20. a_hazelnut • Eine Geschichte ohne märchenhafte Sonnenuntergänge

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„Also ich persönlich habe keinerlei Hoffnung auf eine Ehe, aber es ist schlicht und einfach schon eine unglaubliche Ehre eingeladen worden zu sein.“, Silvanus‘ Sitznachbar fuhr fort, zu plappern, ohne auf eine Antwort zu warten, „Ich meine, die Einladung kam als komplette Überraschung. Noch am Tag vorher habe ich zu meiner Mutter gesagt, wie aufregend wäre es doch, zu einem der Festmähler von der Prinzessin eingeladen zu werden. Und sie sagte ‚Denk nicht mal dran, Junge. Keinen von uns wird sie heiraten wollen‘ Aber dann kam der Brief am nächsten Tag reingeflattert. Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie glücklich ich war. ‚Anscheinend doch!‘, hab´ ich meiner Mutter gesagt ‚Anscheinend doch‘.“, er räusperte sich kurz, fast ein wenig peinlich berührt, „Das war natürlich ein bisschen übertrieben aber in großer Freude überschätzt man sich selbst oftmals, nicht wahr? Wie auch immer, vielleicht“, Quintus beuge sich verschwörerisch näher zu Silvanus, „vielleicht schaut sie sich ja inzwischen auch bei weniger reichem Adel um. Schließlich hat sie schon dutzende gut situierte, mächtigere Adlige abgelehnt. Die Leute reden…“

Silvanus wollte einwenden, dass auch zu diesem Festmahl einige mächtigere Adlige eingeladen waren als Quintus Flacillus, nicht zuletzt lulus Aurelius Fortis, aber Quintus kam ihm zuvor. Das Mundwerk dieses Jungen war schlimmer als das, eines Singvogels. Und lange nicht so schön.

„Sicher, es sind immer auch Adlige dabei, die besser zu ihrem Stand passen, aber nachdem sie so viele abgelehnt hat – überleg dir das mal, das ist jetzt ihr sechstes Festmahl auf der Suche nach einem Bräutigam und sie hat immer noch keinen gefunden. Immer noch nicht! Jedenfalls nachdem sie so viele abgelehnt haben, kommt man nicht umhin die Theorie zumindest in Erwägung zu ziehen, dass sie mehr von dieser Ehe will als Macht.“, wieder beugte sich Quintus ein Stück näher in Richtung Silvanus und senkte geheimnisvoll die Stimme, „Ich glaube, dass sie auf die wahre Liebe wartet. Und wer weiß, wo die hinfällt…“

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Kühle Luft kam Laelia entgegen als sie in den Säulengang des Kleinen Peristyls hinaustrat. Die hohen Säulen mit ihren bunt bemalten, verzierten Kapitellen umschlossen einen rechteckigen Innenhof. In der nächtlichen Dunkelheit konnte Laelia die plätschernden Springbrunnen im Innenhof mehr hören als sehen, und keine Vögel zwitscherten zwischen Oleanderbüschen und Zitronenbäumen. Endlich war ein bisschen Ruhe und Frieden.

Als Laelia ein paar weitere Schritte in den Innenhof hinaus ging, konnte sie nichts hören außer dem leisen Plätschern der Springbrunnen, dem Knirschen ihrer Füße auf dem weißen Kieselsteinpfad und dem Rascheln ihres Nachtgewands. Sie atmete tief durch, lockerte die Schultern und nahm eine entspannte Haltung ein. Ein immenses Gewicht schien von ihrem Rücken zu verschwinden.

Laelia liebte den Prunk eines gewaltigen Festmahls, die Konversationen, das schnelle Hin- und Her, das Spiel mit den Worten. Menschen waren interessant, und für den geübten Leser oft wie Bücher, die man nur aufzuschlagen brauchte. Mimik, Gestik, Tonfall und nicht zuletzt, das, was man von sich gab, verriet so viel über einen selbst, wenn man sich nur darauf verstand zwischen den Zeilen zu lesen. Und Laelia musste zugeben, dass sie sich auf ihre Fähigkeit Menschen zu analysieren einiges einbildete.

Aber trotz all dem war es schön einmal keine Rolle spielen zu müssen. Laelia brauchte diese Pausen, in denen sie nicht auf jedes Wort, das ihr über die Lippen kam, aufpassen musste, Momente, in denen sie loslassen konnte. Schweigen. Nachdenken.

Das Festessen war ein voller Erfolg gewesen. Sie hatte es endlich geschafft Iulus Aurelius Fortis, den Erben des Aurelierreiches persönlich, zu sich nach Hause zu bringen. Der Triumph von diesem Erfolg ließ sie immer noch einen halben Meter über dem Boden schweben. Iulus Aurelius Fortis, oder auch Laelias Schlüssel zur Macht.

Wichtel-Adventskalender 2023Where stories live. Discover now