und ich fresse Menschen. Ich sterbe im Sonnenlicht und lebe in den Schatten der Nacht. Und ich weiß, dass du weißt, wer ich war, bevor ich Nezaky wurde."

Ein Rumpeln riss mich aus meiner Rede. Ich blinzelte und sah auf den Boden, wo sich der schöne Teppich mit Tee vollsaugte. Runames Hände zitterten so sehr, dass sie die Tasse fallengelassen hatte. Ich schaute sie ungläubig an.

"Habe ich etwas falsches gesagt?" "Nein.", antwortete sie schnell, "Es ist nur-", sie beendete den Satz nicht. "Sie ist tot, Runame. Wer auch immer sie war oder wie sie hieß. Sie ist tot." "Dein Name war Ivanaka."

Ich stutzte über die Tatsache, dass sie mich duzte. "Nein, es gibt nur Nezaky.", erwiderte ich dunkler, als ich es erwartet hatte. Ich räusperte mich, stand auf, drückte ihr meine Tasse Tee in die Hand und ging an ihr vorbei. Ich wollte sie nicht länger ansehen.

"Ich mache dir ein Angebot. Du arbeitest weiter für mich und ich fresse dich nicht." Vorsichtig drehte ich mich zu ihr um, um zu sehen, ob sie die Tasse wieder fallenlassen würde. Sie tat es nicht.

"Aber ich möchte, dass du nur für mich arbeitest. Nicht länger für Douma. Du erzählst ihm nichts mehr über mich - oder, wenn er fragt, nur Lügen. Douma kennt keine Gefühle, du kannst ihm sicher einfach etwas vorspielen."

Schwere Stille kehrte zwischen uns ein. Es war ein Risiko, aber nur für sie. Für ihr Leben. Wenn sie schlau war, wusste sie das. "Und dafür verschonst du mich?", stammelte sie zurückhaltend, dennoch schon stärker als zuvor.

"Ja.", ich drehte mich auf dem Absatz zu ihr um, "Ja. Ich habe kein Interesse an dir. Aber sei dir sicher, wenn du mich hintergehst, könnte ich durchaus Interesse entwickeln. Wenn du verstehst." 
Sie nickte. "Und.. verlangst du trotzdem mein Blut?"

Bilder blitzten auf. Der Raum veränderte sich. Meine Haare waren nicht mehr flüssiges Silber sondern altes Braun. Ich saß auf seinem Sessel. Seinem Thron. Ich konnte zusehen, wie das Blut aus meinem Körper in ein Gefäß floss. Und ich konnte seine gierigen Blicke spüren. Seinen schweren Atem. Das Glühen seiner Haut, als er meinen Arm berührte. Das Funkeln in seinen atemberaubenden Augen.

Ich rannte ins Bad und übergab mich. Runame kam mir sofort hinterher und fasste an meinen Rücken. Ich ließ sie mich berühren. Sie brauchte diesen intimen Moment, um sich sicher zu sein, dass ich ihr nichts tun würde.

Als sich mein Magen beruhigt hatte, richtete ich mich wieder auf, ordnete meine Haare und sah in den Spiegel.

Für einen kurzen Moment sah ich darin eine Frau mit braunen Haare und matten, grünen Augen. Zart wie ein Reh. Unschuldig und unwissend. Dann wuchs sie, verwandelte sich. Ihre Haare wurden länger, stärker und heller. Genau wie ihre Haut heller wurde. Und ihre Augen, aus denen alle Farben strahlten, wurden weiß.

"Nein, ich verlange nicht dein Blut. Ich verlange von dir, dass du mir treu bist und es mir sagst, wenn du etwas hörst, das vielleicht interessant sein könnte. Und ich verlange von dir, dass du mich zur schönsten Frau dieses beschissenen Palastes machst. Ab Morgen werde ich die Rolle einer gottgleichen Frau spielen, die die Welt noch nicht gesehen hat."

Blended Blood || Demon Slayer DoumaWhere stories live. Discover now