Wichtel-Adventskalender 2023

2. NicNic86 • Gedankenspiele

G E D A N K E N S P I E L E

NicNic86

Letzte Nacht war es spät geworden. Seufzend ließ sich Eliana auf einen Stuhl fallen. Einer von vielen hier in dem Saal, der zu dem Gasthof gehörte, in dem sie die nächsten Stunden verbringen würde. Tatsächlich fielen ihr tausend andere Dinge ein, die sie jetzt viel lieber machen würde, als allein in diesem kargen Raum zu sitzen und Gestecke für die anstehende Hochzeit ihres Bruders zu binden. Aber sie hatte Damian versprochen, sich um die Dekoration zu kümmern, also blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als endlich zur Tat zu schreiten und damit zu beginnen.

Was tat man nicht alles für den kleinen Bruder.

Kurz wanderte ihr Blick über die Boxen und Schachteln, die sie in den letzten Tagen hierhergebracht hatte. Schleifen, kleine Vasen, Namenskärtchen und anderer Krimskrams. Ihre Motivation hierfür hielt sich sehr in Grenzen, besonders wenn sie daran dachte, wen er da ehelichen wollte.

Unwillkürlich schüttelte sie den Kopf, sie hielt sich selbst eigentlich für weltoffen und Engstirnigkeit konnte sie sich normalerweise auch nicht vorwerfen, aber diese Frau …

Nein, was hatte er sich nur dabei gedacht?

Nach nur einem Jahr?

Als er vor ziemlich genau dreizehn Monaten seine Heimatstadt hinter sich ließ, um einen gut bezahlten Job am anderen Ende der Welt anzunehmen, hätte Eliana nicht im Traum damit gerechnet, dass er mit einem Anhängsel der besonderen Art nach Hause zurückkehren würde. Klar, dass man jemanden kennenlernte, auch nach dem Abschied noch in Kontakt blieb und dann sehen würde, wie sich das Ganze entwickeln würde, alles kein Problem. Aber dass er vor diesem Auslandsflirt nach dieser kurzen Zeit schon auf die Knie fallen würde, um ihr die Fragen aller Fragen zu stellen? Schon ein wenig übereilt, er hätte sich ruhig noch ein wenig Zeit lassen können. Oder sie gleich da drüben lassen, es würde ja doch keine Zukunft mit den beiden geben.

Eliana griff nach dem Karton mit den Blumen und zog ihn zu sich heran. Kurz ließ sie ihren Blick prüfend über dessen Inhalt wandern. Wuntwurz und rosafarbene Catharanthe in kleine, bunte Töpfchen gepflanzt. Typische Pflanzen, um das Herkunftsland der Braut zu symbolisieren. Welch ein Aufwand es doch gewesen war, einen Floristen zu finden, der solch ungewöhnliche Gewächse so verarbeiten konnte, dass es am Ende auch gut aussah. Die Gebinde für die Tische, an denen morgen die Gäste sitzen würden, musste Eliana allerdings selbst anfertigen. Ihr graute es davor, aber langsam musste sie in die Puschen kommen. Zu lange schob sie diese Arbeiten schon vor sich her.

Mit der Rechten zog sie die kleine Plastikbox zu sich, die sie vorhin erst im Nachbarort abgeholt hatte. Kurzstielige Rosen, irgendwelche anderen gelben Blümchen sowie ein Kraut, dessen Namen sie schon wieder vergessen hatte. Zusammengebunden mit dem weißen Band, welches schon bereitlag, sah es am Ende bestimmt gut aus. Sie nahm sich jeweils eines der Gewächse aus der Box und begann mit ihrer Arbeit.

Elianas Gedanken ließen sich davon aber nicht aufhalten und drehten sich weiterhin nur um Damians Zukunft mit der ihr verhassten Brasilianerin.

Eigentlich hatte sie sich das alles ganz anders ausgemalt. Sie war immer davon ausgegangen, dass sie sie mit ihrer Schwägerin shoppen, frühstücken und Essen gehen oder was auch immer tun würde. Was man eben so mit der Zukünftigen seines Bruders unternehmen würde. Kaffeeklatsch, über seine Verflossenen lästern, das Übliche.

Aber allein schon die Sprachbarriere machte das Ganze fast unmöglich. Über was sollte sie sich denn mit Anna unterhalten? Sie stammte aus einem ganz anderen Kulturkreis, über was sprach man da? Eliana wollte in kein Fettnäpfchen treten, sie nicht vor den Kopf stoßen. Obwohl, Anna wusste eigentlich ganz genau, dass sie in der Familie ihres Bräutigams nicht den besten Stand genoss. Aber daran war sie selbst schuld gewesen. Vielleicht hätte sie nicht gleich beim ersten Treffen raushängen lassen sollen, dass sie aus einer wohlhabenden Familie stammte und einen gewissen Standard gewohnt war.