17. hxdurin • Date des Grauens

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D A T E      D E S
G R A U E N S

hxdurin

[TRIGGERWARNUNG: Kidnapping]

„Ich bin spazieren, komme so gegen halb sechs zurück“, kritzelte Ida eilig auf einen herumliegenden Zettel und platzierte ihn gut sichtbar auf dem rustikalen Küchentisch. Dort würden ihre Eltern ihn sicher entdecken, falls sie in der Zwischenzeit von der Arbeit zurückkommen sollten. Nicht, dass sie sich wunderten oder gar Sorgen machten, wenn ihre Tochter nicht Zuhause war. 

Dann schnappte sie sich ihr Handy und schlüpfte in Winterstiefel und ihren flauschigen Mantel. Es war ein frostiger Tag Anfang Dezember. Schnee lag noch keiner, allerdings war der Boden bereits gefroren, stellenweise gab es Glatteis und vor allem die Luft war schon eiskalt. Mit etwas Glück würden sie dieses Jahr einen richtigen Winter bekommen, und nicht wie letztes Mal Weihnachten bei über 15 Grad feiern müssen. 

Sie zog die Haustür hinter sich ins Schloss und trat nach draußen. Es dämmerte bereits und auf der Straße war kein Mensch zu sehen. Es war beinahe gruselig still hier in dem Neubaugebiet am Rande der Kleinstadt. 

Ida schloss die Augen und atmete die kühle Winterluft ein. Ein Geruch, den sie seit ihrer Kindheit liebte. Dann ging sie los. Ihr Haus lag am äußersten Zipfel des Baugebiets, nur ein paar Meter von den Feldern und Wiesen entfernt. 

Schon wenig später hatte sie die Siedlung hinter sich gelassen und lief nun auf einem breiten Feldweg über einen gefrorenen Acker. Bisher war ihr noch keine Menschenseele begegnet, nur in der Ferne hatte sie die dunkle Silhouette eines anderen Spaziergängers erkannt, doch der war längst im nahen Wald verschwunden. Dieser Wald war auch ihr Ziel. Er war nur ein paar Minuten von hier entfernt und hatte sie schon als Kind fasziniert. Die immergrünen Tannen, die geheimnisvollen, verschlungenen Trampelpfade, die immer wieder von dem geschotterten Forstweg abzweigten und tief ins Unterholz führten. Früher hatte sie dort oft mit ihren Freunden gespielt – egal ob Dschungelexpedition, Raubritter gegen Burgfräulein oder Verstecken – dieser Ort war ihr größter Spielplatz gewesen. 

Inzwischen war Ida 17 Jahre alt und fühlte sich zu alt für solche Spiele. Aber auch für einsame Spaziergänge eignete sich jener Wald noch immer perfekt. 

In diesem Moment riss der Benachrichtigungston ihres Handys sie aus ihren Gedanken. Gespannt zog sie ihr Smartphone aus ihrer Manteltasche. Ob ihr einer ihrer Freunde geschrieben hatte? Ihr Herz machte einen Sprung. Nein, eine WhatsApp war das nicht. Es war eine Benachrichtigung ihrer neuen Online-Dating-Plattform, die sie sich letzte Woche mehr oder weniger aus Langeweile heruntergeladen hatte. „Du hast eine neue Nachricht, Ida06“ prangte dort in großen Lettern. 

Ihr Puls beschleunigte sich, als sie auf ihren Posteingang klickte. Das war ihre erste Nachricht überhaupt! Bisher war sie von allen Mädchen und Jungen auf dieser Plattform ignoriert worden! Wer ihr wohl geschrieben hatte? Und vor allem, was? Gespannt öffnete sie den Chat, in dem sich genau eine Nachricht befand. 

„Hallo Ida06, ich hoffe es geht dir gut :) Ich bin Levi, auch Baujahr 2006 und muss sagen, dein Profil ist sau sympathisch! Hast du Lust, dich ein bisschen auszutauschen?“ 

Ida grinste. Natürlich hatte sie Lust. Vor allem, nachdem sie einen genaueren Blick auf das Profil dieses Levis geworfen hatte. Er war 17, genau wie sie. Laut seiner Bio spielte er Klavier, genau wie sie und machte daneben gerne Sport. Außerdem war er Harry-Potter-Fan. Und sein Profilfoto erst. Ein ganz normaler Jugendlicher mit hellbraunem Haar, der fröhlich in die Kamera grinste und dabei ein perfekt sitzendes Grübchen entblößte. Dazu noch ein paar Sommersprossen und dunkelgrüne Augen mit braunen Sprenkeln. Gott, war der süß. 

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